
Es ist der Sommer 2013: Ein vielversprechendes Talent aus Málaga reist mit seiner U21-Nationalmannschaft nach Israel, um mit Spielern wie Thiago (heute FC Bayern) oder Álvaro Morata (Atlético Madrid) an seiner Seite die europäische Konkurrenz nicht nur zu bezwingen, nein, sie zu dominieren. Im Finale des Kontinentalwettbewerbs werden die ebenfalls hochgelobten Italiener ihrer Grenzen bewusst und Spanien schnappt sich souverän den Titel. Nicht nur einer der Torschützen an diesem Tag, sondern ein prägender Spieler im gesamten Wettbewerb ist das angesprochene Talent, mit dem Namen Francisco Román Alarcón Suárez, welcher sich abgekürzt und einprägsam auf ein schlichtes Isco reduziert. Jenem Isco steht spätestens nach diesem Sommer die Welt offen – Golden-Boy-Wahl inklusive.
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Das Märchen beginnt
Nur wenige Wochen nach dem Triumph mit der U21-Selección wird der Wechsel vom FC Málaga in die spanische Hauptstadt in trockene Tücher gebracht. Für 30 Millionen Euro sichern sich die Königlichen die Dienste des Edeltechnikers. Der Feingeist und die königlichen Fußball-Fetischisten? Der Beginn eines Märchens? Zumindest waren alle Zutaten für eine Story à la Gebrüder Grimm gegeben und das erste Jahr verlief auch berauschend: Wettbewerbsübergreifend kam Isco ansatzlos auf 53 Pflichtspieleinsätze, erzielte dabei elf Treffer und bereitet neun weitere Tore vor. Schon in seinem ersten Spiel vergoldete er sein Debüt mit dem 2:1-Siegtreffer über Betis. Gekrönt wird die erste Saison im weißen Dress mit “la Décima”. Isco ist angekommen – beim größten Klub der Welt!

Mit feiner Technik und großem Gefühl für das Spielgerät wusste Isco bei den Madridistas zu gefallen – Foto: Javier Soriano/AFP/Getty Images
Der Andalusier hielt seine Werte und Statistiken auch in der zweiten Saison stabil, qualifizierte sich stetig aufs Neue für weitere verantwortungsvolle Rollen innerhalb des Mannschaftsgefüges. Im Schatten von Superstar Cristiano Ronaldo oder Megatransfer Gareth Bale stand der junge Andalusier zwar nie im Fokus und flog zumeist unter dem Radar, doch trug er dennoch einen erheblichen Beitrag zu der sagenhaften Geschichte der drei aufeinanderfolgenden Champions-League-Titel zwischen 2016 und 2018 bei. Mit diesen vier Erfolgen in Königsklasse sowie Weltpokal und jeweils einem Meistertitel und Triumph in der Copa del Rey hatte Isco den Zenit des Erfolgs längst erreicht. Es konnte eigentlich nicht mehr besser werden. Konnte es wirklich nicht.
Königliche Krise trifft auch den Märchenprinzen
Für die Merengues sollte die Spielzeit 2018/19 ein Umbruchjahr werden und Isco, der seit seiner Ankunft in Madrid einen Erfolg nach dem anderen feiern durfte, fungierte als einer der Spieler, welcher zur Kompensation des Abgangs von Tormaschine CR7 beitragen sollte. Auch Zidane hatte die Königlichen in jenem Sommer verlassen, sodass mit Julen Lopetegui auch noch jener Trainer kam, mit dem Iscos kometenhafter Aufstieg im Sommer von Israel bei der U21-EM gestartet ist, und mit dem er seine vielleicht beste Zeit in der “Selección” erlebte – unvergessen sein Hattrick beim 6:1 über Argentinien. Das nächste Kapitel dieses fabelhaften Märchens sollte nun erzählt werden – die Erwartungen sind gestiegen.
Entgegen mancher Hoffnung wusste die Mannschaft und damit auch Isco nicht mehr zu überzeugen. Den abgewanderten Portugiesen durch den Ballstreichler aus Málaga ersetzen zu wollen, war ohnehin als Wunschdenken einzustufen. Ein Vergleich der beiden Ausnahmekönner hinkt, zu unterschiedlich die Spielertypen: Was Isco mehr an Ballgefühl besitzt, fehlt ihm allerdings an Athletik und vor allem an Torgefahr. Die Lücke Ronaldos vermochte Isco und keiner seiner Kollegen nicht zu schließen – närrisch, wer solche Erwartungen hegte. Doch dann geriet auch Lopetegui zeitnah in die Schusslinie und wurde durch den Argentinier Santiago Solari ersetzt, der rasch durchblicken ließ, kein allzu großer Fan des Andalusiers zu sein. Solari warf Isco sogar vor “des Wappens nicht würdig” gewesen zu sein, während der Dribbelkünstler über “ungleiche Behandlung” klagte. Auch körperliche Beschwerden machten dem damals 26-Jährigen Ärger: Eine Blinddarmentzündung sowie von Rückenproblemen zurückgeworfen, fand Alarcón nicht (mehr) in Tritt.
Solari verbannt Isco
Selbst als der Edeltechniker zur Verfügung gestanden hatte und Solari häufig mit Personalmangel kämpfen musste, wirkte der offensive Mittelfeldspieler eher wie die letzte Option. Negativer Höhepunkt sollte das Pokalrückspiel gegen Barcelona darstellen, wo Solari gänzlich auf eine Kadernominierung von Isco verzichtet hatte – klares Statement gegen den Spieler. Doch selbst am persönlichen Tiefpunkt hatte Isco, der mit einem Vertrag bis 2022 ausgestattet ist, stets bekundet, dass er Madrid nicht verlassen wolle: “Für nichts werde ich gehen. Ich bin sehr glücklich”, demonstrierte er seine Absicht, sich durchsetzen zu wollen.
Gegen Ende der Saison schien dann auch wieder Licht ans Ende des Tunnels, nicht nur von Isco, auch von den Königlichen, zu kommen. Zidane übernahm wieder das Steuer und sollte den in den Monaten zuvor verspielten Glanz wieder (kurzzeitig) zurück in das Bernabéu bringen. Zu diesem Zeitpunkt war die Saison allerdings gelaufen und alles konzentrierte sich bereits auf den Neuanfang, die Saison 2019/20. Auch Isco sehnte sich dem Neustart entgegen. Während jedoch andere Spieler wieder zu ihrer Form finden konnten, stotterte der Motor der Nummer 22 weiter. Zu Beginn der Saison gab es einen Kurz- sowie Startelfeinsatz, ohne dabei jedoch zu überzeugen. Anschließend hatte der Spanier an einer Verletzung des Beinbeugermuskels laboriert, was ihn fünf weitere Wochen kostete. Die körperliche Leidenszeit endete zwar zuletzt mit einem Kurzeinsatz in LaLiga, doch das anschließend blasse Startelfcomeback auf Mallorca (0:1) lässt weiter Fragen nach dem letzten wirklich guten Auftritt von Isco zu.
Happy End?
Nicht nur, dass der Rechtsfuß in der Königsklasse noch gar nicht berücksichtigt wurde, sondern auch weit davon entfernt ist, zum Stammspieler von Zidane zu werden. Es ist daher kein Wunder, dass trotz der Treuebekundungen der Nummer 22 im vergangenen Winter, wie “klar, dass ich nicht von Real Madrid weggehen werde”, immer wieder Gerüchte um einen Transfer aufkeimen. Kokettiert wird häufig mit einem Wechsel auf die Insel, wo bei Arsenal und City jeweils spanische Trainer ein Auge auf den Golden Boy von 2012 geworfen haben sollen, aber auch Juventus ist angeblich nicht abgeneigt von einer Verpflichtung und die Bayern werden ebenso hin und wieder ins Spiel gebracht. Auch wenn alle Gerüchte spekulativer Natur sind, zumindest ein Leihgeschäft scheint auch im Winter nicht so abwegig – sofern Zidane im ohnehin dünn besiedelten Mittelfeld einen weiteren Akteur abgeben würde. Denn: Die Europameisterschaft 2020 steht vor der Tür und aktuell kann der bei Málaga geborene Spieler sich nicht für eine Nominierung empfehlen. Auch Robert Moreno, der Trainer der “Furia Roja”, soll Isco geraten haben, sich einem anderen Klub anzuschließen.

Vergangene Spielzeit musste Isco häufig mit einem Platz auf Bank oder Tribüne vorlieb nehmen. Ob sich das noch ändert? – Foto: Michal Cizek/AFP/Getty Images
Dabei ist diese Europameisterschaft einstimmiger Berichte zufolge, das kurzfristige Ziel des zweifachen Vaters – und die wohl größte Gelegenheit, weiter am eigenen Märchen zu schreiben. Dort will er wieder mit Thiago und Morata an seiner Seite, wie einst vor sieben Jahren, Europa dominieren und demonstrieren, was in ihm steckt. Die Begabung dazu besitzt er noch immer, ein wenig Geduld hat er sich nach einem Jahr mit allerlei Rückschlägen noch verdient, zu voreilig sollte man noch nicht über die aktuellen Leistungen richten. Allerdings ist auch eines klar: Geduld ist ein rar gesähtes Gut, vor allem in Madrid. Wenn sich bis Dezember nichts signifikantes an der Formkurve des Andalusiers tut, könnte dieses Gut im Nu aufgebraucht sein. Und dann wird es eng mit einem Happy End für den Märchenprinzen. Zumindest an der Concha Espina.
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