
Fall Vinícius Júnior: CARLO ANCELOTTI über…
…Vinícius und den Rassismus-Eklat: „Wir sind besorgt nach dem, was passiert ist – wie alle. Jeder ist besorgt. Es wird viel über das Thema geredet, was auch richtig ist. Es kann eine große Chance sein, um die Situation sehr schnell zu verbessern. Vinícius ist etwas traurig, heute hat er nicht trainiert, weil er ein paar Beschwerden am Knie hatte. Wir warten auch noch auf die Sperre für ihn, wo man dann eine neue Debatte aufmachen könnte. Wenn er eine Zwei-Spiele-Sperre bekommt, werde ich ihm eine Woche Urlaub geben, damit er gegen Athletic bereit ist. Wenn es nur ein Spiel ist, wird er mit dem Training beginnen, um in Sevilla zu spielen.“
…die bisher mangelhaften Sanktionen nach Anfeindungen gegen Vinícius: „Vinícius ist ein Opfer dessen, was passiert. Er ist sicher nicht der Schuldige. Er ist ein Opfer, der manchmal zum Schuldigen wird, wenn man meint, er würde provozieren. Nein. Damit es klar ist: Vinícius ist ein Opfer von all dem. Und Opfer sind auch die Fans, die sich einwandfrei verhalten. Wenn ich über das Mestalla rede, rede ich nicht über 46.000 Zuschauer. Ich beziehe mich auf eine Gruppe, die sich sehr schlecht verhalten hat – so wie auf Mallorca, in Valladolid. Es scheint eine Gewohnheit zu sein, zu beleidigen. Ich stimme dem, was Xavi gesagt hat, zu: Warum haben wir die Gewohnheit, dass Beleidigungen im Fußball normal sind? In der Pressekonferenz nach dem Spiel wurde mir gesagt, dass sie nicht ,Affe‘ gerufen hätten. ,Nein, sie haben Dummkopf gerufen‘, sagten sie. Warum darf es sich jemand erlauben, eine andere Person ,Dummkopf‘ zu nennen? Das ist keine rassistische Beleidigung, aber eine Beleidigung. Warum müssen wir uns an eine Beleidigung gewöhnen? Das muss aufhören! Wir sind müde, immer beleidigt zu werden. Es passiert auch vielen anderen, hinter den Bänken passiert alles. Sie sagen: ,Hurensohn‘, ,Schwuchtel‘, ,Soll dein Vater sterben‘, ,Soll deine Mutter sterben‘. Was ist das? Das ist kein Krieg, das ist ein Sport. Im Moment haben wir eine große Chance, das zu stoppen. Hoffentlich können nach der FIFA auch der spanische Verband, die Liga und auch die Schiedsrichter sehr klar sein. Beim Valencia-Spiel ist etwas passiert, was nicht passieren darf: Sie vergessen, eine Szene zu zeigen (beim VAR-Hinweis, als Vinícius zuvor in den Schwitzkasten genommen wurde; d. Red.). Das ist nicht gut. Ich muss auch sagen: Spanien ist nicht rassistisch, aber in Spanien herrscht Rassismus – wie an anderen Orten. Das muss aufhören.“
…die bei der Prüfung des Schiedsrichters nach VAR-Hinweis ignorierte Szene, als Vinícius vor seiner Tätlichkeit in den Schwitzkasten genommen wurde: „Ein Bild zu manipulieren, ist ziemlich gravierend. Ich weiß nicht, ob sie es manipuliert oder vergessen haben, das Bild zu zeigen. Es ist klar, dass Vinícius angegriffen wurde. Erst vom Torwart, dann von Hugo Duro. Wenn du angegriffen wirst, musst du dich verteidigen.“
…Spiel-Unterbrechungen als Lösung bei rassistischen Vorfällen: „Das kann eine gute Lösung sein, denke ich. Es ist ein wichtiger Moment, um drastische Maßnahmen zu ergreifen. Die Institutionen haben eine Möglichkeit dazu – vor allem in diesem Moment, in dem das Thema heiß ist.“
…die ersten drei Real-Jahre von Vinícius, in denen es keinerlei Probleme bei Auswärtsspielen gab: „Was passiert ist, weiß ich nicht. Ich wiederhole mich: Spanien ist für mich kein rassistisches Land, aber es herrscht Rassismus – vor allem in Fußballstadien, in denen alles erlaubt ist. Das muss aufhören. Die Tatsache, dass Vinícius in den letzten Jahren mehr in den Fokus gerückt ist, sehen sie als Gefahr. Dass all das über den Sport hinaus in Beleidigungen übergeht, ist eine andere Sache.“
…die Institution, die ihn in den letzten 48 Stunden am meisten enttäuschte: „Ich warte ab, was passiert. Hoffentlich passiert etwas. Ich bin besorgt. Wir wollen die Situation umkehren, sie ist für uns alle sehr schlecht. Wir alle lieben den Fußball und hoffen alle, dass er so sauber wie möglich ist. Wir schauen, was passiert. Maßnahmen zu ergreifen, ist ganz normal. Ich schaue hier auf den Verband, die Liga und die Intelligenz der Menschen, aller Fußballfans, auf die Erziehung. Das nur zu verurteilen, ist nicht ausreichend. Das haben wir schon vor langem getan, danach muss man auch handeln. Bislang wurde nicht auf eine Art und Weise gehandelt, dass das aufhört. Es ist ein rassistisches Problem, ein Problem der Beleidigungen. Es gibt Länder, in denen du nicht beleidigt wirst. In England beleidigen sie dich nicht, weil sie das Thema vor langer Zeit gelöst haben. Bei Spielen der englischen Liga ist keine Polizei anwesend und hier wirkt es, als wäre es ein Krieg.“
…einen möglichen Abgang von Vinícius aus Madrid wegen der rassistischen Vorfälle: „Nein, das glaube ich nicht. Vinícius liebt den Fußball, liebt vor allem Real Madrid, mag diesen Klub sehr. Ich denke nicht, dass seine Gedanken im Moment in diese Richtung gehen, denn seine Liebe für Real Madrid ist sehr groß. Er will bei diesem Klub Karriere machen und weiß, dass seine Zukunft hier liegen muss. Er will für Real Madrid arbeiten und spielen.“
…seinen Austausch mit Vinícius: „Ich habe mit ihm nach dem Spiel gesprochen. Er ist natürlich sehr traurig, weiß aber sehr gut, dass er jedermanns Unterstützung hat – nicht nur die von Real Madrid. Hier hat er jedermanns Unterstützung: von Mitspielern, von Gegnern. Es ist eine bedingungslose Unterstützung.“
…die Bekanntmachung der Täter mit Namen: „Das ist eine Maßnahme, die man ergreifen kann. Es sind dann viele Namen, nicht nur zwei. Es ist ein ernsthafteres Problem und kann eine Maßnahme sein.“
…den Umstand, die Mannschaft nicht in die Kabine geschickt zu haben: „Darüber habe ich nachgedacht. Ich habe Vinícius gefragt, ob er weitermachen will oder nicht. Er wollte weiterspielen. Auch der Schiedsrichter bat darum. Das Thema hatte sich damit erledigt. Aber es ist eine persönliche Maßnahme, die man im Moment ergreifen könnte. Ich könnte die Verantwortung in der Zukunft haben, den Spieler oder die Mannschaft vom Feld zu holen. Hoffentlich kommt es nicht dazu, dass ich mich für so eine drastische Lösung entscheiden muss, das will ich nicht. Es gibt einen Richter auf dem Platz für so eine Verantwortung.“
…festgelegte Maßnahmen der Liga bei Vorfällen an Spieltagen: „Das Protokoll ist obsolet, denn wenn du es anwenden musst, müsste es schon angewendet werden, wenn der Bus am Stadion ankommt. Da fangen die Beleidigungen nämlich an. Wenn wir zwei Stunden vorher am Stadion ankommen, ist es nicht nur eine Person, es ist kein isoliert zu betrachtender Fall. Ja, es sind keine 46.000 Menschen und da bitte ich um Entschuldigung, aber es sind auch nicht ein, zwei. Vinícius ist kein Provokateur, sie beleidigten ihn zwei Stunden vor dem Spiel. Das Protokoll muss also da beginnen. Wenn es in der 60. Minute anfängt, ist das falsch.“
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