Interview

Sami Khedira: „Ich liebe Real Madrid und habe beim Abschied geweint“

Er hat ihr ein Ende gesetzt, seiner Karriere. Nach 15 Jahren ist die aktive Laufbahn von Sami Khedira seit kurzem vorbei. Ein Drittel davon erlebte der Weltmeister von 2014 bei Real Madrid, wo er als Krönung den Champions-League-Titel gewann. In einem Interview mit der Sportzeitung MARCA lässt Khedira seine Etappe in Spanien Revue passieren. Der 34-Jährige schwärmt von Carlo Ancelotti, José Mourinho und etlichen seiner damaligen Mitspieler. Sein Abschied habe ihm geschmerzt und für Tränen gesorgt. Sentimental sei er nachts noch einmal allein durch die Straßen Madrids geschlendert, erzählt Khedira.

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Khedira bei Real – Foto: IMAGO / AFLOSPORT / Sven Simon / ActionPictures / Marca / MIS

„Ging nachts allein durch Madrid und erinnerte mich an alles“

SAMI KHEDIRA über…

…seine Zeit bei Real Madrid: „Ich bin sehr stolz, das Wappen von Real Madrid getragen zu haben. Ich werde immer ein Madridista sein und in das Santiago Bernabéu zurückkehren, um Spiele anzuschauen. Für mich ist es das beste Stadion, es ist unglaublich. Die Fans sind einem sehr nahe. Manchmal ist es nicht leicht. Ich weiß, dass dem Bernabéu die eleganteren Spieler mehr gefallen, aber am Ende haben alle mein Spiel, meine Arbeit und meine Professionalität geschätzt. Ich bin sehr dankbar. Wenn du das Bernabéu brauchst, ist es da. Niemals werde ich den Abend vergessen, an dem wir gegen Borussia Dortmund gespielt haben. Wir sind nicht in das Finale gekommen, aber die Atmosphäre war so unglaublich, wie ich es nie erlebt habe.“

…seinen Abschied aus Madrid im Jahr 2015: „Es war traurig, Real Madrid zu verlassen. Ich wusste, dass ich beim besten Klub der Welt war. Und zudem habe ich in einer unglaublichen Stadt gelebt, ich habe Titel gewonnen. Ich habe bis zum letzten Tag alles gegeben, aber es kam der Moment, um zu gehen. Du weißt, wenn dieser Moment da ist und persönlich war es gut, zu einem anderen Klub und in ein anderes Land zu gehen, um zu reifen. Ich liebe Real Madrid und habe beim Abschied geweint. Ich erinnere mich, dass ich nachts durch Madrid gegangen bin, ich allein, ich habe mich noch mal an alles erinnert. Es war schwer. Aber Juventus rief mich an und ich spürte, dass es der Moment für einen Wechsel war.“

„Fragte Mourinho, ob wir per SMS kommunizieren können“

…das Zustandekommen des Real-Wechsels im Sommer 2010: „Ich erinnere mich ganz genau daran. Ich hatte einen Anruf bekommen: ‚Sami, Real Madrid will dich und (José) Mourinho wird dich anrufen.‘ Ich dachte, das sei ein schlechter Scherz. Dazu war mir nach dem Ausscheiden bei der Weltmeisterschaft gegen. Ich war sehr nervös und meine größte Sorge war mein Englisch, weil ich es damals noch nicht so beherrscht hatte. Und das dann noch mit der Nervosität… Mourinho rief mich dann an und ich fragte ihn, ob wir nicht per SMS kommunizieren könnten. Er lachte und sagte mir, dass das natürlich geht. Er sagte mir, dass er mich bei Real Madrid haben will. In dem Gespräch veränderte sich meine Karriere. Mourinho ist das Beste, was mir passiert ist. Die Jahre unter ihm waren unglaublich und meine ersten Jahre in Madrid unfassbar intensiv.“

…die Clásicos gegen den FC Barcelona, die er miterlebte: „Der erste war sehr hart. Wir haben 0:5 verloren. Aber das machte uns nur besser und konkurrenzfähiger. Es erwachte in diesem Moment ein anderes Real Madrid und das hat man in den Spielen danach gesehen. Die Copa del Rey, die wir gewannen, war unglaublich. Was für ein Spiel! Was für eine Spielweise! Es waren Spiele, in denen ich auf dem Platz sehr gelitten habe, aber gleichzeitig hat man alles genossen.“

Sami Khedira Jose Mourinho
Khedira arbeitete drei Jahre mit Mourinho zusammen – Foto: IMAGO / Alterphotos

Ancelotti rief Khedira täglich an: „Sami, wir sind eine Familie“

…die unter Mourinho misslungene Mission Champions-League-Titel: „Wir waren nahe dran. Diese Mannschaft war unglaublich, hatte viel Qualität, Biss, Leidenschaft. Wir haben eine Liga auf wunderbare und tadellose Art gewonnen, in der Champions League fehlte uns wirklich ein wenig Glück.“

…seine Zusammenarbeit mit Carlo Ancelotti: „Ancelotti war ganz anders als Mourinho. Mir persönlich hat er dazu gedient, mich weiterzuentwickeln, auf eine andere Art zu spielen. Er gab mir viel Selbstbewusstsein und sagte mir, ich solle mich mehr auf den gegnerischen Strafraum fokussieren, da ich mehr Tore machen könne. Und das habe ich dann auch. Er hat sich um uns alle gekümmert und mich nach meinem Kreuzbandriss im Champions-League-Finale aufgestellt. Das werde ich nie vergessen. Ich war in Deutschland in der Klinik, allein, aber Carlo war auch da. Seit der Verletzung bis zu meiner Trainingsrückkehr rief er mich jeden Tag an. Als wenn dich dein Vater anruft. Ich hatte immer schon auf den Anruf des Trainers gewartet, weil er diesen nie ausließ. Er hatte 23 Spieler, tausende Probleme als Trainer, den Druck, seine Familie… und er rief mich jeden Tag an, um mit mir zu reden. Ich sagte ihm eines Tages: ‚Trainer, das ist aus meiner Sicht unglaublich.‘ Und ich dankte ihm zutiefst. Und er sagte mir: ‚Sami, wir sind eine Familie und du bist allein im Krankenhaus. Wie könnte ich dich nicht anrufen! Wir sind alle bei dir.‘“

Ancelottis Rückkehr „eine großartige Idee“

…Ancelottis Rückkehr auf Reals Trainerbank: „Das ist eine gute Nachricht. Abgesehen von den Titeln erinnere ich mich daran, dass wir sehr gute Spiele hatten und einen sehr guten Fußball spielten. Eine zweite Etappe ist nicht leicht, denke ich, aber ich bin mir sicher, dass er einen guten Job machen kann. Ich halte das für eine großartige Idee von Real Madrid.“

Khedira schwärmt von Alonso, Özil, Ramos und Ronaldo

…seinen Startelf-Einsatz im Champions-League-Finale 2014 nur kurz nach seinem ausgestandenen Riss des vorderen Kreuzbandes und Innenbandriss im rechten Knie: „Beim Champions-League-Finale war Xabi Alonso gesperrt. Eines Tages kam Ancelotti zu mir und sagte: Wenn du dich gut fühlst, werde ich dich im Finale aufstellen. Er hatte mir zuvor noch zwei Einsätze gegeben und ich spürte, dass ich ehrlich zu ihm sein muss. Daher sagte ich ihm, ich sei bei 60 Prozent, mehr nicht. ‚Ich weiß, aber du bist solche Spiele gewohnt, du wirst es gut machen. Ich brauche Spieler mit Erfahrung. Und du hast (Luka) Modrić und (Ángel) Di María an deiner Seite, also bleib gelassen.‘ Er hatte alles durchdacht. Es war nicht das beste Spiel meines Lebens, aber ich werde es nie vergessen.“

…seine Mitspieler bei den Königlichen: „Von Xabi Alonso habe ich am meisten gelernt. Ich kam in einem jungen Alter nach Madrid und spielte an seiner Seite. Für mich war er der beste Sechser. Seine Karriere war unglaublich, ich habe viel gelernt. Und dann war da Mesut (Özil). Was für ein Spieler! Die Leute sollen sich diese drei Jahre ansehen. Was Mesut bei Real Madrid geleistet hat, war wundervoll und mit das Beste, was ich je gesehen habe. Wie er sich bewegte, was für eine Qualität, was für eine Kontrolle, was für Pässe auf Cristiano (Ronaldo), der der Beste ist, mit dem ich zusammengespielt habe. Er ist ein unglaublicher Torjäger. Aber ich habe auch mit (Iker) Casillas gespielt, mit (Sergio) Ramos, einem der besten Innenverteidiger der Welt und aller Zeiten.“

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von
Filip Knopp

Begleitet den Mythos Real Madrid als Fan seit der Ära der „Galácticos“ und journalistisch bei REAL TOTAL seit Mitte 2011. Erfahrungen auch bei SPORT1 und SPOX, zudem Autor von »111 GRÜNDE, REAL MADRID ZU LIEBEN«.

Kommentare
Einmal bezeichnete ihn irgendeine Madrider Zeitung nach einem Auftritt als ''Geländewagen'' - ich finde, das passt ziemlich gut:D. Technisch nicht der Stärkste und zuweilen ziemlich hölzern, dafür ackerte er zuverlässig überall auf dem Feld und hielt anderen den Rücken frei.
 
Sehr schönes Interview. Demütig, dankbar, und reflektiert.
 
Mich stimmt vor allem der Teil mit den täglichen Anrufen von Ancelotti im Krankenhaus optimistisch. :)
Vielleicht ist er der richtige Mann zur richtigen Zeit für einige unserer Pflegefälle, um sie (wieder) aufzurichten.
 
Mich stimmt vor allem der Teil mit den täglichen Anrufen von Ancelotti im Krankenhaus optimistisch. :)
Vielleicht ist er der richtige Mann zur richtigen Zeit für einige unserer Pflegefälle, um sie (wieder) aufzurichten.

Ancelotti wird bei unseren zahlreichen Pflegefällen ein neues Handyabo abschliessen müssen:) Ne Spass, sehe es ähnlich.
 

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