Reportage

U19-Coach Guti: Der nächste Zidane?

Wenn die Real Madrids Juvenil A am Mittwochabend in der Youth League auf die U19 des FC Bayern trifft, sind die Scheinwerfer nicht nur auf die 22 Akteure auf dem Spielfeld gerichtet. An der Seitenlinie des königlichen Nachwuchses steht ein Mann, den spätestens seit dieser Saison nicht wenige als legitimen Nachfolger von Zinédine Zidane als Cheftrainer der ersten Mannschaft auf dem Zettel haben. Die an dieser Stelle gerne verwendete Formulierung, es handele sich um „keinen Unbekannten“, wird dieser Real-Legende nicht mal ansatzweise gerecht.

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Wohin führt der Weg von Guti? – Foto: Gonzalo Arroyo Moreno/Getty Images

Der, der nie Weltfußballer werden wollte

MADRID. José María Gutiérrez Hernández, besser bekannt unter dem Namen Guti, hat alles und jeden an der Concha Espina gesehen. Die „Galácticos“ und deren Niedergang, die Leidenszeit der Jahre 2004 bis 2010, Rekordtransfers, exzentrische Startrainer. Einfach alles. Bei allem Trubel und Wandel im Haifischbecken Real Madrid ist der Spanier sich und seinem Spielstil jedoch stets treu geblieben. Ein Spielmacher der ganz alten Schule ist er selbst zu seiner Zeit bereits gewesen. Nicht der Lauffreudigste. Keiner, der die Mannschaft im Alleingang aus dem Dreck gezogen hat. Vielleicht, weil ihm der unbedingte Wille gefehlt hat. In Madrid sagen nicht viele, dass mit etwas mehr Einsatz, er Weltfußballer hätte werden können. Doch er wollte nicht.

Guti war definitiv ein Spieler mit dem gewissen Etwas, eine Persönlichkeit. Ein Spieler, der an guten Tagen im Alleingang das launische Bernabéu in Ekstase versetzen konnte. Ein Magier unter Magiern. Einer der Dinge tat, die derart unvorhersehbar und unkonventionell waren, dass es oft mehrere Zeitlupen brauchte, um die vollkommene Genialität einer Aktion wertschätzen zu können. Doch Guti war für die Fans mehr als nur ein Akteur auf dem Spielfeld. Er war Identifikationsfigur, Publikumsliebling. Trotz der vielen Trainerwechsel und immer neuen, immer noch schillernden Stars kam für ihn ein Abschied aus seinem geliebten Madrid lange nicht in Frage. Die Fans verehrten ihn für seine Loyalität. Man verzieh ihm sein zeitweiliges Phlegma auf dem Feld, das Popstar-Gehabe und darin verbundene nächtliche Eskapaden im Madrider Nachtleben. Er war einer von ihnen. Ein Madridista von Kopf bis Fuß, der nie ein Blatt vor den Mund nahm. Es gab stets größere Stars in Madrid, einen beliebteren aber wohl kaum.

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Exzentriker – auf und neben dem Spielfeld

Hernández durchlief von 1984 bis 1995 alle Jugendmannschaften Real Madrids und nach einem Praktikumsjahr in der Castilla schaffte er schlussendlich im Jahr 1996 den Sprung in die Profimannschaft der Blancos. Mit den Königlichen räumte der Spanier im Zuge seiner Spielerlaufbahn sämtliche Trophäen auf nationaler und internationaler Tribüne ab. 15 an der Zahl, darunter fünf spanische Meisterschaften und drei Champions-League-Titel – auch wenn er bei keinem der drei Endspiele 1998, 2000 und 2002 auch nur eine Sekunde auf dem Platz stand. 542 Spiele und 77 Tore später verließ er den Verein nach 24 Spielzeiten für ein letztes Hurra in der türkischen Metropole Istanbul. Bei Beşiktaş verbrachte er lediglich eine Saison, bis der Fußballspieler Guti während der Saison 2011/12 endgültig seine Stiefel an den Nagel hing. Besser gesagt: Hängen musste. Nach einem Verkehrsunfall, bei dem der Spanier mit einem Alkoholgehalt von 2,71 Promille getestet worden war, löste der türkische Spitzenklub den Vertrag mit seinem Starspieler wieder auf. Auch das war Guti. Ein Exzentriker, von dem sich selbst ein Zlatan Ibrahimovi? nicht nur Fußballerisches abgeguckt haben könnte, nicht nur weil er auch mal vor TV-Kameras mit Reporterinnen flirtete. Bis heute bestreitet der mittlerweile 42-Jährige zwar diesen enorm hohen Wert, ein Nachgeschmack bleibt dennoch haften.

Vor allem haften bleiben jedoch die unzähligen genialen Momenten Gutis im weißen Jersey, die „Taconazos“ auf Zidane oder Benzema beispielsweise. Kaum ein Spieler zu seiner Zeit verstand es, Kunst und Effizienz derart in Einklang zu bringen. Insbesondere sein Timing und die Präzision im Passspiel, gepaart mit einem schier unendlichen Ideenreichtum suchten seinesgleichen. „Wenn er dich sah, fand er einen Raum für dich… Er war einer der Talentiertesten der Gruppe“, schwärmte Ronaldo kürzlich. Und auch Zinédine Zidane, sein jetziges Trainervorbild, hielt fest: Guti macht Dinge mit dem Ball, mit denen niemand rechnet!“

https://www.youtube.com/watch?v=luDdLUKL7hU

Der Zidane-Weg

Wenn die beiden über den jeweils anderen sprechen, sind die Worte stets von größtem Respekt geprägt. Und auch die Parallelen zwischen dem französischen und dem spanischen Spielmacher nach ihrer aktiven Zeit sind unübersehbar. Wie bereits zu seiner aktiven Zeit als Spieler durchläuft Guti auch in seiner bisherigen Trainerlaufbahn den steinigen, aber ehrlichen Weg über die Jugendmannschaften der Königlichen. Wie „Zizou“! Nach dem Einstieg 2013 ist der einstige Edeltechniker seit der Saison 2016/17 für die U19 der Blancos verantwortlich. In der aktuellen Spielzeit rangiert seine Mannschaft zwar aktuell hinter Stadtrivale Atlético nur auf Rang zwei, in seiner ersten Spielzeit als Hauptverantwortlicher gewann er jedoch das erste „Triple“ in der Geschichte der Juvenil A!

111 Gründe, Real Madrid zu lieben

Doch in der Youth League blieb der Erfolg noch aus. In den bisherigen vier Ausgaben scheiterte Madrid drei Mal im Halbfinale, auch 2017 mit der Real-Legende an der Seitenlinie. Der Mann aus Torrejón de Ardoz bei Madrid lässt meist in einem offensiven 4-3-3 spielen, gilt als Förderer und Kommunikator. Seine Empfehlungen und seine Expertise werden geschätzt: Spieler wie Óscar Rodríguez durften bereits bei den Profis aushelfen und auch Rechtsverteidiger Achraf Hakimi spielte lange unter Reals legendärer Nummer 14. Klappt’s nun im fünften Anlauf? Im Achtelfinale der diesjährigen Junior-Königsklasse fordert der FC Bayern zum Duell. Im ewig jungen Klassiker der Erwachsenen gehen Gutis Jungs zwar als leichter Außenseiter ins Spiel, die nötige Siegermentalität der großen Vorbilder dürfte er seinen Jungs jedoch eingeimpft zu haben.

„Wie könnte ich Real eines Tages nicht trainieren wollen?“

Bereits vor dieser Saison fiel hier und da Gutis Name, wenn potentielle Real-Trainer thematisiert wurden. Im Zuge der enttäuschenden Liga- und Pokal-Ergebnisse noch häufiger. Wen interessieren schon die Erfolge und Rekorde von gestern? Auch wenn sie erst ein paar Monate zurückliegen. So ist sie nun einmal, die Realität in Madrid. „Wir alle hoffen, dass ‚Zizou‘ noch lange Zeit Trainer bleibt, er ist ein Vorbild für mich“, sagt Guti über den aktuellen Chefcoach der Königlichen, macht jedoch auch keinen Hehl aus seinen langfristigen Ambitionen beim größten Fußballverein der Welt: Es wäre dumm, zu sagen, dass es kein Ziel ist, die erste Mannschaft zu trainieren. Wie könnte ich Real Madrid eines Tages nicht trainieren wollen?“ Aber, und das weiß auch der 42 Jahre alte Spanier, „das ist in weiter Ferne, sofern es denn kommt“.

Auf Zidanes Fußspuren? – Foto: Denis Doyle/Getty Images

Auch wenn es wohl zum jetzigen Zeitpunkt etwas vermessen und vor allem verfrüht klingen mag, aber dass Guti eines Tages bei entsprechender Konstellation auf dem königlichen Thron sitzen wird, wirkt wie vorbestimmt. Weiß auch Zidane: „Ich sehe ihn in der Lage dafür. Er bereitet sich darauf vor. Er ist ein Mann aus dem eigenen Stall und es ist sein Traum“, hieß es vor kurzem. Gutis stabilen Leistungen als Nachwuchstrainer werden vom Backoffice mit Wohlwollen verfolgt und sein Standing innerhalb des Vereins ist ohnehin unbestritten. Ein in jeglicher Hinsicht prägender Spieler seiner Generation, der jedoch stets im Schatten seiner Mitspieler stand, könnte also eines Tages tatsächlich das ganz große Rampenlicht erfahren. Ausreichend Erfahrungswerte kann er sich dann von seinem aktuellen Vorbild und Fürsprecher einholen.

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von
David Döring

Seit der Ankunft Luis Figos im Jahre 2000 Blanco durch und durch - In schweren, wie in guten Zeiten. Hala Madrid!

Kommentare
Ich finde er müsste jz der co trainer von Zizou sein
 

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