Kommentar

Meine Meinung: Belüg dich nicht selbst, Cristiano

Cristiano Ronaldo gehört definitiv zu den größten Sportlern aller Zeiten. Und zu den polarisierendsten. Und seine größte Stärke mit dem Kopf ist wohl eher das Kopfballspiel, anders lassen sich widersprüchliche Aussagen wie in der GAZZETTA DELLO SPORT kaum erklären. REAL TOTAL-Chef Nils Kern mit einem Kommentar zum eskalierenden Rosenkrieg.

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cristiano ronaldo juventus
Kommentar zu einem widersprüchlichen Ronaldo-Interview – Foto: Marco Bertorello/AFP/Getty Images

Trennungen sind selten schön. Doch was sich zwischen den Königlichen und Cristiano Ronaldo mittlerweile abspielt, kann man fast schon als Rosenkrieg bezeichnen. All das, obwohl Florentino Pérez dem Superstar noch so große Worte hinterher schickte. Wer hat also zuerst angefangen in dieser ganzen Haarezieherei? War es CR7 selbst, der Anfang und Mitte August erstmals deutlich machte, was für eine tolle Familie er nun habe? „Wir haben immer alles dafür getan, dass sich Cris bei uns wie ein Teil einer Familie fühlt“, antwortete Sergio Ramos sachlich. Gareth Bale gab Mitte September hingegen zu, dass es „vielleicht ein bisschen entspannter sei“ und er vermutete, dass es nun „mehr ein Team gebe, dass mehr als Einheit arbeitet“. Die Leistungen der letzten Wochen lassen daran zweifeln. Tritte gegen Pérez, Fernbleiben auf Galas, die zynischen Äußerungen aus Ronaldos Umfeld… passiert ist viel. Selten Versöhnliches. Und nun das nächste Kapitel, ein ebenso verwirrendes.

„An anderen Orten fühlt sich jemand größer als die anderen, aber hier befinden sich alle auf dem gleichen Level“, sagte der Mann, der vor einiger Zeit noch – nicht ganz unbegründet – verriet, der „Beste der Geschichte zu sein“ und Mitspieler in einer Krise kritisierte, als er nach einer 0:1-Derbyniederlage im Februar 2016 sagte: „Wenn andere auf meinem Niveau wären, wären wir jetzt Erster!“

Mein lieber Cristiano, du bist einer der Größten aller Zeiten, im Madridismo der Di Stéfano in Farbe, aber diese Worte sind ziemlich daneben. Juve sei „ganz anders als in Madrid, es ist hier eine Familie“? Also hat ein Team, das in Ronaldos Augen keine „echte“ Familie sei, nur durch Zufall und Glück vier Mal in fünf Jahren den wichtigsten Vereinstitel der Welt gewonnen? Warst nicht du es, der in Zeiten, als „MSN“ wie Brüder alles in Grund und Boden schossen, 2016 auf einer Pressekonferenz das Professionelle vor das Zwischenmenschliche zog: „Ich muss nicht Bale oder Benzema zum Abendessen in mein Haus einladen, für mich bedeutet das nichts. Am Wichtigsten ist es, auf dem Feld als Kollegen zu funktionieren.“ Das absolute Familiengefühl hast du doch selbst nie gesucht – und das hat dir bisher auch niemand vorgeworfen. All diese Gegenbeispiele lassen sich noch lange weiterführen, so auch, als du nach „La Decimotercera“, deine Ex-Kollegen gelobt hast: „Mit dieser Mannschaft ist es unmöglich, keine Champions-League-Titel zu gewinnen!“

Das warst doch alles du, oder? Und du warst es doch auch, der eher mit – sagen wir – gedämpfter Miene nach einem Sieg seiner Mannschaft in die Kabinen ging, obwohl dir selbst kein eigener Treffer gelang? „Auch wenn Dybala oder Mandžukić nicht treffen, gehen sie glücklich und mit einem Lachen nach Hause“, sagst du jetzt. Merkst du selbst, oder?

Auf „Juve das beste Team, in dem ich je spielte“-Aussagen möchte ich gar nicht eingehen. Man findet doch immer die aktuelle Freundin Millionen mal besser als die früheren. Ganz natürlich. Und trotzdem: Belüg dich nicht selbst!

Dein Ehrgeiz hat dich dahin gebracht, wo du bist, zu einer auf maximale Titelausbeute eingestellten Tormaschine. Du hasst es zu verlieren, du bist der erste, der zum Training erscheint, und der letzte der fährt, ein Vorbild für Jugendspieler, doch mit solchen Aussagen fügst du dir selbst nur Schaden zu. Neben den vielen interessanten Facebook-Kommentaren fand ich auf Twitter dazu einen in meinen Augen sehr passenden Kommentar: „Er klingt schwer getroffen. Irgendwie so, wie die Typen die von ihrer Freundin verlassen werden und täglich auf Facebook posten wie absolut cool es ihnen geht, obwohl jeder dabei sieht wie absolut schlecht er sich fühlt.“

Also Cris, wie geht es dir wirklich? Treibt dich dein Berater Jorge Mendes zu solchen Aussagen an, weil nun keiner seiner Klienten mehr in Madrid ist, oder bist das wirklich du, verletzt in deinem riesigen Stolz, dass dich der Verein in – bis heute nicht bewiesenen – Steuer- und Misshandlungsaffären nicht so beschützte, wie es Barcelona mit Messi tat? Oder weil Pérez öffentlich mit Neymar flirtete, und dir im Sommer nicht so viel Gehalt bot? „Juventus erfüllt mir alle Wünsche“, hast du wenig später glücklich verkündet. Kein Mensch “verdient” 30 Millionen im Jahr, aber du in meinen Augen durchaus mindestens so viel wie Messi oder Neymar. Du hättest auch genauso den Ballon d’Or verdient. Alles egal: Es gibt hundert Dinge, die deinen ehemaligen Arbeitgeber, und genauso viele Argumente, die dich in einem besseren Licht stehen lassen. Doch ganz ehrlich, Cris, meinst du nicht, dass dieses ganze öffentliche Nachtreten deiner Familie, Freunde und Berater, und solche widersprüchlichen Interviews auch daran schuld sind, dass du Sympathien in der Welt und dadurch die letzten individuellen Titel verloren hast? Nur mal so ein Gedanke – wohl überlegt, nicht so wie dein letztes Interview.

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von
Nils Kern

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Kommentare
Wenn man sich anschaut, wie Real mit ehemaligen Spielern umgeht (Casillas, Pepe, di Maria, etc... -aus den Augen, aus dem Sinn, über sie sprechen... wurde nicht gerne gesehen). Weil Ronaldo beizeiten erwähnte, den einen oder anderen zu vermissen, würde er gerügt.
Ist das ein familiäres Umfeld???
Keiner von uns hat das totale Insiderwissen wie es in den Vereinen menschlich zugeht, aber Geld, Erfolg und Macht ist das Zentrum.
Vielleicht haben die Verantwortlichen von Juve wirklich eine bessere Art mit Spielern umzugehen. Nach 9 Jahren Real eventuell eine neue Erfahrung für CR7... who knows?


Der Umgang heutzutage mit Vereinslegenden ist generell unschöner geworden (leider).
Um das zu verstehen muss man den Fußball als das sehen, was er nun mal ist - und zwar mehr als nur dem Ball hinterher jagen und Tore schießen / vermeiden. Das war mal so. Aber in Zeiten in denen eine Topmannschaft zwischen einer und zwei Millionen Euro pro Match alleine durch Tickets einnimmt, trifft das nicht mehr zu. Der Fußball wurde in den vergangenen drei bis vier Jahrzehnten immer mehr zu einem Markt bzw. einem Geschäft. Das muss aber nicht unbedingt verkehrt sein, dennoch wird dem mit Argwohn begegnet, zumeist von Leuten, die den Fußball - zumindest teils - noch als solchen erlebt haben. Als das erstrebenswerteste Ziel und somit der größte Profit tatsächlich noch der Gewinn der Meisterschaft und der Pokale war. Ruhm und Ehre gleichermaßen für Verein und Spieler war eben das Größte. Die welt änderte sich, der Fußball auch. Abseits des Sports gibt es sehr viele Vereine, die durchaus gewinnorientiert sind und niemand regt sich darüber auf. Da finde ich diese Vereinsform im Sport oft sogar besser und ehrlicher als jene der kommerziellen Wirtschaft. Mir ist durchaus bewusst, dass dies eigentlich jedem klar ist, nur eben nicht wirklich bewusst, daher wird geschimpft, wenn im Fußball große Mengen an Geld fließen. Verstehe ich einerseits voll und ganz, andererseits jedoch ist die Vorgehensweise der Vereine auch nachvollziehbar. Darüber ließe sich noch viel schreiben, wahrscheinlich mehrere Artikel, also belasse ich es dabei.
Um zum eigentlichen Thema zurückzukommen: Im heutigen europäischen Spitzenfußball können die Vereine nicht darauf warten, dass die Spieler bis ins hohe Alter dort spielen oder gar ihre Schuhe dort an den Nagel hängen. Denn meistens können Spieler irgendwo über dreißig physisch gar nicht mehr mit den jungen mithalten. Können sie den altersbedingten Leistungseinbruch durch keine speziellen Eigenschaften / Fähigkeiten wettmachen, geraten sie auf das Abstellgleis und stellen in erster Linie eine finanzielle Last für ihre Klubs dar. Außerdem halten sie einen Platz im Team besetzt, was vor allem in Ländern wie Spanien zum Problem werden kann, da die Kadergröße auf je 25 Spieler beschränkt ist. Dann kann ich mir auch gut vorstellen, dass ihre bloße Anwesenheit in der Kabine für dicke Luft sorgen kann, z.B. wenn sie plötzlich viel weniger oder gar nicht mehr spielen. Oft sind es dann die klubeigenen Legenden, denen das Wohlergehen der Mannschaft im Vordergrund steht und daher von sich aus gehen. Kann auch sein, dass bevor sie sich in so einer Situation wiederfinden würden, sie lieber ihren Hut ziehen und woanders eine neue Herausforderung suchen. Wie beispielsweise Raúl und Guti, die im Sommer 2010 beide den Abgang wählten. Auch Emilio Butragueño, Fernando Hierro, Iván Helguera, Álvaro Arbeloa oder Iker Casillas seien hier erwähnt. Und nicht nur die (Fast-)Eigengewächse, auch zugekaufte Legenden gingen über dreißig freiwillig um woanders noch zu spielen: Roberto Carlos, Ronaldo (R9), David Beckham, Xabi Alonso oder Alfredo di Stéfano. Der letzte bei uns in Pension getretene Spieler war 2006 Zinedine Zidane mit bereits 33 Jahren. Wären auch andere seinem Beispiel gefolgt, so hätten deutlich mehrere ihr Karriereende bei uns erlebt. Doch sie wollten - verständlicher Weise - noch spielen, nur ging das in Madrid eben nicht mehr. Gut, bei den genannten Beispielen waren auch persönliche Aspekte im Spiel, nicht nur Selbstopferung für das Wohl der Mannschaft. Z.B. ungerechte Behandlung von Casillas und Beckham: Beide durften nicht genug spielen und sind dann gegangen, doch nicht weil sie es mussten. R9 ist wegen Capello gegangen (daher vielleicht kein ideales Beispiel). Carlos ist gerade wegen Capello sogar ein Jahr länger geblieben als er es geplant hatte. Bei Alonso dürfte es Probleme mit der Frau gegeben haben. Natürlich gibt es auch viele die gehen mussten aber nicht wollten. Figo musste gehen weil er mit Perez zerstritten war. Michel Salgado, der schweren Herzens die Entscheidung der Vereinsführung akzeptierte und seine Koffer packte. Die Mannschaft befand sich zu dieser Zeit (2009-2010) im Umbruch also musste Platz gemacht werden. Pepe wurde ein weiteres Jahr angeboten, was ihm nicht genug war. Di María pochte meines Wissens auf eine Gehaltserhöhung die er nicht bekam und ging anschließend. Viele Regen sich auf wie viel Geld die Spieler kosten, haben aber keine Einsicht, wenn der Verein mal einer Gehaltsforderung nicht nachgibt. Hier kann man auch Özil nennen, der gehen wollte, weil er von Ancelotti keine Startelfgarantie bekommen hat. Real ist und war nie ein Klub der einen Spieler gegen seinen Willen gehalten hat. Siehe auch Robinho, Morata, Kaká, James oder zuletzt Cristiano Ronaldo. Und das sind nicht alle.
Aber auch in diesem Punkt ist Real keine Ausnahme. Selten ergibt sich einem Spieler die Möglichkeit, bei einem großen Klub aufzuhören. Momente wie die eines Puyol, Giggs oder Totti gehen unter die Haut, sind aber klar die Ausnahme.
Real behandelt seine Spieler nicht gerecht? Möglich dass das vereinzelt der Fall ist, jedoch kennen wir nie alle Einzelheiten - wir urteilen einfach, und das aufgrund von reißerischen Sportboullevardblättern. Xavi hat seine Karriere genau so wenig bei Barça beendet wie Iniesta. Auch Pirlo, Schweinsteiger, Henry oder Villa werden nicht bei einer Topmannschaft in Rente gehen. Und Juventus? Wie gehen die eigentlich mit ihren Legenden um? Buffon wäre letztendlich doch gerne weiter für Juve aufgelaufen, durfte nicht. Del Piero bot damals an auf sein Gehalt zu verzichten wenn er noch bleiben darf, auch er musste gehen. Das sind wohl die zwei besten und treuesten Spieler die sie je hatten, und doch wurden sie abserviert. Und doch gibt diesen Teams die Zeit recht, denn sie gewinnen Meisterschaften und Champions-League-Trophäen. Mannschaften die (zu) lange an ihren Stars festhalten, kommen im internationalen Vergleich nicht weit:
Liverpool - Gerrard
Rom - Totti
Juventus - gratis Spieler über 30
Chelsea - Lampard / Terry
Real - Galacticos 1.0 (2003-2007)
...
Perez sagte bei seinem zweiten Antritt 2009 selbst, dass es ein Fehler war, "seine" Galacticos zu sehr ins Herz zu schließen, weil er sich nicht mehr von ihnen trennen konnte. Er meinte, für die ins Alter gekommenen Spieler hätte er viel eher Ersatz holen sollen und dass er für seine zweite Amtszeit daraus gelernt hätte. Zwar hat er sich nur bedingt daran gehalten (finde ich sogar gut so, da ein Spieler nach fünf Jahren plus minus noch nicht ausgebrannt sein muss und ein zu häufiger Umbruch mehr schadet als hilft), die Zahlen und Erfolge der letzten Jahre geben ihm jedoch recht. Und wäre Barcelona nicht jene Übermannschaft die sie ist und vor allem war, wären die Erfolge auf nationaler Ebene auch viel häufiger gewesen. Und mit diesem stark verjüngten Kader und hoffentlich einigen Toptransfers im Winter / Sommer (Hazard, Mbappé, ...) wird diese Mannschaft auch in Zukunft noch für reichlich Furore sorgen - auch ohne Cristiano Ronaldo.
 

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