
Magere Torausbeute kostet Punkte
ELCHE. Die Königlichen stolperten mal wieder über einen vermeintlich kleinen Gegner. Denn der FC Elche machte dem spanischen Rekordmeister das Leben schwer. „Wir haben gut begonnen, uns viele Chancen erarbeitet, um Tore zu erzielen, aber das ist LaLiga“, konstatierte Casemiro nach dem ernüchternden 1:1-Remis. Bereits zum sechsten Mal in der laufenden Ligasaison lassen die Merengues Punkte liegen (drei Remis, drei Niederlagen aus 16 Spieltagen).
„Was uns gefehlt hat, war das zweite Tor, denn wir hatten einige Chancen“, meinte Cheftrainer Zinédine Zidane. Ein Kopfballtor von Luka Modrić sorgte in der 20. Spielminute für die Führung, nach dem Elfmeter-Gegentreffer von Elches Fidel erlangten die Blancos allerdings keinen Zugriff mehr in der Offensive. Aus insgesamt sechs Torchancen resultierte unter dem Strich nur ein Treffer. Karim Benzema, der zuvor in den vergangenen fünf Pflichtspielen noch fünf Mal traf, blieb harmlos und ohne Tor.
Mit CR7-Abgang gingen die Treffer zurück
Doch woran liegt es, dass Real Madrid keine Mannschaft mehr ist, die sonderlich große Gefahr vor dem gegnerischen Tor ausstrahlt? Mit 28 Toren stellt der spanische Rekordmeister in Anbetracht der Trefferzahl nach aktuellem Stand zwar hinter dem FC Barcelona (29) die zweitbeste Ligamannschaft, doch im Kalenderjahr 2020 waren es lediglich 91 Treffer, die auf das Konto der Blancos gingen. Dass man letztmals derart ineffizient im Angriff war, ist bereits 15 Jahre her.
Besonders auffällig: Nach dem Abgang von Cristiano Ronaldo in Richtung Juventus Turin ist Reals Torausbeute massiv nach unten gegangen. Zwischen 2014 und 2017 erzielte Madrid im Durchschnitt 155,75 Tore pro Jahr. 2018, als der Portugiese immerhin noch bis Ende Mai beim weißen Ballett spielte, waren es noch 142 Treffer. 2019 waren es bloß noch 100, und nun eben 91.
Übrigens: Der fünffache Weltfußballer erzielte bei den letzten Duellen der Königlichen mit Elche in der Saison 2014/15 fünf der sieben Tore, darunter sogar ein Viererpack!
Teure Transfers wie Hazard oder Jović überzeugen nicht
Ob das Fehlen Ronaldos jedoch der alleinige Indikator für den Trefferrückgang ist? Einen adäquaten Ersatz für CR7, wenn es den überhaupt gibt, hat Real seit dem Transfersommer 2018 nicht verpflichtet. Eden Hazard, der ein Jahr später für über 100 Millionen Euro vom FC Chelsea kam, war bislang vom Verletzungspech überhäuft und vermochte noch nicht zu überzeugen. Auf den Belgier sind gerade einmal drei Tore aus 31 Pflichtspieleinsätzen zurückzuführen. Luka Jović, der 2019 für 60 Millionen Euro von Eintracht Frankfurt kam und hinter Hazard der zweitteuerste Einkauf seit 2015 war, ist meist nur Reservist und kann ebenso erst auf zwei Tore aus 32 Pflichtspielen zurückblicken.
„Man braucht nicht darüber zu diskutieren, wie wichtig Cristiano für Real Madrid war. Aber ich muss sagen, dass es uns nicht bedrückt hat, dass er nicht mehr da ist – in dem Sinne, warum wir nicht weiterhin die gleichen Ambitionen haben sollten. Wir waren davon überzeugt, dass wir auch ohne ihn weiterhin erfolgreich sein würden, weil die Mannschaft unabhängig von der Stärke des Individuums immer über allem steht“, befand Modrić erst noch im Juli 2020. Seit seinem Abgang aus der spanischen Hauptstadt erzielte Ronaldo für Juve 81 Pflichtspieltore – Treffer, die eben in Madrid fehlen.
Benzema und Ramos sollten es nicht alleine lösen müssen
Benzema, der laut seinem Trainer „Frankreichs bester Stürmer“ ist, ist für Reals harmlose Offensive jedenfalls nicht hauptverantwortlich zu machen. Der Franzose erzielte seit 2018/19 69 Pflichtspieltore und muss zumindest in Anbetracht der Ligawerte nur Lionel Messi vom FC Barcelona den Vortritt an der Spitze überlassen. Darüber hinaus netzte Benzema 2020 wettbewerbsübergreifend 23 Mal ein, nur Messi noch häufiger (26) in Spanien.
Wären neben Benzema jedoch auch andere Angreifer bei Real in der Pflicht, um Tore zu erzielen, ist es paradoxerweise Innenverteidiger Sergio Ramos, der mit 27 Treffern seit dem Ronaldo-Abgang die zweitmeisten Pflichtspieltore für die Königlichen erzielt hat.
Dass Ronaldos Tore abgehen, ist unumstritten. Dennoch darf der Verkauf des bald 36 Jahre alt werdenden Superstars nicht als Fehler abgestempelt werden. Denn der Umbruch musste kommen, wenn auch dieser noch stagniert. Allerdings müssen die Madrilenen ihre Torgefahr früh oder später zurückerlangen, zumal Benzema mit 33 Jahren und Vertrag bis 2022 auch nicht mehr ewig beim weißen Ballett auf Torejagd gehen wird. Ebenso ist es beim 34-jährigen Ramos der Fall, dessen Zukunft aufgrund seines im Sommer 2021 auslaufenden Kontrakts noch ungewiss ist. Dass die Fans gerne Stars wie Paris Saint-Germains Kylian Mbappé oder Borussia Dortmunds Erling Haaland bei den Blancos sehen würden, ist daher nicht verwunderlich.
Und doch muss es vorerst mit dem Personal weitergehen, das vorhanden ist – große Wintertransfers sind in Madrid eher unwahrscheinlich. So liegt es nun eben an anderen Akteueren – außer Benzema und Ramos – die sich in der Verantwortung sehen müssen, auch in der Offensive Gefahr auszustrahlen und für Tore zu sorgen. Ein ähnlich Tor-harmloses 2021 mag vielleicht nichts an dem einen oder anderen Titel ändern, doch langfristig gesehen, müssen sich die Gegner wieder vor den Madrilenen fürchten.
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