
Das Scheitern an Underdogs geht weiter
MADRID. Ist der FC Cádiz besser als der FC Barcelona? Auf keinen Fall. Oder wenigstens Deportivo Alavés stärker als Inter Mailand? Auch hier: Mitnichten. Man könnte es jedoch meinen, schaut man sich nur einmal einige der bisherigen Saison-Ergebnisse von Real Madrid an. Die Königlichen bringen es unter anderem zustande, gegen die namhaften Ensembles von Barça (3:1) und Inter (3:2, 2:0) als Sieger vom Feld zu gehen, gegen Akteure von Underdog-Mannschaften, die in Spaniens Hauptstadt wohl nur die wenigsten auf der Straße erkennen würden, aber jeweils zu unterliegen. Und das kläglich.
Den positiven Trend, unter der Woche mit einer starken Leistung bei den „Nerazzurri“ aufgebaut, wollte der amtierende Meister am Samstag gegen Alavés wie selbstverständlich mit einem souveränen Sieg bestätigen. Auch ohne wichtige Stützen wie Sergio Ramos, Karim Benzema, Federico Valverde oder Daniel Carvajal. Die drei erstgenannten Profis hatten zuletzt aber ja auch schon gefehlt. Und gegenüber stand Real ohnehin bloß der 15. der Tabelle – gegen den dann in der Liga aber wieder mal ein Tag zum Vergessen folgte. Wie beim 0:1 gegen Cádiz, wie beim 1:4 gegen den FC Valencia.
Leistungseinbruch binnen drei Tagen
Ein im Giuseppe-Meazza-Stadion noch so ball- und kombinationssicheres, konzentriertes und dynamisches Real präsentierte sich nur drei Tage später wie ausgewechselt – in negativer Hinsicht. Pässe kamen nicht an oder wurden schlampig gespielt, die Defensive leistete sich leichtfertige Fehler, die auch zu einem deutlicheren Resultat als dem 1:2 hätten führen können. Ja, den Blancos blieb mindestens ein Elfmeter verwehrt. Aber damit wollen sie sich nach der neuerlichen Schlappe gegen einen Außenseiter nicht aus der Affäre ziehen.
„Ich habe keine Erklärung dafür. In Mailand machen wir ein gutes Spiel und dann drei Tage später…“, wirkte Trainer Zinédine Zidane im Anschluss sichtlich ratlos.
Real hat im November keine Liga-Partie gewonnen
Von einer „Rückkehr zum Chaos“ spricht die Sportzeitung AS in ihrer Nachberichterstattung. „Madrid stürzt wieder ab“, ist in der MARCA zu lesen. Von zehn absolvierten Partien in der laufenden Liga-Saison hat das Team gerade mal die Hälfte erfolgreich bestreiten können. Ist das eines amtierenden Champions würdig? Wohl kaum. Den fünf Siegen stehen zwei Unentschieden und drei Niederlagen gegenüber, von denen es mit den Aufeinandertreffen gegen Valencia und eben Alavés zwei im November setzte. Das 1:1 beim FC Villarreal war da schon das beste Ergebnis für Real in der Liga. Will heißen: Man ist in diesem Monat im Meisterkampf nur um einen einzigen Punkt reicher geworden. Rund lief es sonst nur in der Königsklasse mit den beiden Triumphen gegen Inter.
Nach diesem 11. Spieltag der Primera División befindet sich der eigentliche Titel-Aspirant mit weiterhin 17 Zählern weiterhin nur auf dem vierten Rang. Der Rückstand auf Real Sociedad, das am Sonntagabend im Top-Spiel den FC Villarreal empfängt, und Atlético, das bislang eine Partie weniger absolviert hat, beträgt schon sechs Zähler.
Aufholjagden nicht zu erwarten: Es fehlt das Sieger-Gen
Besorgniserregend auch: Hatte Real in der Vergangenheit ein ums andere Mal Aufholjagden gestartet, ist das der Mannschaft anno 2020 kaum mehr zuzutrauen. Es mangelt am Sieger-Gen. In der Liga konnten die Madrilenen einen Zwei-Tore-Rückstand zuletzt am 1. März 2017 gegen UD Las Palmas einholen (3:3 nach 1:3). Mehr als dreieinhalb Jahre her. Diese Saison gewann Real nach einem Gegentor zum 0:1 – fünfmal kam das vor – kein einziges Mal. Nur nach einem späteren Rückstand schlugen die Merengues einmal erfolgreich zurück: Auswärts gegen Real Betis, als sie am Ende aus einem 1:2 noch ein 3:2 machten.
Im Duell mit Alavés machte vor allem das eigene Unvermögen den Glauben an eine Wende zunichte. Da wären einmal mehr fehlende Mittel gegen tiefstehende Kontrahenten. Da wären einmal mehr individuelle Aussetzer wie bei dem 0:2 in der 49. Minute durch einen Fehlpass von Thibaut Courtois im Spielaufbau. Wenn dann in der Folge selbst ein sonst so besonnener Profi wie Toni Kroos den Ball bei einer aus seiner Sicht falschen Schiedsrichter-Entscheidung wütend auf den Boden wirft und dafür die Gelbe Karte sieht, lässt das erkennen: Dieses Team hat keinen kühlen Kopf und wenig Hoffnung, das Blatt vielleicht noch wenden zu können. Es wird gemeckert und gehadert, dass alles mal wieder so schlecht läuft.
Real drei Liga-Partien in Folge ohne Sieg
Meister wird man so nicht. Und auch nicht mit den Leistungsschwankungen, die Real sich erlaubt. Die drei Siege am Stück gegen Ende September und Anfang Oktober weckten Erinnerungen an den phänomenalen Endspurt der vergangenen Liga-Saison mit zehn Triumphen nacheinander, die in der 34. Meisterschaft der Vereinsgeschichte mündeten. Heute steht Real auf nationaler Ebene mit drei sieglosen Partien in Serie da. Der Alltag in der Primera División, er ist derzeit nichts als grau und trist.
Was gegen die Großen wie Barça und Inter klappt, geht gegen die Kleinen wie Cádiz und Alavés schief. Kein Wunder irgendwie, dass gerade Real als eine treibende Kraft bei den ambitionierten Plänen der Schaffung einer European Super League gilt. Dort würde man es nur mit Spitzenteams zu tun bekommen, die ihnen ja so liegen…
Community-Beiträge