
Wisst ihr noch, die Meistersaison? Vielleicht müsste hier noch mit der 100-Punkte-Spielzeit 2011/12 differenziert werden – im Hinblick auf die im Fußball übliche Aktualität wäre bei diesem Gedankengang jedoch schnell klar, dass es sich nur um LaLiga 2016/17 handeln kann. Ernüchternd für einen Weltklub, der sich zwar immer noch mit Recht Rekordmeister nennen darf, diesen Status seit einigen Jahren aber so gar nicht mehr repräsentiert.
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Wisst ihr noch, die Meistersaison? Eine Frage, die unter den Anhängern des FC Barcelona in dieser Form sicherlich nicht gestellt wird. Von den 15 Ligas seit 2004/05 wanderten gleich deren zehn in die Trophäenvitrine des königlichen Erzrivalen. Manchmal sogar ohne, dass sich die Katalanen ein Bein ausreißen mussten – weil Real es Barça viel zu oft viel zu einfach machte. Früh in kaum aufzuholenden Punkterückstand geraten, die wichtigen Spiele verloren oder, wie zuletzt, im Titelrennen gar komplett entgleist.
“Wir wollen um jeden Titel mitkämpfen”, äußerte sich zuletzt Toni Kroos über die Saison 2019/20. Natürlich – so müssen Real Madrids Ansprüche lauten – nimmt man ihm oder anderen diese Parolen voller Zustimmung ab. Natürlich wäre es wünschenswert, die (teilweise neuen) Kräfte zu bündeln. 2019/20 erscheint es aber sinnvoll, klare Präferenzen vorzugeben.
Vorsprung international gewaltig, Vorsprung national geschmolzen
Der zurückgekehrte Erfolgstrainer Zidane hatte schon im April für die kommende Spielzeit das “Hauptziel” LaLiga ausgerufen: “Die Liga wird unsere Priorität!” Denn sieben der letzten zehn Meisterschaften gingen an Barça, nur deren zwei an Real. Das darf ein Rekordmeister nicht anbieten. Der jahrelange Durst nach “La Décima” wurde beinahe übersättigt, Real (13 Titel) hat Milan (sieben), Liverpool (sechs), Bayern oder Barça (je fünf) in der Königsklasse deutlich distanziert. In Spaniens Eliteliga schmilzt der Vorsprung dagegen gewaltig: 33 Meisterschaften für Real, inzwischen 26 für die Katalanen. Eine Wende muss her.
Der Tiefpunkt stellte sicherlich die abgelaufene Saison 2018/19 dar: Die schlechteste Liga seit 17 Jahren, 19 Punkte Rückstand auf den FC Barcelona waren Negativ-Rekord – 2017/18 hinkte Real bereits 17 Zähler hinterher. Dazu wettbewerbsübergreifend horrende 18 Mal verloren – das gab es zuletzt 1996. Als Real noch sechsfacher Königsklassen-Champion war. Nur eine Saison war jemals schlechter: 1984/85. Auf diese Spielzeit – es wurde viel auf die (eigene) Jugend gesetzt – folgten übrigens fünf Meistertitel in Serie.
Wir wollen in der nächsten Spielzeit zeigen, dass wir der Meisterschaft von Beginn an Wichtigkeit geben. Nächstes Jahr steht die Liga für mich und die Spieler an erster Stelle, soviel steht fest. Es ist der längste Wettbewerb, es sind 38 Spiele und man darf keine Fehler begehen. Wir werden versuchen, die Liga, unser Alltagsgeschäft, bestmöglich anzugehen. Wie immer, wollen wir alle möglichen Titel gewinnen – doch die Liga wird unsere Priorität.
Zinédine Zidane im April
Es sind nicht nur Konterprobleme
Im Hier und Jetzt heißt der Serienmeister FC Barcelona. “Wir müssen diese Entwicklung verändern”, erklärte Zidane gegenüber der Marca. “Ich kann sagen, dass wir versuchen werden, bestmöglich in die Liga zu starten.” Eventuell mit einem neuen System – auch dank optimiertem Defensivverhalten? Längst präsentierte sich das alternde goldene Team von “Décima”, “Undécima”, “Duodécima” und “Decimotercera” nicht mehr nur bei Kontern anfällig. Teilweise ließ sich die unsortierte und (wenn überhaupt) hinterherhechelnde Hintermannschaft der Blancos selbst von Kellerkindern vorführen.
Was sich in einem Jahrzehnt der Liga-Erfolglosigkeit beständig durchzieht: In jeder einzelnen der letzten zehn Spielzeiten kassierte Real mehr Gegentore als Barça, von 2009/10 bis 2018/19 lautet das königliche Torverhältnis im Schnitt 102:38, der FCB liegt bei 105:30. Acht Gegentore mehr, eine durchschnittliche Differenz von -11. Neben ernüchternden Clasico-Auftritten gaben häufig unnötige Gegentreffer gegen schlagbare Kontrahenten den Ausschlag in der Meisterschaft. Und die meisten dieser “Symptome” haben ihren Ursprung allem Anschein nach in einer zu geringen Einsatzbereitschaft – wenn vor Spielen nicht gerade die Champions-League-Hymne erklingt.
Während die Copa del Rey (Barça ist mit 30 zu 19 Titeln enteilt) seit Ewigkeiten keine königliche Präferenz mehr besitzt, soll und sollte der Status als beste spanische Mannschaft dringend wieder in Richtung Concha Espina wandern – angefangen mit der Meisterschaft 2019/20. Denn diesen Status kann man auch durch vier CL-Titel in fünf Jahren nicht erlangen. Das sieht inzwischen auch Monsieur Zidane so. Hoffentlich ziehen seine Spieler mit – ab 17. August wird man sehen.
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