Reportage

Parlez-vous français?

Der Umbruch? Noch nicht so recht gelungen. Ein neues Spielkonzept? Kaum erkennbar. All das trotz der Möglichkeiten, die der Verein Zinédine Zidane im Sommer zugestanden hat. Zwar hat sich im Kader mit rund 300 investierten Millionen Euro einiges getan, doch während sportlich negative Parallelen zum Vorjahr auffallen, zeichnet sich eine andere Tendenz am königlichen Kader ab – allerdings auf der sprachlichen Ebene. Die Marschroute, welche die Blancos unter Zidane diesen Sommer eingeschlagen haben, mag nun an einen französischen Monarchen erinnern.

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Französische Revolution bei Real dank Zidane? Foto: Aitor Alcalde & Zakaria Abdelkafi/AFP/Getty Images

“Sonnenkönig” auf der Trainerbank

Was bisher geschah: “Zizou” kehrte im März zurück, als das Kind bereits in den Brunnen gefallen war. Zu holen gab es für den Rückkehrer nichts mehr, Schadensbegrenzung lautete die Devise. Dass er in einer misslichen Lage zurückkehrte, bedurfte sicherlich dem ein oder anderen Anreiz, welchen Florentino Pérez seinem Wunschtrainer schaffen musste. Allem voran war es wohl die absolutistische Macht am “königlichen Hofe”, der Concha Espina: Neben dem blinden Vertrauen gehörte unter anderem die freie Hand auf dem Transfermarkt zur “Krönung” des neuen-alten Trainers mit der klaren Mission, Europa napoleon’esk (zurück) zu erobern und Real wieder seinen alten Glanz zu verleihen.

Während frühere Monarchen Prestigebauten à la Schloss Versailles in Auftrag gaben, um ihren Status zu untermauern, wird in der Sportlandschaft anderweitig Geld investiert: in Spieler. Und die vorhandenen Mittel schöpfte Zidane soweit es möglich gewesen ist aus: Der Wechsel von Rodrygo war zwar unlängst in trockenen Tüchern, aber zusammen mit Luca Jović, Éder Militão, Ferland Mendy sowie Eden Hazard wurde eine Rekordsumme diesen Sommer in ein neues “stehendes Heer” für Zidane investiert.

Auffällig: In Form von Hazard und Mendy bekam Zidane zwei weitere Spieler, welche seine Sprache sprechen. Kurz vor Transferschluss brachte der Torhüter-Tausch um Keylor Navas mit Alphonse Areola den nächsten Franzosen unter Zidanes Fittiche. Ein Zufall?

(From L) Real Madrid's Colombian midfielder James Rodriguez, Real Madrid's French defender Ferland Mendy, Real Madrid's French defender Raphael Varane, Real Madrid's French forward Karim Benzema and Real Madrid's Welsh forward Gareth Bale attend a training session on the eve of the UEFA Champions League Group A football match between Paris Saint-Germain and Real Madrid CF at the Parc des Princes stadium in Paris on September 17, 2019. (Photo by GEOFFROY VAN DER HASSELT / AFP) (Photo credit should read GEOFFROY VAN DER HASSELT/AFP/Getty Images)
Mendy, Varane und Benzema sind drei Akteure aus der königlichen “Frankreich-Fraktion” – Foto: Geoffroy van der Hasselt/AFP/Getty Images

Französische Revolution statt Umbruch?

Damit befinden sich nun vier Franzosen im königlichen Kader, welche von zwei Belgiern ergänzt werden. Wäre der Pogba-Transfer noch geglückt, hätte man gar sieben Spieler, welche Französisch sprechen – vor dem Sommer waren es nur drei.

Die spanischen Muttersprachler sind aber “natürlich” noch in der Überzahl: elf inklusive James Rodríguez (Kolumbien) und Federivo Valverde (Uruguay). Kurios auch: Gegen Paris (0:3) standen in Zidanes Startelf mehr Franzosen als Spanier und mehr als beim Gastgeber selbst. Die Ironie: In Tuchels Ensemble aus der französischen Metropole agierten neben zwei Brasilianern zudem fünf Akteure mit spanischer Muttersprache auf dem Feld. Der Unterschied: Paris entschied das Aufeinandertreffen für sich und behielt die Punkte – Real erhielt dafür neu entfachte Debatten um die Personalpolitik und die Frage keimte auf, ob die “Zidane’sche Monarchie” tatsächlich der richtige Weg sei.

“L’équipe, c’est moi”

Muss man Zidane nun vorwerfen, dass er sich mit der von Pérez legitimierten Macht im Stile des Sonnenkönigs eine “Streitkraft” aus Landsmännern aufbaut? Will er gar eine französische Dynastie einläuten? Französische Revolution statt Umbruch? Nein! Sprachlich bedingte Gruppenbildungen sind nicht auszumachen – auch wenn der Portugiesisch-Block zudem von drei auf fünf anwuchs – und der Übungsleiter selbst spricht so ausreichend Spanisch, dass er sich problemlos mit allen Akteuren verständigen kann und keineswegs Landsmänner benötigt, um die Kabine in den Griff zu bekommen.

Die Strahlkraft von Zidane war sogesehen auch ein Argument für Hazards Wechsel und Mendy tat sich sicher auch leichter, nicht nur zum größten Klub der Welt zu wechseln, sondern dort auch einen Trainer aufzufinden, der ihm die Kommunikation vereinfacht. Benzema und Varane befinden sich zudem schon lange im Kader und haben somit weniger mit der Personalie Zidane zu tun, auch wenn es der drei-fache Weltfußballer war, der Varanes Telefon 2011 klingeln ließ.

Und dennoch: Nach dem 1:0-Arbeitssieg in Sevilla muss “Zizou” weiter Ergebnisse liefern, sonst kommen neben den obligatorischen Diskussionen über die Transferpolitik eben auch triviale Debatten über die Sprache und Herkunft der Spieler. Solche Störfeuer sind nicht förderlich für die sportliche Darbietung des Teams.

Zidane durfte sich den ein oder anderen Wunschtransfer verwirklichen, jetzt wird es Zeit abzuliefern, sonst gibt es womöglich bald einen Franzosen weniger in Madrid und die Sprach-Debatte weicht einer anderen Polemik in der spanischen Hauptstadt. Soweit ist es allerdings noch nicht und der Blick in die Geschichtsbücher macht weiter Mut: Denn der wahre Sonnenkönig, Louis XIV., hinterließ trotz einiger Wiederstände ein mächtiges Frankreich, welches Europa beherrschte und prägen sollte – wie es nun auch vom “Monarchen Zidane” erhofft wird, sodass der weiter sagen könnte: “L’Équipe, c’est moi!” Die Mannschaft bin ich.

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von
Christian Graber

Anhänger der Königlichen seit dem bitteren Halbfinalaus in der Champions League-Saison 2001 gegen die Bayern und seitdem Verehrer der Klubphilosophie. Spezifische Kenntnisse des Fußballmarktes in Lateinamerika und bekennender Freund der "Joga-Bonito-Kultur".

Kommentare
Weiß jemand wann die Copa del Rey beginnt? Ich will Brahim wieder spielen sehen :D
 
Nils ich würde dich gerne um einen Gefallen bitten. Du läufst Zizou ja ab und zu mal über den Weg an PKs und so... Kannst du den Mann mal fragen, warum ein Vazques so oft spielt??? Ich glaube das wundert nicht nur mich!
 
Nils ich würde dich gerne um einen Gefallen bitten. Du läufst Zizou ja ab und zu mal über den Weg an PKs und so... Kannst du den Mann mal fragen, warum ein Vazques so oft spielt??? Ich glaube das wundert nicht nur mich!

Das wäre echt cool, wenn das mal irgendwer bringen würde, lol.
 
Hmnaja, er spielt nunmal, weil er defensiv gut mitarbeitet und Carvajal unterstützt. Aber klar: Dass er sich dann vorne oft teils dilettantisch anstellt, das ist auch kein Geheimnis. Ich wundere mich auch, dass er inzwischen mehr Starter als Joker ist. Mal sehen ;)

Nils ich würde dich gerne um einen Gefallen bitten. Du läufst Zizou ja ab und zu mal über den Weg an PKs und so... Kannst du den Mann mal fragen, warum ein Vazques so oft spielt??? Ich glaube das wundert nicht nur mich!
 

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