
14 mögliche Pressekonferenzen: Rüdiger drei Mal anwesend
„Lass mich Englisch reden, denn das ist eine klare Message und ich will nicht, dass du die Worte verdrehst“, sagte Antonio Rüdiger auf der Pressekonferenz vor dem Liverpool-Rückspiel. Dass er sich überhaupt äußerte, ist einerseits beeindruckend, denn es handelte sich schon um die dritte Spieltags-PK des Neuzugangs – die dritte von möglichen 14.
Nun zeigen Rüdigers einleitende Worte auch, wie gering das Vertrauen mittlerweile in die Presse zu sein scheint – selbst bei einem Spieler, für den der Zirkus Real Madrid immer noch etwas neu sein muss. Das Misstrauen der Spieler ist groß und dass Real Madrid ungerne Exklusiv-Interviews vergibt und lieber die vereinseigenen Kanäle auf Social Media oder natürlich Realmadrid TV vorschickt, ist nichts neues.
Dass aber ein Neuzugang auf den seltenen Medienrunden sich immer wieder stellen muss beziehungsweise darf, ist da eine andere Sache. Denn nicht nur vor, sondern speziell nach den Spielen bei Real Madrid macht sich der Eindruck breit: es sprechen (fast) immer die gleichen. Sich (mehr oder weniger freiwillig) zu äußern zeugt natürlich auch etwas von Selbstvertrauen und Führungsqualität, aber bei den Königlichen macht sich nicht erst in dieser Saison ein Trend bemerkbar, dass gewisse Stars gerne mal abtauchen. Oder nur dann reden, wenn sie „müssen“ oder wenn die 90 Minuten davor besonders erfolgreich ausfielen.
Reden immer die gleichen? Und kaum die Kapitäne?
Verwundert „Kuck mal, wer da spricht“ sagt sich im Madridismo vermutlich keiner mehr, wenn man vor oder nach Spielen die Zitate liest. Man wundert sich eher, ob Real Madrid mittlerweile ein Führungsproblem hat. Denn während Rüdiger sich schon insgesamt sieben Mal äußerte (drei Mal vor, vier Mal nach Partien), steht der Kapitän erst bei fünf: Karim Benzema mag noch nie der ganz große Ansagenmacher gewesen sein, aber dass er nur vor den beiden Superpokal-Finals als Kapitän erschien (Pflicht) und sich nur nach den drei Siegen gegen Atlético in der Copa und Liverpool in der Champions League äußerte, zeugt nicht wirklich von voran gehen – eher davon, unangenehmen Momenten aus dem Weg zu gehen.
Das kann nicht nur am Spieler liegen, sondern auch am Klub. Denn es macht sich der Eindruck breit, dass Spieler mit unklaren Vertragssituationen (seien es auslaufende Verträge oder noch nicht erfüllte Gehaltserhöhungen) seltener reden, als die Rüdigers oder auch Federico Valverdes (18 Stimmen, eine Pressekonferenz) der Mannschaft. Beispiel Vinícius Júnior, von dem es auf REAL TOTAL nur vier Mal was zu lesen gab (drei Stimmen, eine Pressekonferenz), Marco Asensio äußerte sich nach nur zwei Partien. Nicht ausgeschlossen, dass uns als Fachmagazin auch mal eine Stimme durchrutschte, aber in unserer Auflistung aller Pressekonferenzen und Spieler-Stimmen gibt es klare Unterschiede.
Wer gerne und oft redet: Thibaut Courtois. An den 43 Pflichtspielen gab es 22 Mal was vom Torhüter zu hören beziehungsweise lesen (darunter eine Pressekonferenz). Dahinter folgen Valverde (18+1) und Rodrygo Goes (14+0). Kapitän Benzema (3+2) liegt da klar auf den letzten Plätzen. Dass Vizekapitän Nacho Fernández sich „nur“ elf Mal äußerte, liegt eher an seinen seltenen Einsätzen. Denn klar ist auch: Nur Spieler mit Einsatz-Chancen kommen zu den Pressekonferenzen, und nur wer zum Einsatz kam, redet danach – logisch. Zudem werden auf den Pressekonferenzen auch je nach Markt beziehungsweise Gastgeberland gewisse Spieler abgestellt. Von Verletzten kann man da natürlich ebenfalls keine Präsenz erwarten.
Lunin: Mehr Interviews als Benzema und Vinícius
Und trotzdem: Andriy Lunin hat sich nach vier Partien häufiger geäußert als Benzema (drei) oder Vinícius (drei) – und die standen eher noch bei Patzern auf dem Platz, nach denen dennoch oft nur die gleichen Namen auftauchen: Courtois und Valverde beispielsweise – so war der Uruguayer nach dem verlorenen Supercopa-Finale der einzige Madrilene, von dem es etwas (sehr kurzes) zu lesen gab. Das 1:1 in der Hinrunde gegen Osasuna stellte das zweite Spiel in dieser Saison dar, nach dem es nur eine Stimme gab: Ceballos stellte sich. Die Kapitäne drei und vier – Luka Modrić und Dani Carvajal – standen den Medien nur nach jeweils vier Partien zur Verfügung. Heißt auch: Von den vier Kapitänen hat nur Nacho die Zweistelligkeit erreicht!
Auch hier nochmal der Hinweis: Unsere Liste ist möglicherweise nicht 100-prozentig vollständig. Trotzdem bleiben sogar zwei Leistungsträger, die so gar nicht medial stattfinden oder sich erklären müssen beziehungsweise wollen: Éder Militão hat sich 2022/23 erst ein Mal und Ferland Mendy noch nie geäußert. All das ist auch von den jeweiligen Altern und Typen abhängig – während Mendy eher introvertiert ist, sagt Valverde von sich aus, eines Tages Kapitän werden zu wollen. Und dass man von jungen Spielern wie Eduardo Camavinga (3+0) oder Aurélien Tchouaméni (1+1) geschweigedenn den gar nicht stattfindenden Ersatzspielern wie Mariano Díaz nicht viel erwarten kann, nicht mal von einem Eden Hazard: geschenkt! Aber dass so manche Leistungsträger nicht mehr so stattfinden, wie es vielleicht mal war, zeigt sich schon seit längerem. So hat auf den zehn möglichen Pressekonferenzen in der Rückrunde 2021/22 (sechs Mal Champions League, zwei Mal Supercopa) Benzema – damals noch Vizekapitän hinter Marcelo – nur ein Mal geredet, Courtois aber drei Mal.

Die Verantwortung, auch das Wortführen ist durch die Abgänge von Sergio Ramos und Cristiano Ronaldo auf mehrere Schultern verteilt worden – es herrscht etwas mehr Demokratie bei den Blancos. So ist ein gefühlt nie da gewesenes familiäres Gefühl entstanden, das die Blancos zum 14. Champions-League-Titel geführt hat. Jeder darf voran gehen auf dem Platz, aber nicht jeder darf (oder will) das Wort führen. Das kann trotzdem zum Erfolg führen, kann aber auch „Geschmäckle“ haben, wenn sich gewisse Personen „verstecken“ – speziell nach Misserfolgen, wie den letzten drei Clásico-Niederlagen. So sind Valverde und Courtois die einzigen, die sich nach mehr als einer Clásico-Pleite stellten, Benzema und Nacho stehen bei Null. Das muss alles nichts zu bedeuten haben, kann es aber.
Und so „kuckt“ beziehungsweise wundern sich Fans dann nicht mehr, wenn wie in der berühmten Komödie „Babys“ sprechen wie Valverde oder Rodrygo, denn die übernehmen regelmäßig verbale Verantwortung. Trotz des nicht nur von Rüdiger gezeigten Misstrauens gegen die Presse, aber irgendwer „muss“ dann doch mal reden. Spätestens auf den Pressekonferenzen vor den Viertelfinal-Duellen mit Chelsea.
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