
Plötzlich Konkurrenzkampf statt Problemposition
Als sich Thibaut Courtois am 10. August das vordere Kreuzband im linken Knie riss, klingelten an der Concha Espina jegliche Alarmglocken. Mit Andriy Lunin wähnte man zwar einen soliden Ersatz in seinen Reihen, wirklich hundertprozentig traute man dem Ukrainer die Rolle als temporäre Nummer eins offensichtlich aber nicht zu, weshalb die Blancos umgehend reagierten und Kepa Arrizabalaga bis zum Ende der Spielzeit vom FC Chelsea ausliehen. Für den Basken die verspätete Erfüllung eines Kindheitstraums, der 2018 noch am Veto des damaligen Trainers Zinédine Zidane scheiterte, für Lunin im Gegenzug ein großer Schlag ins Gesicht, hatte sich der 24-Jährige in seiner Rolle als Courtois-Vertreter doch stets loyal gezeigt und geduldig auf seine Chance gewartet.
Zumal die Verpflichtung Kepas durchaus mit dem einen oder anderen Fragezeichen verbunden war. Galt der beim Athletic Club ausgebildete Torhüter bei seinem Wechsel an die Stamford Bridge vor fünf Jahren noch als zukünftiger Anwärter auf den Welttorhüter-Titel und avancierte mit einer Ablösesumme von 80 Millionen Euro zum teuersten Torwarttransfer aller Zeiten, musste er sich nach äußerst schwankenden Leistungen bei Chelsea phasenweise mit der Rolle als Nummer zwei hinter Edouard Mendy zufrieden geben. Vergangene Saison zwischenzeitlich wieder gesetzt, verpflichteten die „Blues“ im Sommer Robert Sánchez von Brighton und es war absehbar, dass der 28-Jährige wieder ins zweite Glied rücken müsste. Die letzten Jahre in England des spanischen Nationaltorhüters können somit durchaus als wechselhaft beschrieben werden, bei den Königlichen war das Vertrauen in die Fähigkeiten des Basken jedoch ungleich größer als die Zweifel.
Lunin statistisch leicht vorne
Zweifel, die Kepa mit mehr als soliden Leistungen in seinen ersten Partien jedoch schnell zerstreuen konnte. Und aus Sicht der Blancos noch besser: Auch der eigentlich degradierte Lunin zeigt, wenn er wie zuletzt aufgrund Kepas Verletzung zum Einsatz kommt, richtig gute Leistungen. Rein statistisch liegt der Ukrainer in einigen Metriken heruntergerechnet auf 90 Minuten sogar vorne, dabei ist jedoch wichtig zu beachten, dass die zugrundeliegende Grundgesamtheit mit fünf Partien über 90 Minuten verhältnismäßig klein ist und weniger als die Hälfte von Kepas Einsatzzeiten (13 Spiele) darstellt.
Metrik | Kepa | Lunin |
Schüsse aufs Tor pro 90 Min. | 2,72 | 3,59 |
Paraden pro 90 Min. | 2,02 | 3,14 |
Anteil gehaltener Bälle | 74,36 % | 87,5 % |
Gegentore pro 90 Min. | 0,7 | 0,45 |
Anteil Spiele zu Null | 46,15 % | 50 % |
Passquote | 91,24 % | 96,39 % |
Passquote lange Bälle | 60,61 % | 80 % |
Abgefangene hohe Bälle pro 90 Min | 0,21 | 0,67 |
Nichtsdestotrotz lässt sich konstatieren: Aus dem zu Saisonbeginn befürchteten Problem auf der Torwartposition ist mittlerweile fast schon ein Luxusproblem geworden. Insgesamt steht man schon bei neun Partien ohne Gegentreffer, der Gegentorschnitt von gerade einmal 0,67 Toren pro Spiel bei bereits 18 absolvierten Pflichtspielen spricht für beide Torhüter. Lunin selbst hätte natürlich nichts dagegen, auch die nächsten Spiele zwischen den Pfosten zu stehen. „Wenn du Spiel für Spiel bestreitest, bekommst du ein besseres Gefühl, Rhythmus und Selbstvertrauen. Ich glaube, das ist ein normaler Prozess“, konstatierte der 24-Jährige nach dem 3:0 über Cádiz nüchtern.
Ancelotti lässt keine Torwartdiskussion aufkommen
Eine mögliche Torwartdiskussion wollte Carlo Ancelotti jedoch erst einmal nicht aufkommen lassen. In der Königsklasse gegen die SSC Neapel (Mittwoch, 21 Uhr) wird Lunin nochmals zum Einsatz kommen, am darauffolgenden Ligaspieltag gegen Granada ist die Rückkehr Kepas fest eingeplant. „Das wichtige ist, dass Lunin bereit war. Als sich Kepa verletzt hat, hat er es sehr gut gemacht. Wenn Kepa gegen Granada fit ist, wird er wieder spielen“, so die deutlichen Worte des Italieners.
Dass auf der Torwartposition plötzlich mehr oder weniger unverhofft ein Konkurrenzkampf ausgebrochen ist, dürfte dem Cheftrainer der Königlichen durchaus Recht sein. Schließlich belebt Konkurrenz ja bekanntlich das Geschäft und durch die zahlreichen Verletzungen im Kader haben die Blancos ohnehin mit zahlreichen anderen Baustellen zu kämpfen. Die Torwartposition ist – zumindest Stand jetzt – glücklicherweise erst Mal keine. Wird sie aber – Kepas Leihe läuft im Sommer aus, genauso wie Lunins Vertrag. Aktuell scheinen beide um eine Weiterbeschäftigung zu konkurrieren.
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