
Einfach mal „luppen“? Nicht auf dem Rasen
MADRID. Sein Großvater predigt ihm immer wieder, er solle doch einfach mal „luppen“, also versuchen, das runde Leder per Heber in die Maschen zu befördern. Ihm sei nämlich aufgefallen, dass der eine oder andere Torwart etwas zu weit von der Torlinie weg positioniert sei. Daher könne man Keeper häufiger auf diese kunstvolle Art überlisten.
Ein gut gemeinter Appell, an den sich Toni Kroos aber bloß dann erinnert, wenn er mit seinem Bruder Felix nach einem passenden Namen für den gemeinsamen Podcast sucht. Auf dem Platz wählt der Mittelfeldstratege für gewöhnlich die platzierte Variante mit genug Wucht, wenn er einen Schuss auf das gegnerische Tor absetzt.
Kroos konstant gut – und mit erstem Saisontor
So auch am Dienstagabend, als Kroos gegen Athletic Club mit einem Versuch sogar erfolgreich war und Real Madrid in der ersten Minute der Nachspielzeit der ersten Halbzeit in Führung brachte – nicht jedoch per Innenseite, mit der er die Königlichen in seinen inzwischen über sechs Jahren so oft jubeln ließ, sondern mit einem Vollspannschuss aus zentraler Position vor dem Strafraum der Basken. Auch so kann er es.
— Toni Kroos (@ToniKroos) December 15, 2020
Sein 20. Treffer im 295. Einsatz als Profi des weißen Balletts war zugleich sein erstes persönliches Erfolgserlebnis in dieser Saison. Dass das vor wenigen Wochen noch so stark kriselnde und leistungsschwankende Team von Zinédine Zidane sich gefangen und die letzten vier Pflichtspiele gegen den FC Sevilla (1:0), Borussia Mönchengladbach (2:0), Atlético (2:0) und Athletic (3:1) allesamt für sich entschieden hat, ist auch dem Deutschen, der Anfang Januar 31 Jahre alt wird, mit dessen Spielverständnis, Übersicht und Sicherheit am Ball zu verdanken. Von REAL TOTAL erhielt Kroos die Noten 2,5, 2, 1,5 und 2.
Die gewohnten Top-Statistiken
Tritt Real freiwillig oder gezwungenermaßen ohne Casemiro in einem 4-2-3-1 an, lässt sich die Nummer 8 als Teil der Doppelsechs auf einer zentraleren Position häufiger fallen als gewohnt und übernimmt dadurch im Spielaufbau noch mehr Verantwortung. Seine brillanten Leistungen stehen und fallen allerdings nicht mit der Frage, wo genau Kroos denn nun zum Einsatz kommt. Sowohl in der Mitte als auch im halblinken Mittelfeld liefert er momentan konstant ab. Im Madrid-Derby brachte er es etwa auf 109 Ballkontakte, zwölf von zwölf angekommene lange Zuspiele, eine erfolgreiche Passquote von 96,7 Prozent und – nicht zu vergessen – die Vorlage zum 1:0 von Casemiro.
Drei Tage später netzte er dann gegen Athletic selbst ein, in der ersten Halbzeit sorgte der gebürtige Greifswalder zudem mit 53 von 55 angekommenen Pässen für den Top-Wert.
45 – Toni Kroos in 45 minutes against Athletic:
1 goal
3 shots – a joint-high in game
53 passes completed from 55 – the most in the game
100% of duels win (3/3)
6 recoveries – the most in the game
2 fouls won – the most in the gameShow. pic.twitter.com/as1soWmkwN
— OptaJose (@OptaJose) December 15, 2020
Von Schuster wird Kroos jetzt gelobt
Da soll noch einer sagen, dieser Spielgestalter sei ein Auslaufmodell, ein Dieseltraktor, als den Bernd Schuster ihn Anfang März 2019 noch bezeichnet hatte. „Er trabt nur vor sich her und macht nichts“, so dessen damalige Kritik. Selbst jener Schuster ist jetzt aber voll des Lobes. „Kroos ist in den letzten Spielen der Beste von Real Madrid gewesen. Körperlich ist er auch in einer sehr guten Verfassung“, meinte der Meister-Trainer der Blancos von 2008 nach dem siegreichen Kräftemessen mit Athletic bei dem Radiosender ONDA CERO.
Schuster
“Kroos está siendo el mejor del Real Madrid en los últimos partidos, está muy bien también físicamente” pic.twitter.com/Xf47PYMtbG
— El Transistor (@ElTransistorOC) December 15, 2020
Acht Partien hat Kroos nun schon nacheinander von Anfang an bestritten, sieben davon sogar über die kompletten 90 Minuten absolviert. Auch wenn mit Ferland Mendy, Luka Modrić, Karim Benzema und Raphaël Varane vier Feldspieler in der bisherigen Saison noch länger auf dem Feld gestanden haben, kann Kroos nach wie vor von sich behaupten, bei Real ein Leistungsträger und Dauerbrenner zu sein. Genau so mag er es auch. „Er will immer spielen“, pflegt Zidane über den Taktgeber zu sagen.
Und der französische Chefcoach lässt ihn – aus gutem Grund. Mit den Worten „De puta madre“ beschrieb er die aktuellen Auftritte von Kroos und dessen Mittelfeld-Partner Modrić nach der Begegnung mit Atlético huldigend. Auf Spanisch heißt das sinngemäß: supergeil, verdammt gut. Das wird wohl auch Opa Heinz so sehen…
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