Analyse

Manchester City im Taktik-Check: Was erwartet die Blancos?

Neun Siege in 17 Vergleichen (bei vier Remis und vier Pleiten) sprechen eine deutliche Sprache: Es gibt wohl kaum einen Trainer im Weltfußball, der den Königlichen derartig häufig den Zahn gezogen hat wie Pep Guardiola. Am Mittwoch (21 Uhr, im REAL TOTAL-Liveticker) wird das Taktik-Genie ein weiteres Mal im Santiago Bernabéu vorstellig. Doch worauf müssen sich die Blancos einstellen?

953
Kann die zweitbeste Defensive aus Europas Top-Ligen die “Citizens” in Schach halten? Foto: Angel Martinez/Getty Images

Ballbesitz hat oberste Priorität

MADRID. Ganz gleich, ob im Guardiola-typischen 4-3-3-System oder in einer der vielen, sich ständig wandelnden Varianten im Laufe einer Partie – der Katalane strebt in fast jedem Spiel ein möglichst hohes Maß an Spielkontrolle an. So implizieren die Ballbesitzanteile der „Citizens“ in der Premier League mit 66 Prozent (Premier-League-Spitzenwert) eine geradezu erdrückende Dominanz. Wie zu Barça-Zeiten versucht der hochgradig perfektionistisch veranlagte Guardiola, den Gegner mit einer enormen Anzahl an Pässen (durchschnittlich 673 Pässe) bei einer möglichst hohen Passquote (89 Prozent) müde zu spielen, um dann durch gezielte Offensivaktionen zum Erfolg zu kommen. Durch die damit verbundene drastische Minimierung der gegnerischen Ballbesitzzeit zielt Guardiolas Spielidee zudem darauf ab, seinem Gegenüber kaum Möglichkeiten zum Torerfolg zu erlauben.

Flexibel im Spielaufbau – variabel in die Tiefe

Im Gegensatz zu einem Großteil der anderen Teams, die auf eine 4-3-3-Grundordnung setzen, spielen die „Skyblues“ oftmals mit stark eingerückten Außenverteidigern, die auf diese Weise die gegnerischen Außenmittelfeldspieler im Zentrum binden und somit zugleich gut bespielbare Räume auf den Außenpositionen schaffen. Außerdem zielt diese Maßnahme darauf ab, das Überspielen der ersten gegnerischen Pressinglinie zu vereinfachen, indem im Zentrum eine Überzahlsituation hergestellt wird. Je nach Gegnerverhalten gestaltete City den Aufbau jedoch stets flexibel und kann diesen auch mühelos aus einer flachen Viererkette gestalten, die eine höhere Aktivität der offensiven Mittelfeldspieler am Spielaufbau durch gezieltes Besetzen der zentralen Halbpositionen erfordert.

Gelingt es der Guardiola-Elf, den Gegner durch einen 2-3-Aufbau tendenziell im Zentrum zu binden, erhöht City das Tempo nicht selten plötzlich enorm und setzt den Gegner mit vielfältigen Lösungsoptionen stark unter Druck. So suchen die technisch versierten und blitzschnellen Außenspieler, wie etwa Raheem Sterling oder Riyad Mahrez, auf der Außenposition oftmals Eins-gegen-Eins-Duelle, die sie in der Mehrzahl für sich entscheiden. Die daraus entstehende Überzahlsituation beinhaltet zahlreiche weitere Handlungsoptionen – beispielsweise zielstrebige Diagonaldribblings in Richtung Tor oder flache Hereingaben gegen die Laufrichtung der Abwehrspieler in den Rückraum. Und diese haben in der Ära Guardiola bereits unzählige Tore eingeleitet. Aber auch ein gezieltes Bespielen des Raumes zwischen gegnerischer Abwehr- und Mittelfeldlinie, präzise Bälle hinter die Abwehrreihe oder schnelle Spielverlagerungen gegen einen stark auf Ballseite eingerückten Gegner nutzt der englische Meister gerne, um aus dem Positionsangriff zum Abschluss zu kommen.

Die Blancos müssen sich also auf einen Gegner einstellen, der mehr als eine Idee und Lösung parat hat. Folglich wird es entscheidend sein, hellwach zu agieren, Situationen zu erfassen – und zugleich jedoch nicht vergessen auch selbst aktiv zu sein und den Gast aus Manchester selbst möglichst viele Aufgaben zu stellen.

Rückblick | Alle Videos

real madrid zinedine zidane coach trainer legend leyenda

Gute Erinnerungen an City

Es ist mal wieder soweit: Zum dritten Mal treffen Real Madrid und Manchester City in der... weiterlesen

Achtung vor dem Umschaltspiel

Obwohl Guardiola gemeinhin mit einem nahezu perfekten Positionsspiel im Stile des “Tiki Taka” in Verbdingung gebracht wird, gehört Manchester City ohne Zweifel zu den besten Kontermannschaften der Welt. Die perfekte Mischung aus pfeilschnellen Spielern wie Sterling oder dem zurzeit verletzen Leroy Sané, der nötigen Handlungsschnelligkeit nach Ballgewinn und dem konsequenten Attackieren des tornahen Raums kann jeder Abwehrreihe zum Verhängnis werden. Leichtsinnige Ballverluste oder eine nicht ausbalancierte Statik wie in den vergangenen Ligaspielen dürfen sich die Blancos also nicht erlauben.

[advert]

Pressingmaschine mit vereinzelten Schwächen

In den Phasen des Spiels, in denen der Tabellenzweite der Premier League nicht den Ball kontrolliert, ist der Ballgewinn stets das oberste Ziel. Dabei ist zwischen Pressing nach Ballverlusten und dem organisierten Pressing zu unterscheiden.

Verliert City den Ball, gehen sie sofort gezielt in ein Gegenpressing über. Dies wird vor allem dadurch ermöglicht, dass die „Skyblues“ schon in der Phase des eigenen Ballbesitzes derartig weit hochschieben und gleichzeitig die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen möglichst gering halten, sodass eine direkte und konsequente Rückeroberung des Spielgeräts nach Ballverlust blitzschnell möglich ist. Dabei nutzten die Guardiola-Schützlinge die aus den geringen Abständen resultierende Überzahl in Ballnähe. Da die europäischen Top-Mannschaften jedoch über Spieler mit hervorragenden individuellen Fähigkeiten verfügen, sind sie dazu in der Lage, Guardiolas Gegenpressing zu überspielen. Weil der Raum zwischen Torwart und Restverteidigung – oftmals zwei Innenverteidiger, die einen zentralen Angreifer im „Sandwich“ verteidigen – zudem aufgrund der hohen und eher zentralen Positionierung der Außenverteidiger naturgemäß sehr groß ist, bieten sich den Blancos hier vielversprechende Möglichkeiten.

Gelingt es den Königlichen tatsächlich, das Gegenpressing der „Citizens“ zu überspielen, müssen sie selbst mit gezielten und blitzschnellen Tiefenläufen den sich bietenden Raum nutzen. Auch ohne Eden Hazard hat Zinédine Zidane mit Karim Benzema oder Vinícius Júnior sicherlich vielversprechende Waffen in seinen Reihen.

Fehlendes Tempo in der Innenvertidigung

Ähnliche Möglichkeiten könnten sich auch aus dem organisierten Pressing des zumeist im Angriffs- oder hohen Mitteldpressing agierenden englischen Titelträgers ergeben: Sollte es den Madrilenen gelingen, die erste Pressinglinie aufgrund ihrer hohen individuellen Klasse zu überspielen, resultieren daraus zahlreiche Möglichkeiten, die Gäste unter Druck zu setzen. Besonders vielversprechend erscheint dabei das gezielte Einsetzen gruppentaktischer Mittel, etwa analog zum Heimspiel gegen Celta Vigo durch ein gezieltes Hinter- oder Überlaufen am Flügel mit anschließender Hereingabe in den Rückraum. Aber auch diagonale Bälle aus den zentralen Halbpostionen könnten die schnellen Angreifer der Blancos in den Rücken der City-Defensive bringen und somit aussichtsreiche Handlungsoptionen schaffen. Über das nötige Tempo und die technischen Fähigkeiten, das Spiel dann entscheidend zu beschleunigen, verfügen Spieler wie Daniel Carvajal, Ferland Mendy oder Isco zweifelsohne.

Dass die Verteidigung des Gastes aus Manchester bei Konterangriffen im bisherigen Saisonverlauf nicht immer souverän agierte, wurde zuletzt auch im Gastspiel bei Leicester City deutlich, als Jamie Vardy die „Foxes“ nach einem Leichtsinnsfehler im Spielaufbau bereits in der achten Minute hätte in Führung bringen müssen. Da die „Citizens“ weder mit dem erst kürzlich wiedergenesenen Aymeric Laporte noch mit Fernandinho oder Nicolas Otamendi über besonders schnelle Innenverteidiger verfügen, könnte ein zielstrebiges Vertikalspiel der Schlüssel zum Madrider Erfolg sein.

Guardiola „bewundert“ Real und erwartet großes Spiel

Hinsichtlich der konkreten Taktik deutete Guardiola lediglich an, dass sein Team selbst gewohnt initiativ zu Werke gehen wolle. „Wir werden versuchen, in einem der schönsten und prestigeträchtigsten Stadien mit unseren Waffen Tore zu erzielen“, sagte der Katalane gegenüber den Manchester Evening News. Seine Mannschaft wolle Real, das immerhin vier Champions-League-Titel binnen fünf Jahren eingefahren habe, nacheifern. „Für uns ist es extrem aufregend, hier zu sein“, so der City-Coach. Er bewundere Real Madrid, wolle aber trotzdem bis zum Ende für das Weiterkommen und einen möglichen Titelgewinn kämpfen.

Eines scheint also klar: Die Madrilenen bekommen es am Mittwochabend mit einem hungrigen Gegner zu tun, der nicht zuletzt aufgrund des 22-Punkte-Rückstandes auf Premier-League-Spitzenreiter Liverpool alle Energie für den Champions-League-Sieg mobilisieren wird. Wollen die Königlichen Teil eins der „Woche der Wahrheit” erfolgreich bestreiten, müssen sie konzentriert und aktiv zu Werke gehen – und benötigen die Unterstützung des Madridismo.

City gegen Real: Jetzt Tickets für das Rückspiel buchen

0.00 avg. rating (0% score) - 0 votes
Kommentare
Die Entscheidung die Zidane fällen muss ist entweder Citys Dominanz mit mehr Mittelfeldspielern entgegenzuwirken, oder doch lieber einen MF für entweder Vini oder Bale zu opfern um gefährlicher zu kontern. Beides hat Vor- und Nachteile. Vazquez dürfte in keinen der beiden Optionen eine Rolle spielen. Bale wird der entscheidende Mann sein, da Zidane bisher in den Top-Spielen immer auf ihn gesetzt hat und er zB gegen Barcelona auch ein gutes Spiel gemacht hat. Das Problem: Du weißt nie welchen Bale du bekommst. Typischer Fall von high ceiling/low floor.

Ich bin jedenfalls extrem hyped auf das Spiel und rechne wieder mit Herzanfällen/Wutausbrüchen im Minutentakt :D
Ich rechne aber mit einem aus neutraler Sicht langweiligen Spiel mit eher wenig Toren.
 
An die Redaktion:
Habt Ihr so einen Taktik-Check auch von Real Madrid? Würde mich enorm interessieren und mich über die nicht erkennbare ZZ-Taktik aufklären.

Schau mal auf YouTube, da findet man genug "tactical masterclass" videos von Zidane. Bei großen Gegnern die eine bestimmte Spielidee haben hat Zidane eigentlich immer einen guten Matchplan. Das hat man auch im letzten Clasico gesehen als wir so hoch standen, dass Ter Stegen bei jedem Rückpass mit gefühlt 2 Spielern unter Druck gesetzt wurde.. Bei "kleinen" Gegnern ist mir die Taktik nicht wirklich aufgefallen. Kommt mir da eher so vor als würde er die Spieler mehr oder weniger einfach spielen lassen. Aber was weiß ich schon
 
Die Entscheidung die Zidane fällen muss ist entweder Citys Dominanz mit mehr Mittelfeldspielern entgegenzuwirken, oder doch lieber einen MF für entweder Vini oder Bale zu opfern um gefährlicher zu kontern. Beides hat Vor- und Nachteile. Vazquez dürfte in keinen der beiden Optionen eine Rolle spielen. Bale wird der entscheidende Mann sein, da Zidane bisher in den Top-Spielen immer auf ihn gesetzt hat und er zB gegen Barcelona auch ein gutes Spiel gemacht hat. Das Problem: Du weißt nie welchen Bale du bekommst. Typischer Fall von high ceiling/low floor.

Ich bin jedenfalls extrem hyped auf das Spiel und rechne wieder mit Herzanfällen/Wutausbrüchen im Minutentakt :D
Ich rechne aber mit einem aus neutraler Sicht langweiligen Spiel mit eher wenig Toren.

Ich bin gefühlt im jedem Champions League Spiel von Real danach heiser:D
 
Schon lustig, wie manche Zidane noch immer fehlende bzw. mangelhafte Taktik unterstellen. Zidane dominiert seit mittlerweile 4 Jahren den europäischen Fußball und hatte gegen keinen noch so großen Gegner tatsächlich größere Probleme. Und gerade die hochgelobten Taktiker ala Guardiola schaffen es in der CL auf keinen goldenen Zweig, auch wenn sie noch so viel Geld in den Kader stecken. Auf Spielverlagerung.de wurde Zidanes Spielprinzip mal als unspektakulär (weshalb da Real auch selten analysiert wird), aber unfassbar schwer zu schlagen beschrieben. Das beschreibt es meiner Meinung sehr gut, denn man lässt öfters mal Punkte in kleineren Spielen, die durch mangelnde Zeit hintenraus oder durch individuelle Unaufmerksamkeiten entstehen. Aber in KO-Spielen in man nahezu unschlagbar, da man nicht nur diesen einen Gameplan hat, welcher dann gekontert werden kann.
Und wer tatsächlich glaubt, dass man die CL allein aufgrund von Glück, des Kaders oder wegen CR7 gewonnen hat, der sollte besser zurück an die Playstation gehen und FIFA soielen. Sicher waren das alles in gewissen Rahmen entscheidende Faktoren, aber CL gewinnt man nicht ohne eine überragende Taktik, vor allem nicht 3-mal in Folge.
Der einzige Trainer, der mMn an Zidane ranreicht ist Klopp, wie er bei Dortmund aus einer mittelklasse Mannschaft eine Weltklasse Mannschaft gemacht hat, war absolut beeindruckt. Genauso beeindruckend, ist die aktuelle Dominanz in der PL, etwas das es in der Geschichte nur selten gab.
 
Das heißt es schon seit 2016 und jetzt steht Zidane mit 10 Titeln da. Scheint vielleicht doch etwas mehr dahinter zu stecken :whistle:

Die Formation hat sich tatsächlich "bis auf" 4 Positionen (entspricht 1/3) nicht verändert. Courtois->Navas, Valverde->Modric, Mendy->Marcelo und voraussichtlich Bale->Ronaldo.

Wer immer noch auf Zidane‘s Titel verweist, statt die Realität zu erkennen, dem ist nicht mehr zu helfen. Es ist 2020, ich hab gedacht wir sind soweit?
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

Verwandte Artikel

Reals Titel-Fundament: Warum die Defensive den Unterschied macht

Real Madrid brennt in dieser Saison (noch) kein Offensivspektakel ab. Doch während...

Trotz García-Aufschwung: Real muss einen Linksverteidiger holen

Die bisherigen Auftritte von Real Madrid bei der FIFA Klub-WM haben einige...

Güler blüht auf: Wie Alonso den Spielmacher der Zukunft formt

Real Madrids 1:0-Erfolg über Juventus Turin im Achtelfinale der Klub-WM war kein...

Klub-Überblick: Basketballer historisch, Blancas vor Umbruch

Real Madrid besteht aus mehr als nur den Profis der ersten Fußball-Mannschaft....