
Defensive Fehler führen direkt zu Gegentoren
Im Super Cup (2:4 n. V.) führten die Aussetzer von Sergio Ramos, Marcelo und Raphaël Varane zu drei der vier Gegentoren, in Sevilla (0:3) schliefen die Drei ebenso, gegen ZSKA (0:1) erlaubte sich dann mal Toni Kroos einen seiner seltenen Fehlpässe – mit verheerenden Auswirkungen. Fehler können passieren, ohne Fehler würde es fast gar keine Tore geben, aber dennoch ist es bezeichnend, wie Ramos und Co. mit mangelnder Konzentration bestraft werden – beinahe auch gegen Espanyol (1:0). Dass nach Kroos‘ Fehlpass in Moskau auch Varane zu zögerlich agierte, sei beiden zu verzeihen – immerhin hatte die Mannschaft danach noch 88 Minuten Zeit, das Geschehen zu drehen. Die Offensive gewinnt Spiele, die Defensive Titel, heißt es – Madrids Verteidiger zeigten sich oft von ihrer guten Seite (Atlético, Getafe, Leganés), aber wenn mal einer oder drei einen schlechten Tag haben, geht das nach hinten los. Was sollen Lopetegui und Florentino Pérez bei solchen individuellen Fehlern machen – die beste Viererkette der Welt durch neue Transfers ersetzen?
Stimmung nicht gut, Körpersprache schlecht
Luka Modrić ist einer der wenigen Akteure, die wissen, wann Kritik angebracht ist. Ob das gegen strapazenreiche Saisonvorbereitungspläne des Klubs geht, erste VAR-Versuche der FIFA, oder die aktuelle Form. „Wenn du drei Spiele in Folge kein Tor machst, ist das etwas besorgniserregend“, erklärte er nach dem 2. Champions-League-Gruppenspiel, statt die üblichen Schönredeversuche auszupacken. Besorgniserregend scheint auch die Körpersprache mancher Spieler: Der hängende Kopf scheint Marco Asensios neues Markenzeichen und auch Karim Benzema schleicht eher über den Platz, als sich gegen stets widerspenstige Gegenspieler zu wehren. Wenn dann noch Führungsfiguren wie Ramos, Kroos oder Modrić auf dem Platz keine „Zeichen“ setzen, kann man auch die anderen Worte des Kroaten verstehen, dass „die Stimmung in der Kabine nicht gut“ sei. In Girona (4:1) haben die Blancos noch einen 0:1-Rückstand in einen Sieg umgedreht, auch weil sie als Team auftraten, fünf Wochen später ist davon nicht mehr viel zu sehen.
Chancenverwertung: 61 Schüsse in den letzten drei Spielen
Wenn von 61 Abschlüssen nicht einer reingeht, kann da von einem Trainer-Problem die Rede sein? 21:16 gegen Sevilla, 15:8 gegen Atlético, 25:8 in Moskau – statt Toren setzte es vier Alu-Treffer (drei in Moskau, einer in Sevilla), und eben vier Gegentore aus den 32 Gelegenheiten der Kontrahenten. Pech hier, Ungenauigkeit da. Fehlt da ein Cristiano Ronaldo? Möglich. Allerdings landete von dessen ersten 40 Torschüssen vergangene LaLiga-Saison auch nur einer im Netz, weswegen manche Medien ihn vor einem Jahr noch als „schlechtesten Angreifer Europas“ betitelten. CR7 steigerte sich nach der Winterpause und ballerte sich den Frust noch von der Seele, sodass Madrids letztjährige Torflaute – nur 25:11 Tore und 28 Punkte aus den ersten 14 Spieltagen – noch etwas überstrahlt wurde. Insgesamt blieben die Königlichen 2017/18 übrigens sechs Mal ohne eigenen Treffer, also in über 15 Prozent der 38 Spieltage. Da war gegen Betis (0:1), Villarreal (0:1), Espanyol (0:1) und Co. von den gleichen Problemen die Rede.

Lopeteguis fragliche Personalentscheidungen
Wie hält man eine Mannschaft sowohl physisch als auch mental gesund? Indem man rotiert. Zinédine Zidane mag das 2017/18 zu viel getan haben, aber Lopetegui liegt wohl noch unterhalb der optimalen Balance. Warum muss ein Karim Benzema in zehn von zehn Spielen starten, warum muss ein Casemiro auch in Moskau spielen, obwohl ein weiterer spielstarker Mittelfeldspieler nicht geschadet hätte, warum muss Sergio Ramos neun Mal in Folge durch spielen? Entsteht so interner Konkurrenzkampf, wenn Neuzugang Álvaro Odriozola erst auf 137 Minuten kommt, weil Dani Carvajal jetzt schon zum zweiten Mal ausfällt? Marcos Llorente steht sogar erst bei elf Minuten, und während Varane (wie Modrić) immer noch seine WM-Form sucht, hat Jesús Vallejo eine dicke Null auf seinem Minutenkonto stehen. Entschuldigend für Lopetegui: Vallejo und Odriozola waren anfangs verletzt, doch das ist lange her. Dazu kommt: Mariano zeigte in jedem seiner vier, eher kurzen Einsätze, wie heiß ein Stürmer auf den Torabschluss sein sollte – warum durfte der Neuzugang noch nicht einmal von Beginn an arbeiten, und Benzema eine offensichtlich notwendige Pause verschaffen? So wie es Lopetegui handhabt, könnten Reservisten demotiviert werden, und warum sollten sich dann Benzema, Ramos, Kroos und Co. mit ihren „Stammplatzgarantien“ noch großartig aufopfern?

Wo sind die positiven Veränderungen vom Saisonbeginn?
Wenn die Saisonvorbereitung nicht Lust auf die neue Saison machte, was dann? Auf die unglückliche 1:2-Niederlage gegen United folgten ein 3:1 gegen Juventus, 2:1 gegen Rom und das 3:1 gegen Milan. Viel mehr als die Ergebnisse wusste jedoch die früh verinnerlichte Spielweise zu überzeugen: Ein Offensivpressing gab es unter Zidane fast gar nicht, das stärker ausgeprägte Positionsspiel machte Real noch gefährlicher, die Seitenverlagerungen schienen noch genauer und schneller abzulaufen, neue Elfmeter- und Freistoß-Hierarchien, junge Spieler wie Dani Ceballos blühten auf, und „BBA“ schien „BBC“ früh vergessen zu machen. Madrid war mehr als nur Ballbesitz und Flanken wie zuletzt oft unter Zidane präsentiert, doch auch hier scheint man inzwischen in alte Muster zurück gefallen: verzweifelte Fernschüsse, leicht abzuwehrende Halbfeld-Flanken, und noch mehr Ballbesitz. Wo sind die guten Elemente, nicht nur aus der Saisonvorbereitung, sondern auch von den Partien gegen Leganés (4:1) oder Rom (3:0) hin?
Stammspieler fehlen: Isco, Marcelo, Ramos, Bale
Klar: Eine Mannschaft wie Real Madrid muss immer funktionieren, und auch immer die Ausfälle von zwei oder drei Stammspielern verkraften können. Aber was in der Kritik nach der Moskau-Pleite dann doch etwas unterging: In Isco und Gareth Bale vermisste der Madridismo seine zuletzt stärksten Offensivspieler – Isco besaß die Ideen, Bale die Gefahr. Wenn dann noch Marcelo und Ramos fehlen – der Brasilianer verletzt, der Spanier geschont – fällt es schon schwer zu sagen, Madrid sei mit A-Elf angetreten. Trotzdem: Eine Entschuldigung darf das für eine Niederlage beim Vierten der Premjer Liga nicht sein, aber eine weitere Erklärung, was respektive warum es aktuell bei Real nicht läuft. Zwar ist Gareth Bale wieder fit, doch fällt nun in Dani Carvajal das in dieser Saison sicherste Glied der königlichen Viererkette aus – zum zweiten Mal.
Kader nicht breit genug?
Ich bleibe dabei: Julen Lopetegui ist der richtige Mann für den Job, weil er eine Mannschaft formen und einen Generationswechsel vollziehen kann. Und auch der Kader reicht aus – Barcelona mag personell besser sein, Atlético sich besser verstärkt haben, dennoch hat der Kern dieser Mannschaft vier Mal in fünf Jahren die Königsklasse gewonnen. Mariano Díaz war mein Wunschtransfer, weil meine anderen Wünsche noch nicht zu erreichen waren: Kylian Mbappé wollte nicht, Eden Hazard auch nicht, Neymar arbeitet sich langsam wieder in meinen Favoritenkreis hoch. Hätte Pérez stattdessen im Sommer Panikkäufe tätigen sollen? Oder einen Mauro Icardi verpflichten, um ihm im nächsten Sommer Mbappé vor die Nase zu setzen? Warum jetzt 150 Millionen ausgeben, wenn künftige Weltfußballer-Kandidaten ab 2019 Weiß tragen können? Der Ronaldo-Wechsel war für alle drei Parteien richtig, ob nun aus finanzieller oder sportlicher Sicht, denn wäre CR7 geblieben, wäre wohl mindestens einer dieser beiden Jüngeren gegangen: Gareth Bale oder Marco Asensio. “Du kannst die Sonne nicht mit einem Daumen verdecken”, erklärte Keylor Navas den Abgang des Portugiesen korrekterweise. Das stimmt. Aber mit elf! Die Mannschaft funktioniert aktuell nicht wie noch zu Saisonbeginn. Lopetegui weiß noch nicht zwischen „Zehner“ Benzema und „Killer“ Mariano zu rotieren, und auch Asensios Formpfeil zeigt nach unten. Dennoch: Die Mannschaft ist gut, nicht Triple-, aber mindestens-ein-großer-Titel-gut, Lopetegui muss sie nur wieder zusammenfügen.
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