
Zidane knüpft sich Journalisten vor
MADRID. Erst hörte er aufmerksam zu, dann rutschte ihm sogar ein Lächeln über die Lippen. Dass Zinédine Zidane den gerade sprechenden Journalisten Fernando Burgos vom spanischen Radiosender ONDA CERO gleich mit aufgerissenen Augen und eiskalter Miene verbal in die Mangel nehmen würde, konnte am Freitagnachmittag niemand erahnen.
Der 48 Jahre alte Franzose ist schließlich niemand, der durch seine Art und Weise bei Pressekonferenzen regelmäßig Schlagzeilen kreiert. Ganz im Gegenteil: Zidane tritt bei Medienrunden mal harmonisch und mal einfach nur seriös auf. So zum Großteil auch am Freitagnachmittag – mit einer kleinen Ausnahme.
Burgos stellte keine explizite Frage, sondern sagte Zidane, er mache auf ihn den Eindruck, er sei aufgrund der sich mehrenden Zweifel an dem Real anno 2021 rachsüchtig und wolle jedem deutlich machen, dass ein Rücktritt nicht infrage komme und er es allen zeigen möchte.
Kritik an Schwarz-Weiß-Berichterstattung
Keine allzu heiklen Worte, mag man meinen. „Zizou“ ließ im Pressesaal in Valdebebas dennoch einen Hauch von José Mourinho wieder aufleben und holte zu einem Rundumschlag aus. Er kritisierte die Schwarz-Weiß-Berichterstattung der Medien: Stimmen die Ergebnisse, gibt es Lob, bei Rückschlägen jedoch scheint es, als wäre ein baldiger Wechsel auf der Trainerbank alternativlos und auch so gut wie sicher. Zidane nervt dabei auch, dass diese Debatten bereits weit vor dem Saison-Endspurt geführt werden.
Holprige Saison: Zidane dürfen Zweifel nicht wundern
Ist diese Beschwerde gerechtfertigt? Ist sie nicht.
Sicher ist es gut, dass Zidane in aller Deutlichkeit mal seine Meinung zum Besten gibt. Sicher ist es nicht verkehrt, bis zum Saisonende zu warten, um eine wirklich faire Bewertung der geleisteten Arbeit gewährleisten zu können.
Dass er als Real-Coach längst infrage gestellt wird, darf angesichts der überaus holprigen Saison mit den vielen negativen Ausreißern, unter anderem dem Pokal-Debakel beim Drittligisten CD Alcoyano, aber niemanden wundern – und ihn nicht verärgern. Madrid spielt unter Zidane nicht ansehnlich, Madrid patzt unter Zidane viel zu oft: Was dann medial entsteht, ist nur eine Folge der sportlichen Ergebnisse!
Ich habe viele, viele PK mit Zidane erlebt. Live und virtuell. Ihn happy, müde, gereizt und entspannt gesehen. Aber so wütend wie heute? Das ist neu und ein weiteres Zeichen: ab Sommer wird er sich das nicht mehr antun.
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— Nils Kern (@nilskern17) February 5, 2021
Der 48-Jährige weiß das, ist das gewohnt, hat das auch schon bei etlichen Presseterminen so ausgesprochen und weist bei bitteren Niederlagen immer wieder darauf hin, er sei der Verantwortliche. Umso verwunderlicher, dass ihm in dieser Hinsicht plötzlich die Hutschnur reißt, wenn es um seinen wackligen Trainerstuhl geht. Genauso wie die Aufforderung, man habe es als amtierender Meister verdient, bis zum Ende um die Titelverteidigung zu kämpfen – zu einem Zeitpunkt, an dem sie so gut wie unmöglich ist.
» Kommentar: So kann es mit Zidane langfristig nicht weitergehen
Der nächste unnötige und empfindliche Dämpfer in der Primera División liegt nicht mal eine Woche zurück und hat Real hinter den FC Barcelona auf Platz drei zurückgeworfen. Atlético ist zehn Punkte voraus – und hat obendrein sogar noch eine Partie weniger absolviert. Nebenbei bemerkt ist gerade Real kein Klub, bei dem im Kontext mit einer schwierigen Gegenwart auf Erfolge der Vergangenheit hingewiesen werden sollte. Zidane hat das getan.
Ein weiteres Indiz, dass bald Schluss ist
Sein emotionaler Ausbruch kann als ein weiteres Indiz gesehen werden, dass er seiner zweiten Amtszeit im Sommer ein Ende setzt – zumal er ohne genauer darauf einzugehen bei der PK selbst davon gesprochen hat, zur nächsten Saison seien Veränderungen nötig.
Nach einem im Oktober vergangenen Jahres gereizten Auftritt vor den Journalisten stellte REAL TOTAL bereits die Frage: Ist Zidane schon wieder amtsmüde? Im Jahr 2018 gab er wenige Monate vor seinem Abschied offen und ehrlich zu, dass der Trainer-Job bei den Königlichen ihn ermüden würde, anstrengend und der Kräfteverschleiß hoch sei. Nicht einmal der anschließende Champions-League-Triumph gegen den FC Liverpool, der dritte Henkelpokal in Serie, hielt ihn damals von seinem Rücktritt ab.
Nun könnte man meinen: Im Erfolgsfall lässt sich so eine Entscheidung leichter treffen als in schweren Zeiten. Das ist richtig. Allerdings hat Zidane mit seiner Rückkehr Mitte März 2019, als Real hoffnungslos am Boden lag und er mit seinem als Trainer noch größer gewordenen Denkmal an der Concha Espina eigentlich nur verlieren konnte, schon einmal bewiesen, dass ihm dieser Verein, dem er nun 20 Jahre angehört, um einiges wichtiger ist als der persönliche Status. Den Legende-Ruf kann ihm ja eigentlich sowieso niemand nehmen – was auch immer passiert…
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