Reportage

Vinícius im Kreuzfeuer: Das Fass droht überzulaufen

Real Madrid setzt den Rückrunden-Auftakt auf Mallorca mit 0:1 in den Sand, nach Spielende ist das Ergebnis teilweise aber nur nebensächlich. Stattdessen im Fokus: Mal wieder Vinícius Júnior, der sich abermals zahlreichen Provokationen ausgesetzt sah und mittlerweile zur Hassfigur in Spaniens Stadien hochstilisiert wird. Eine gefährliche Entwicklung, die so langsam aber sicher aus dem Ruder zu laufen droht.

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Sah sich auf Mallorca einigen Provokationen ausgesetzt: Vinícius Júnior (r.) – Foto: JAIME REINA/AFP via Getty Images

Mallorca stellt neuen Foul-Rekord auf

Wenn im Anschluss an eine Begegnung die sportlichen Geschehnisse nur bedingt im Mittelpunkt stehen, ist das selten ein gutes Zeichen. Real Madrids 0:1-Niederlage auf Mallorca offenbarte zwar (mal wieder) so einige Baustellen, dennoch hatte man nach der Partie das Gefühl, dass der erneute Punktverlust und der damit einhergehende anwachsende Rückstand auf Barcelona trotzdem nur zur Nebensache gerieten: Der Grund: Vinícius Júnior, der im Estadi de Son Moix einen wahren Spießrutenlauf hinter sich bringen musste und sich sowohl auf dem Feld als auch von den Rängen enormen Provokationen und Anfeindungen ausgesetzt sah.

Dass Mallorca als krasser Außenseiter in dem ungleichen Duell auf eine ultra-defensive Taktik im tiefen Block und ein hohes Maß an Aggressivität im Spiel gegen den Ball setzt – geschenkt. Dass die Fans versuchen, eine hitzige Atmosphäre zu erzeugen und so ihren Teil dazu beizutragen, die Partie auf ihre Seite zu ziehen – ebenfalls vollkommen legitim. Was sich jedoch an diesem Nachmittag auf der balearischen Insel abspielte, überschritt so manche Grenze.

Das Team von Javier Aguirre beging während der Partie insgesamt 29 Fouls, was einen neuen Negativ-Rekord in dieser Spielzeit bedeutet. Zehnmal war Vinícius der Leidtragende, was sogar einen Rekord seit der Opta-Datenaufzeichnung in LaLiga darstellte. Die Mallorquiner trieben es mit ihrer Zerstörer-Taktik gar so weit auf die Spitze, dass am Ende lediglich eine Nettospielzeit von 48 Minuten zu Buche stand. Federführend hierbei – insbesondere bei den Attacken gegen Vinícius – waren vor allem Mallorca-Kapitän Antonio Raíllo und Rechtsverteidiger Pablo Maffeo, die bereits im Vorfeld der Partie die Stimmung gegen den Brasilianer ordentlich anheizten („Wenn ich ein Vorbild für meine Kinder nehmen müsste, dann wären es Modrić oder Benzema, aber niemals Vinícius.“), und auf dem Feld nahtlos daran anknüpften. So forderte Raíllo Vinícius während des Spiels provokativ auf, das Mallorca-Wappen zu küssen, und bearbeitete den 22-Jährigen permanent verbal, wohingegen Maffeo keine Gelegenheit ausließ, um seinen Gegenspieler möglichst hart anzugehen und mit Fouls aus dem Rhythmus zu bringen.

Vinícius wird in Täterrolle getrieben

Als wäre dies nicht schon genug, schlug Vinícius von den Rängen unheimlicher Hass entgegen. Bei jedem Ballkontakt wurde der Brasilianer gnadenlos ausgepfiffen, jedes Foulspiel gegen ihn frenetisch bejubelt, jede Unterbrechung genüsslich genutzt, um verbale Entgleisungen in seine Richtung zu feuern. Nun mag die weitläufige Meinung sein, dass ein Profi des Formats eines Vinícius derartige Anfeindungen aushalten müsse, die Ausmaße, die das Ganze mittlerweile jedoch annimmt, ist durchaus bedenklich. So merkte Nacho im Anschluss an die Partie an:  „Hier wird gerade eine Stimmung rund um Vinícius erzeugt, die niemandem hilft. Weder Vinícius, noch dem Fußball oder den Fans, die sich auf den Jungen einschießen, ohne dass der auch nur irgendetwas dafür kann.“ 

Dass sich ein Stadion auf einen gegnerischen Spieler einschießt, ist beileibe nichts Neues und ist in der Vergangenheit auch schon öfters vorgekommen. Was Vinícius aktuell jedoch widerfährt, geht weit über das Maß normaler sportlicher Rivalität hinaus. Der Brasilianer wird mittlerweile zu einer Hassfigur in Spaniens Stadien hochstilisiert und ihm obendrein auch noch die Schuld daran selbst zugewiesen. In der Berichterstattung in den spanischen Medien wird Reals Nummer 20 kaum in Schutz genommen, stattdessen die Schuld auf seine aufreizend lässige und dadurch provozierende Spielweise geschoben und durch Interviews wie zuletzt mit Maffeo („Es ist nicht so, dass wir alle von ihm besessen sind, es hängt damit zusammen, was er tut“) weiter befeuert.

Zumal sich die Solidaritätsbekundungen für den Brasilianer im Zuge des Rassismus-Skandals im Vorfeld des Copa-Derbys, als Atlético-Fans eine Vinícius-Puppe an einem Galgen von einer Brücke hängen ließen, ebenfalls in Grenzen hielten. Dass zudem die Untersuchungen aufgrund rassistischer Äußerungen von Atlético-Fans während des Derbys im September („Du bist ein Affe, Vinícius du bist ein Affe.“) eingestellt wurden, weil diese Äußerungen im Zuge „maximaler Rivalität“ gefallen seien, vermittelt latent das Gefühl, Vinícius sei Freiwild und ihm gegenüber nahezu alles erlaubt. Zumal auch im Son Moix teilweise rassistische Rufe wie „Du bist ein scheiß Affe“ deutlich zu hören waren.

Fußball muss und sollte wieder in den Fokus rücken

Eine gefährliche Entwicklung, die langsam aber sicher aus dem Ruder zu laufen droht. Das Ambiente auf Mallorca war vorrangig durch Hass getrieben und wurde durch die phasenweise inkonsequente Linie von Schiedsrichter Alejandro Hernández Hernández, der Mallorca erst in der 60. Minute die erste Gelbe Karte zeigte, noch weiter befeuert. Dass Vinícius letzten Endes sogar als erster Akteur in der Partie für ein nicht unbedingt verwarnungswürdiges Vergehen die Gelbe Karte sah und somit das nächste Spiel gegen Elche verpasst, passte dabei noch ins Bild. Kommentator Benni Zander, der das Spiel für DAZN begleitete, gab zwischenzeitlich zu, dass das Duell zwischen Vinícius und Maffeo, der zudem jede noch so kleine Berührung für eine theatralische und ausufernde Einlage nutzte, für Außenstehende „schwer zu ertragen“ sei. Dass dies weder im Sinne des Spiels noch der Spieler ist, versteht sich von selbst.

Auch aus diesem Grund sprang Carlo Ancelotti im Anschluss an die Partie seinem Schützling zur Seite und betonte nochmals, dass jegliche Schuldzuweisungen gegenüber Vinícius völlig deplatziert seien: „Alles, was passiert ist und passiert, ist nicht die Schuld von Vinícius. Er will einzig und allein Fußball spielen. Darüber hinaus herrscht eine provokante Stimmung, es gibt einen Gegner, der Druck ausübt, provoziert, Fouls begehen. Das ist das, was los ist. Man muss den Fokus ändern. Alle sagen, es sei die Schuld von Vinícius. Wir müssen nur auf das heutige Spiel gucken, was da mit ihm passiert ist.“

Eine weitere Aussage, die deutlich macht, dass sich bezüglich dieser Thematik etwas ändern muss in den kommenden Wochen. Der Fokus auf das Wesentliche, den Fußball, sollte wieder in den Mittelpunkt rücken. Damit wäre – um es in Nachos Worten zu sagen – allen Beteiligten geholfen. Dann könnte man sich in der Nachbetrachtung einer Partie auch wieder auf die sportlichen Aspekte konzentrieren.

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von
Yannick Frei

Hauptberuflich im Nachwuchsfußball zuhause. Von den Großmeistern Figo und Zidane verzaubert, bin ich bis heute ein glühender Anhänger des größten Klubs der Welt.

Kommentare
Mittlerweile wird dieses Thema viel zu hoch gespielt.
Ich kann das Thema auch Rassismus in den fußballstadion nicht mehr hören.
Das Thema gab's doch schon vor 30 Jahren und es hat sich auch nichts geändert als fußballprofi muss er damit lernen umzugehen was will er machen will er jeden Fan verbannen der ihn beleidigt oder gegenspieler sollen sie alle eine rote Karte bekommen wenn sie vinicius Faulen.
Ich kann mich an einen Jungen Fußballer aus Argentinien erinnern Maradona der hat wirklich richtig auf die Socken bekommen dagegen sind die Fouls an Vinni wirklich eher schmeichelhaft.
Das Problem von Vinni ist dass er sich immer wieder in dieses diskussionsthema einlässt und die Medien finden es mittlerweile als ein gefundenes Fressen auf unseren Vinni einzuschlagen.
Am besten man antwortet mit topleistung auf dem fußballplatz.
Hala Madrid
Aber dann bitte nicht beschweren wenn Europa unter dem nächsten Führer geeint wird. Sowas kommt nämlich von sowas.
Einfach wegschauen war schon immer beliebt bei den Italienern, Spaniern und Deutschen. Die Spieler sollen sich halt nicht so haben wenn die zahlenden Fans nun mal nur gerne in Stadion kommen wenn sie auch ordentlich ihre rechte Scheisse verbreiten können.
Wie kann man im Jahr 2023 nur immer noch so denken, das ist doch gesamteuropäisches Bildungsdefizit...
Nur weil man die Rechten immer mit allem durchkommen lässt gibt es doch überhaupt die ganzen Situationen.
 
Mittlerweile wird dieses Thema viel zu hoch gespielt.
Ich kann das Thema auch Rassismus in den fußballstadion nicht mehr hören.
Das Thema gab's doch schon vor 30 Jahren und es hat sich auch nichts geändert als fußballprofi muss er damit lernen umzugehen was will er machen will er jeden Fan verbannen der ihn beleidigt oder gegenspieler sollen sie alle eine rote Karte bekommen wenn sie vinicius Faulen.
Ich kann mich an einen Jungen Fußballer aus Argentinien erinnern Maradona der hat wirklich richtig auf die Socken bekommen dagegen sind die Fouls an Vinni wirklich eher schmeichelhaft.
Das Problem von Vinni ist dass er sich immer wieder in dieses diskussionsthema einlässt und die Medien finden es mittlerweile als ein gefundenes Fressen auf unseren Vinni einzuschlagen.
Am besten man antwortet mit topleistung auf dem fußballplatz.
Hala Madrid
Aber dann bitte nicht beschweren wenn Europa unter dem nächsten Führer geeint wird. Sowas kommt nämlich von sowas.
Einfach wegschauen war schon immer beliebt bei den Italienern, Spaniern und Deutschen. Die Spieler sollen sich halt nicht so haben wenn die zahlenden Fans nun mal nur gerne in Stadion kommen wenn sie auch ordentlich ihre rechte Scheisse verbreiten können.
Wie kann man im Jahr 2023 nur immer noch so denken, das ist doch gesamteuropäisches Bildungsdefizit...
Nur weil man die Rechten immer mit allem durchkommen lässt gibt es doch überhaupt die ganzen Situationen.

Ich verstehe genau was Du meinst aber das hat wirklich nichts mit einem bildungsdefizit in Europa zu tun.
Wie sagte mein anatomieprofessor an der Uni das es noch sehr viele Menschen gibt die noch sehr prä animalisch denken.
Wir sehen doch was auf dem Globus momentan überall so abgeht.
Ich hoffe im Laufe der menschlichen Entwicklung werden wir diese Probleme hoffentlich mal abstellen.
Hala Madrid
 
Meiner Meinung nach müssen wir einsehen, dass Vini auch nicht ganz unschuldig an den ganzen Anfeindungen ist. Vinis Art Fußball zu spielen ist halt sehr aufreizend und nach jedem Foul oder etwas härteren einsteigen wird der Schiri angemeckert, die Arme theatralisch gehoben oder eine abfällige Geste gemacht. Ich kann die Gegner verstehen, die sich an dem stören bzw. dass ihnen das nicht so in den Kram passt und die dann überhart in die Zweikämpfe gehen.
Aber klar, das rechtfertigt in keinster Weise die teilweise schon fast karrieregefährdenten Fouls oder die rassistischen Anfeindungen..

Ich denke wenn Vini sich einfach wieder nur aufs Fußball spielen konzentriert und sich auf keine Diskussionen oder psychospielchen einlässt wird das ganze Thema an Brisanz abnehmen. Klar, ist jetzt leicht gesagt, weil ich nicht in Vinis Situation bin aber mir fällt ehrlich gesagt kein anderer Ansatz ein der dieses Thema lösen könnte.
 
die sollten lieber bald was ändern, der junge wird das nicht ewig ertragen, in der pl wäre er nämlich mehr geschützt als in der la liga, hoffe er denkt nicht darüber nach
 
79 - Vinícius Júnior has been fouled 79 times in LaLiga 2022/23, the most by a player in Europe's big five leagues and a the most by a Real Madrid player after the first 20 games of the league season since Luís Figo in 2003/04 (96). Danger.
Man bedenke bei dieser Statistik dann noch, dass viele (eindeutige) Fouls gegen Vini aber gar nicht erst gegeben werden, sodass sie hier gar nicht aufscheinen…(wie sagt man so schön) die Dunkelziffer ist also VIEL höher!
 

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