Analyse

Real Madrids „Remontada“ möglich? PSG im Taktik-Check

Am kommenden Mittwoch geht es für Real Madrid in der Champions League bereits um alles oder nichts: Nach der 0:1-Hinspielniederlage im Pariser Prinzenpark stehen die Königlichen im Achtelfinalrückspiel gegen Paris Saint-Germain stark unter Druck.

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Ancelotti Mbappé
Überlegt, wie er Kylian Mbappé und Paris Saint-Germain im Rückspiel den Schneid abkaufen kann: Real-Coach Carlo Ancelotti – Fotos: Imago

Während Paris die französische Liga mit 15 Punkten Vorsprung vor Olympique Marseille nach Belieben dominiert, scheint der Titel in der Königsklasse nach vielen Malen des mitunter unglücklichen Scheiterns in dieser Spielzeit erneut das primär anvisierte Ziel zu sein. Dass die Schützlinge von Mauricio Pochettino nun titelreif sein könnten, hat die Galavorstellung im Hinspiel untermauert. REAL TOTAL analysiert, was die Gründe für Reals Unterlegenheit im ersten Aufeinandertreffen waren und welche Hebel Carlo Ancelotti in Bewegung setzen muss, um doch noch den Sprung ins Viertelfinale zu schaffen.

Grundausrichtung PSG: Variables 4-3-3 und hohe Ballsicherheit

58 Prozent Ballbesitz (in Halbzeit eins sogar teilweise knapp 70 Prozent) bei 21:3 Schüssen (8:0 aufs Schüsse aufs Tor) unterstreichen, dass PSG im Hinspiel über 90 Minuten in jeglicher Hinsicht Herr der Lage war. Dabei wählte Pochettino zwar die inzwischen fast schon PSG-typische 4-3-3-Grundformation. Die größte Stärke des französischen Hauptstadtklubs war an diesem Abend jedoch die enorme taktische Variabilität, aus der ein enorm sicheres und zielstrebiges Spiel in Ballbesitz resultierte.

Dabei bediente sich der Argentinier relativ einfacher Mittel: So kippte Danilo nicht selten als dritter Aufbauspieler in die dynamische Dreierkette ab, sodass die Außenverteidiger höher schieben konnten. Dadurch, dass Messi oftmals eine „hohe Acht“ mit vielen Freiheiten spielte und zudem Paredes und Verratti (jeweils 123 Ballaktionen) mit enormer Ballsicherheit und einer intelligenten Raumbesetzung brillierten, verfügten die Hausherren über einen enorm stabilen Ballbesitz sowohl in der Spielauslösung als auch im Übergangsspiel.

Viele Anspielstationen: PSG-Offensive brandgefährlich

Diese hohe Ballsicherheit stellte eine gute Basis dafür dar, dass die Hausherren sich im letzten Drittel viele gute Abschlusspositionen herausspielen konnten. So schoben die Außenverteidiger Achraf Hakimi und Nuno Mendes derartig hoch, dass sie einerseits den Flügel überluden und andererseits durch eine gute Staffelung im und um den Strafraum Steil-Klatsch-Kombinationen ermöglichten, die zu guten Torchancen führten.

Verratti spielt den Ball tief auf Hakimi (gelber Kreis), der den leicht gestaffelt freistehenden Mbappé (roter Kreis) auf engstem Raum bedient – Screenshot: DAZN

Dadurch, dass Messi sich oftmals auf eine offensive Achterposition fallenließ und die PSG-Außenverteidiger die offensiven Flügel besetzten, rückten Mbappé und Di María in Richtung Sturmzentrum ein. Auf diese Weise konnte vor allem der französische Weltklassespieler sein Tempo immer wieder durch ein intelligentes Einlaufverhalten zwischen den Zuständigkeitsbereichen der Außen- und Innenverteidiger (in der Regel Carvajal und Militão) einsetzen, um die kurzen Momente ungeklärter Zuständigkeiten zu nutzen.

Hier kommt Mbappé nach einer Steil-Klatsch-Kombination in zentraler Position zum Torabschluss – Screenshot: DAZN

Real Madrid – PSG: Missmatch Carvajal-Mbappé

Neben spielerisch-taktischer Überlegenheit aufseiten der Hausherren stellte sich vor allem das Duell zwischen Kylian Mbappé und dem sich noch nicht wieder in Top-Form befindlichen Daniel Carvajal als ein entscheidendes Missmatch heraus: So versuchte der Spanier sein Spiel in Abstimmung mit Nebenmann Militão im Spielverlauf umzustellen. Um Mbappés Tempo nicht mehr derartig hilflos ausgesetzt zu sein, verteidigte Carvajal in vielen Situationen deutlich tiefer und zentraler.

Muster 1: In Durchgang eins sticht Mbappé immer wieder in den Raum zwischen Außen- und Innenverteidiger und kommt dann zu guten Abschlüssen – Screenshot: DAZN

Das führte einerseits dazu, dass Mendes auf dem linken Flügel immer wieder große Freiheiten hatte und folglich bemerkenswerte fünf Hereingaben spielte. Andererseits bekam Mbappé auf diese Weise immer wieder frontale Eins-gegen-Eins-Situationen mit dem spanischen Rechtsverteidiger, die er mitunter nach knapp einer Stunde in einen Elfmeter ummünzen konnte. In dieser Situation ließ die Viererkette der Merengues aber auch die nötige Tiefenstaffelung vermissen. So konnte Mbappé Carvajal mit seinem Tempo attackieren, ohne dass Militão die Geschwindigkeit des Franzosen vorausschauend abgesichert hätte.

Muster 2: Nach dem Seitenwechsel verteidigt Carvajal tiefer. Mbappé wird im Eins-gegen-Eins freigespielt, nutzt die fehlende Absicherung (in Tiefenstaffelung) und zieht den Elfmeter – Screenshot: DAZN

Eine solche Situation führte in der Nachspielzeit auch zum entscheidenden Treffer für den französischen Hauptstadtklub: Hier war der eingewechselte Vázquez zunächst zu hoch positioniert, um Mbappé nach einem Sprint zurück in Richtung eigenes Tor dann im Eins-gegen-Eins verteidigen zu müssen. Theoretisch hätte der Galicier seinen Weltklasse-Gegenspieler auf Militão lenken können. Dieser schlief jedoch für den Bruchteil einer Sekunde und machte dem Franzosen durch eine ungünstige Positionierung den Weg in Richtung Tor frei.

Eine vergleichbare Situation sorgt in der Nachspielzeit für das überfällige 1:0 aus PSG-Sicht – Screenshot: DAZN

Offensiver Offenbarungseid: Schwaches Pressing – kaum Tiefe

Dass der Champions-League-Rekordsieger seinerseits kaum Akzente setzen konnte, hatte mehrere Gründe: In den wenigen Momenten, in denen Real Angriffspressing zu spielen versuchte, löste PSG dieses durch Donnaruma als „Extra-Spieler“ auf, sodass in diesen Situationen nicht einmal ein zentraler Mittelfeldspieler in den Dreieraufbau abkippen musste.

In vielen Phasen des Spiels stehen die Königlichen mit zwei Defensiv-Ketten sehr tief, PSG findet dennoch immer wieder Lösungen – Screenshot: Amazon Prime

In den meisten Sequenzen verteidigten die Blancos allerdings mit zwei sehr tiefen Ketten vor dem eigenen Strafraum und zwangen die Pariser somit, Lösungen auf engem Raum zu finden. Über die eingangs skizzierten Steil-Klatsch-Varianten sowie eine immense Ballsicherheit fanden die Hausherren diese jedoch immer wieder, während Real sich zugleich der Möglichkeit hoher Ballgewinne beraubte.

Wenn die Königlichen das Leder einmal in Strafraumnähe festmachen konnten, fehlten ihnen entweder die Anspielstationen (aufgrund einer schlechten Positionsbesetzung) oder sie trafen die falschen Entscheidungen. Gerade einmal drei Schüsse in Richtung Tor (keiner davon ging auf das Tor) unterstreichen auch in statistischer Hinsicht einen offensiv erschreckend uninspirierten Abend.

Wenn die Merengues das Leder einmal in aussichtsreicher Position hatten, trafen sie oftmals die falsche Entscheidung – hier nimmt Kroos den Distanzschuss, anstatt Carvajal (rechts) einzusetzen oder eine Kombination (über den Dritten) auf der linken Seite anzustreben – Screenshot: DAZN

Real Madrid – PSG: So ist Pochettinos Team zu knacken

Somit sollte nicht nur aufgrund des enttäuschenden Ergebnisses, das in Ancelottis Augen noch die „beste Nachricht“ des schwachen Auswärtsspiel darstellte, sondern auch angesichts der biederen fußballerischen Leistung genügend Motivation vorhanden sein, im ausverkauften Bernabéu ein deutlich besseres, Real-würdiges Gesicht zu zeigen.

Damit das gelingt, muss Ancelotti – zumindest wenn es nach mir geht – an drei zentralen Stellschrauben drehen:

  1. Mutigeres situatives Angriffspressing: Die vielleicht größten Torchancen dürften sich nach hohen Ballgewinnen ergeben. Erobert Real das Leder in Nähe des Pariser Strafraums, sind Spieler wie Luka Modrić oder Toni Kroos (sofern der Deutsche fit wird) immer in der Lage, eine gegnerische Defensive mit nur einem Pass blank zu spielen. Dafür bedarf es jedoch eines klaren Plans, wie diese Bälle erobert werden – und eines mutigeren Nachschiebens und Verdichtens der Räume.
  2. Mehr Dynamik im Mittelfeld: Um aus dem geordneten Spielaufbau zum Erfolg zu kommen, wird sicheres Quergeschiebe allein nicht genügen. Vielmehr sollte es Ancelottis Ansinnen sein, die Pariser Schaltzentrale zu dominieren. Dafür wird die richtige Mischung aus Passsicherheit, Dynamik und Zweikampfhärte der Schlüssel zum Erfolg sein. Ein entscheidender positiver Impuls könnte vor dem Hintergrund dieser Gedanken sein, dass Ancelotti aufgrund von Casemiros Gelbsperre gezwungen sein wird, mit Federico Valverde oder Eduardo Camavinga einen deutlich dynamischeren Spieler starten zu lassen, der die Statik des Spiels maßgeblich verändern könnte.
  3. Benzema und Vinícius ins Spiel bekommen: Der dritte entscheidende Faktor wird sein, Karim Benzema und Vinícius Júnior deutlich besser ins Spiel zu bekommen. Voraussetzung dafür wird die zuvor angesprochene Dominanz und Dynamik im Mittelfeld sein. Alternativ könnte Ancelotti allerdings auch versuchen, die Flügel mit (voraussichtlich) Alaba und Carvajal immer wieder zu überladen und Vinícius (und sein Pendant auf der anderen Seite) auf diese Weise entweder in aussichtsreiche Eins-gegen-Situationen zu bringen oder (im Spiel über einen dritten, tendenziell zentralen Mitspieler) per Steckpass einzusetzen. Dann würde Benzema infolgedessen ebenfalls deutlich öfter Aktionen in Tornähe erhalten.

Hinspiel in Paris | Alle Videos

Vinicius PSG Real Madrid

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93 Minuten hielt ein sehr passives Real Madrid einem sehr aktiven Paris Saint-Germain stand.... weiterlesen

Real Madrid vs. PSG – Fazit: „Remontada“ möglich?

Zusammenfassend hat Real im Hinspiel also leider gezeigt, wie man gegen PSG nicht auftreten sollte: Mutloses, inkonsequentes Spiel gegen den Ball, wenig Dynamik und Ideen im eigenen Übergangsspiel sowie klare taktische Fehler oder gar Fehleinschätzungen.

Nichtsdestotrotz ist Paris keinesfalls unschlagbar: Sicherlich wird man Spieler wie Mbappé oder Messi nicht 90 Minuten lang völlig kaltstellen. Mit einer konzentrierten Defensivleistung und Vertrauen in die eigenen Offensivqualitäten ist die Hürde Paris für die Merengues immer noch zu nehmen. Dafür bedarf es jedoch eines innovativeren Matchplans, Muts – und eventuell ein wenig Spielglücks.

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Kommentare
Die Frage ob wir grundsätzlich die Qualität haben um PSG zu schlagen stellt sich nicht. Was wir am Mittwoch brauchen ist Intensität. Das war auch der ganz große Unterschied im Hinspiel. PSG wollte unbedingt den Sieg und wir wollten das Ganze einfach nur irgendwie nach Hause spielen.
 
Ich denke auf ein Momentum kann keiner dieser beiden setzen, weil die Motivation des jeweils anderen nicht vorhersehbar sein wird.

Real muss laut Bericht all das tun, wofür gerade Ancelotti und Zidane in den letzten Jahren nicht standen. Die Hoffnung bleibt bei jedem Real Fan bestehen, aber ob es diesmal wirklich klappt?

Wie man endlich auch aus RT-Perspektive erkennt, ist die fehlende Dynamik und körperliche Präsenz im Mittelfeld und im hohen Raum ausschlaggebend für die miserable Leistung. Allerdings ist es nicht so, dass Modric, Kroos und Casemiro nie dynamische Spieler waren. Vielmehr sollte man anerkennen, dass bei ihnen die Dynamik mit dem Alter verloren ging.

Modric wird zum Beispiel in aller Munde gelobt wegen des letzten Spiels. Aber wo war er die zehn Spiele zuvor?
 
Für mich müssen wir mit einer 4er Mittelfeld in das Spiel gehen aus kroos modric cama Fede und Vorn vini karim …. Carva braucht auf rechts Unterstützung alleine gegen mbappe kann er einfach nix machen und mit asensio und rodrygo könnten wir auch gleich eine Vogelscheuche hinstellen die hätte den selben defensiven Input Fede kann carva da denke ich besser helfen
Zu dem denke ich das wenn wir das Mittelfeld überladen vini und karim besser in Szene setzten können im Hinspiel hatten wir einfach nix zu melden im Mittelfeld und mit cama Valverde haben wir 2 dynamische die kroos modric den rückenfreihalten
Die größte Sorge macht mir jedoch die LV Position wer soll da spielen ????? Marcelo dann können wir auch gleich aufgeben dem wird von messi doch dann knoten in die Beine gespielt …..
Alaba will ich da eigentlich auch nicht sehen da er in der IV einfach zu wichtig ist mit militao denke Nacho wird dann wohl auf links gehen aber mal schauen wir müssen ,,nur“ gewinnen das ist das gute da haben wir Glück wegen auswärts Tor Regel
 
Klasse Analyse. Leider würde ich nicht darauf wetten, dass Carlo was umstellt. Der wird lieber einen angeschlagenen Kroos aufstellen als mehr Dynamik bringen.
 
Das Mittelfeld wird entscheidend sein heute. Ich denke mit Modric, Camavinga und Valverde haben wir eine gute Mischung.
Modric muss den Ball haben und auf die aussen verteilen. Ich würde aber auf Asensio rechts aussen verzichten, gegen den schnellen Nuno Mendes hat er keine Chance. Ich würde dort entweder auf Bale setzen und hoffen dass er das was er kann auf den Platz bringt. Mit seiner Stärke, Schnelligkeit und seinem Körper wäre er eher ein Problem für Mendes. Wenn nicht Bale dann Hazard auf die 10 da er denn Ball gut halten kann und auch verteilen kann auf Vini und Benzema.

Naja erwarte trotzdem nicht viel heute Abend
 

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