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Kommentar zum Brodeln: Wird Alonso mehr Ancelotti oder Mourinho?

Es brodelt weiter. Während Vinícius Júniors Vertragsverhandlungen scheinbar auf Eis liegen, wirkt auch Federico Valverde weiter nicht ganz zufrieden. Ist das Team gegen Xabi Alonso? Nein. Gibt es dennoch Probleme mit einzelnen Spielern? Offensichtlich. Für Real Madrids 44-jährigen Trainer stellt sich immer mehr die Frage, ob er die Leine und Regeln wieder lockert ähnlich wie einst Carlo Ancelotti, oder eher druckvoller wird wie José Mourinho. Dann könnten mal wieder Publikumslieblings lernen, dass keiner größer ist als der Klub.

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Es brodelt um Xabi Alonso und einige, einzelne Spieler – Fotos: REAL TOTAL, getty images

Ja, bei Real Madrid gibt es Probleme. Und das sind einerseits viele unterschiedliche: von Fehlern einer jungen Mannschaft und teils mangelnde Intensität einzelner, formschwacher Spieler über einen teils noch naiven, ebenfalls jungen Trainer bis zur Kaderpolitik und dem vermeintlich fehlenden Mittelfeld-Chef oder erfahrenen Mittelstürmer bis hin zu Ausfällen, kurzer Saisonvorbereitung und der aktuell undankbaren Serie von sechs Auswärtsspielen in Folge. Doch andererseits hat sich über diese teils schon jahrelangen Baustellen jetzt eben noch etwas drüber gelegt, über das in Medien seit einigen Wochen berichtet wird: Probleme zwischen Mannschaft und Trainer. Die ganze Mannschaft? Nein. Aber ein paar scheinbar unbeugsame Stars machen den Eindruck, nicht ganz zufrieden mit ihrem neuen Übungsleiter zu sein.

Zumindest verfestigt sich dieser Eindruck immer mehr, auch als ich selbst in Elche mal wieder live dabei war. Dass dort auch die oben genannten, unterschiedlichen Problemen mal wieder auffielen, ist das eine. Aber es brodelt eben auch unter der Oberfläche, also unter dem, was man aus der Ferne mitbekommt. Und auch hier ist mir nochmal wichtig klarzustellen: Hier geht es nicht um die teils berichtete pauschale Revolte aller Spieler gegen einen neuen Trainer. Aber einzelne Spieler scheinen mit den neuen Regeln von Xabi Alonso noch nicht ganz klar zu kommen. Sei es mehr Trainingsarbeit generell mit höherer Intensität, abwechslungsreicheren beziehungsweise mehr fordernden Übungen (im Abschlusstraining am Dienstag waren rund 50 Minuten Videoanalyse angesagt) und einem näher dran stehenden, mehr kommunizierenden Übungsleiter (der auch am Dienstag etwas mitgekickt hat), oder mehr Aufgaben und Informationen hinsichtlich des von Alonsos gepflegten Positionsspiels, oder auch ein generelles Einschränken bezüglich gewisser Freiheiten. War unter Carlo Ancelotti hier und da auch mal ein Kurztrip nach Ibiza drin, oder gehörte der Besuch von Stars wie Kim Kardashian in der Vorsaison noch zum wöchentlichen Programm, so wurde all das etwas eingeschränkt. Das heißt es zumindest. Etwas mehr Fokus aufs Sportliche, etwas mehr Disziplin, Pünktlichkeit, etwas klarere Rollenverteilung (nicht nur bei Elfmetern… Xabi Alonso kann man nicht vorwerfen, das eine oder andere verändert zu haben. Oder zu versuchen.

Und genau hier kommt das scheinbar alles überschattende Problem daher. Welcher Spieler nun zu welchem Lager gehört – eher zufrieden oder eher unzufrieden – das lässt sich teilweise spekulieren. Auch wenn hier speziell Spieler, für die Carlo Ancelotti quasi eine Vaterfigur darstellte, schon länger aufgefallen sind: Rodrygo Goes hatte seine Probleme, fiel auch schon durch Unpünktlichkeit auf und hat ohnehin in seinen letzten 29 Einsätzen nicht mehr getroffen. Um Federico Valverde schwellen weiter die Gerüchte, er wolle eher nicht in der Rechtsverteidigung eingesetzt werden, ohnehin gehört er noch nicht zu den auffälligsten Spielern der Saison. Und Vinícius Júnior zeigte nicht nur im Clásico, sondern auch schon davor, dass ein anderer Wind in Madrid weht. Seine seit über einem Jahr laufende Vertragsverlängerung scheint ohnehin längst auf Eis gelegt, das berichtet jetzt auch Mario Cortagena von THE ATHLETIC, auch wenn stockende Vertragsverhandlungen und hohe Forderungen nur bedingt eine bedingte Neuigkeit darstellen. Selbst vereinsnahe und entsprechend eher neutrale Reporter wie Arancha Rodríguez nehmen mittlerweile Namen in den Mund: Vinícius und Valverde gehören dazu.

So ist all das auch die Wiederholung der Geschichte: Wer schon alles gewonnen hat, lässt irgendwann etwas nach – das ist teilweise menschlich. Und war auch schon 2017/18 der Fall nachdem Real Madrid als erstes den Champions-League-Titel verteidigte – dass dieser Pokal 2018 erneut gewonnen wurde, lenkt von einer Saison mit ebenfalls vielen Problemen ab. Die besten, hungrigsten Spieler gingen irgendwann – sei es durch den eigenen Wunsch wie bei Cristiano Ronaldo, oder weil das Ego vermeintlich größer wurde, wie bei Sergio Ramos. Kein Fall, kein Spieler ist miteinander zu vergleichen, und doch machte sich schon in Carlo Ancelottis letzter Saison das Gefühl breit, dass selbst bei jungen Spielern mit schon zwei CL-Titeln etwas der Biss nachlässt – von den oben genannten sportlichen Problemen mal abgesehen. Keiner ist größer als der Klub, das mussten einst nicht nur Raúl González oder Iker Casillas spüren, sogar die Klublegenden Alfredo Di Stéfano und Emilio Butragueño gingen einst im umreinen (und kamen im positiven zurück). Manche Stars verstehen das, lassen sich nicht von früheren Erfolgen und dem privilegierten Leben im Schutz eines sich öffentlich verschließenden Klubs ablenken, so wie Toni Kroos und Luka Modrić – beide eben mehr Maschine als Mensch – da wenig bis nichts vorzuwerfen war. So ist all das, also dieses alles überschattende Problem rund um einige Spieler und ihren Trainer, jetzt die Charakterfrage: Wer setzt sich durch, wer ist bereit sich zu ändern. Denn auch Xabi Alonso muss sich überlegen, ob er weiter versucht, Dinge schönzureden („Die Verbindung wird enger. Wir lernen uns mit der Zeit immer besser kennen und lernen, miteinander umzugehen. (…) Die Verbindung zwischen uns ist gut, die tägliche Zusammenarbeit funktioniert gut.“), oder doch den Druck allmählich erhöht. Zwischen Extremen wie Ancelottis langer, lockerer Leine und José Mourinhos hartem Durchgreifen – unter beiden hat Alonso gespielt – ist noch viel Spielraum, Alonso muss die Mitte finden. Oder wie er selbst schon erklärte: „Man braucht etwas die rechte und etwas die linke Hand.

Gelegentliche Ego-Baustellen sind bei Real Madrid an sich nichts Neues, die Bilanz der letzten 15 Jahre (zwölf CL-Halbfinals und sechs CL-Titel) zeigt sogar, dass Klub, Mannschaft und Trainer die Balance immer wieder gefunden haben, auch wenn dafür große Namen mal zurück stecken mussten – auch aussortierte Isco, Gareth Bale, James Rodríguez oder Marco Asensio sind hier zu nennen. Die Charakterfrage geht also an gewisse Spieler, aber auch an den Trainer, ob und wie er durchgreift, seinen Plan durchzieht oder auch öffentlich mal Druck ausübt – von genereller Kritik bis dazu, mal einzelne Spieler anzuzählen. Denn da manche Einstellungsprobleme schon unter Ancelotti auftauchten, macht sich mir nicht durch den Elche-Trip der Eindruck breit, dass es fast egal ist, wer da an der Seitenlinie steht – manche Spieler müssen aufwachen, ihre eigenen Forderungen hinten anstellen.

Nochmal: Auch den Trainer kann und muss man nach zuletzt drei sieglosen Partien kritisieren, aber über allem stehen Probleme mit einzelnen Spielern – nicht mit allen –, die gelöst werden müssen. Und dabei will ich weder Vinícius noch Valverde oder sonst wem den schwarzen Peter zuschieben, sie zeigten zuletzt auch gute leistungen. Aber wenn es darum geht aufzuzählen, welche Spieler aufgrund der Ausstrahlung des Teams und ihrer Mitspieler unzufrieden wirken, würde ich erstmal andere aufzählen (beispielsweise Mbappé und Bellingham) oder welche Spieler einen Sprung gemacht haben unter Alonso (beispielsweise Güler und Tchouaméni) oder wer mehr Biss zeigte in Trainings und Spielen als ihre Positionskonkurrenten und deswegen öfter zum Einsatz kamen (beispielsweise Mastantuono und Carreras). Es liegt einerseits am Trainer, etwas abfallende Spieler in die Spur zu bekommen, aber auch an den teils unzufriedenen Spielern selbst, ihren Platz zu kennen – frühere Erfolge hin oder her. Noch wählt Alonso einen harmonischen, kooperativen Ansatz statt die Mourinho-Strategie, aber irgendwann geht es auch um Alonsos Job und Karriere selbst, dann wird der eh schon veränderte Wind noch etwas rauer in Madrid und Spieler, die sich etwas raus nehmen, könnten endgültig fallen gelassen werden. Das klingt hart, war es auch schon oft – egal ob Ramos, Isco oder Hazard – aber der Erfolg der letzten Jahre gibt Real Madrid recht. Und keiner ist eben größer als dieser Klub. Das haben schon viele Publikumslieblinge auf die harte Tour erfahren müssen.

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von
Nils Kern

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Kommentare
Hi Nils und die Community ich bleibe dabei das Problem sind die Egos wenn man zu sehr im Höhenflug ist(jude) und solche Psycho Eltern hat ist es normal das man so wird... Zudem Vini kp er denkt er ist der Goat das wird nix egal wer kommt rein spielerisch werden wir uns nicht weiter entwickeln solange stören Friede existieren im Team das ärgerliche ist das manche sogar hinter diese spieler stehen.... Es soll ja heißen einen Vini gibt es nur einmal Trainer viele ich glaube mehr braucht man nicht dazu zu sagen.
#HalaMadrid
 
guter artikel, aber würde sagen der vergleich mit leuten wie raul oder di stefano ist relativ unpassend. keine ahnung wie es bei butragueno war, aber di stefano war 38 als er ging, raul hatte auch seine besten jahre hinter sich und war nicht mehr gesetzt. und bei casillas bei aller liebe würde ich nicht sagen dass es uns massiv geschwächt hat als mourinho ihn gebenched hat oder als er gegangen ist, auch er war schon über seinen zenit. dagegen sind fede und vini mitte 20, unumstrittene stammspieler, spieler die im normalfall über jahre hinweg das gesicht der mannschaft sein sollen.
 
Das entscheidet meiner Meinung nach eigentlich nur Perez. Deckt er Alonsos Rücken voll und ganz, wird es in Richtung Mou oder halt eben Leverkusen-Xabi gehen. Falls nicht.. ja, dann gute Nacht
 
Wie ich schon einmal geschrieben habe, hoffe ich, dass Alonso sich alle Vollmachten vor seiner Unterschrift im Haifischbecken Real Madrid ausgehandelt hat. Alles andere ist mit diesen Egos nicht zu vereinbaren – schließlich geht es um Erfolg und eine andere Art des Fußballspielens als in der letzten Saison unter Carlo.

Xabi könnte hier den goldenen Mittelweg finden, um diesen drei bis vier Egos erstens die Grenzen aufzuzeigen und ihnen zweitens zu zeigen, dass man mit seinem System und diesen Spielern ganz sicher Erfolg haben kann, wenn alle an einem Strang ziehen.

Abgesehen von Carlo und Mourinho denke ich hier immer sofort an Italiens Fabio Capello, der in seiner letzten Meistersaison bei Real Madrid alles umgegraben hat, was nur möglich war – und siehe da: Er wurde zweimal Meister mit Real Madrid in Spanien!
 
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