
Ein „Weckruf“
MADRID. „Kein Drama“, befand Real Madrids Chefcoach Carlo Ancelotti nach der 0:1-Niederlage am 19. Spieltag in LaLiga gegen den FC Getafe. Gut, der Italiener weiß immerhin: „Wir sind weiter Tabellenführer und voller Hoffnung.“ Dennoch war die überraschende Pleite zum Start ins Jahr 2022 ein Paradebeispiel dafür, wie limitiert variabel die Königlichen – vor allem gegen tiefstehende Gegner – sind. Torhüter Thibaut Courtois sprach nach dem Rückschlag von einem „Weckruf“.
Ein fataler Fehler von Innenverteidiger Éder Militão lud Getafes Mittelstümer Enes Ünal in der 9. Spielminute ein – die Hausherren gingen früh in Führung. Im Anschluss setzte der Klub aus der Madrider Vorstadt alles daran, das Ergebnis zu verwalten und die Blancos im Zaum zu halten. Das gelang der Truppe von Chefcoach Quique Sánchez Flores mit Bravour. Auch deshalb, weil es Ancelotti und den Seinen an ausgeklügelten Wegen und Mitteln fehlte, um den Spielstand zu drehen.
Gehen Ancelotti die Formeln aus?
Getafe verteidigte heißblütig mit fünf Verteidigern, daran biss sich der spanische Rekordmeister die Zähne aus. Den Gästen fehlte ein klarer Spielplan, um die defensive Spielweise des Gegners auszuhebeln. „Wir“, so konstatierte Casemiro nach der Partie, „haben Probleme, wenn wir gegen Fünferketten spielen, nicht nur gegen Getafe. Die Spiele, die wir nicht gewonnen haben, waren diejenigen, in denen die Gegner hinten mit drei Innenverteidigern aufliefen“. Bereits gegen den FC Cádiz (0:0) taten sich die Merengues schwer. Gegen CA Osasuna (0:0) zeigte sich dasselbe Schema, die Erfolgsformel hatte man nicht parat.
Doch nicht nur die klare Spielidee fehlte wieder mal. Real scheint es in der Breite dazu an qualitativer Besetzung zu fehlen, um in einer solch vermeintlich schwierigen Partie das Ruder rumzureißen. Diesmal stand nämlich ob seiner Corona-Infektion in der Offenisvreihe kein Vinícius Júnior auf dem Rasen. Der 21-jährige Brasilianer hätte für Kreativität und Spielwitz sorgen können. Etwas, das seine am Sonntagnachmittag in Getafe auftretenden Kollegen gänzlich vermissen ließen. Marco Asensio enttäuschte mit einer schwachen Darbietung. Der 25 Jahre alte Mallorquiner zeigte dafür nach zuvor ordentlichen Auftritten: Die gewünschte Kontinuität krieg er wohl nicht mehr rein.
Ebenso wenig ausrichten konnte Rodrygo Goes. Die dafür eingewechselten Eden Hazard und Mariano Díaz vermittelten auch keine Gefahr. Bezeichnend für das Spiel, dass mit Luka Modrić und Casemiro zwei Mittelfeldspieler die nennenswertesten Torchancen der Königlichen verbuchten. Und Isco? Der 29-jährige Spanier konnte bei seinen ersten fünf Spielminuten nach dem 21. November (4:1 gegen den FC Granada) in effectu nichts mehr bewirken.
Für LaLiga reicht’s wohl – in der Champions League wird’s eng
Nach 20 gespielten Begegnungen in LaLiga grüßt Real mit 46 Punkten immer noch von der Tabellenspitze – mit acht Punkten Vorsprung auf den FC Sevilla, der bis dato zwei Spiele weniger bestritt. Die Madrilenen sind nichtsdestotrotz gewarnt. „Wir wissen“, versicherte Courtois, „dass die Liga bis in den Mai hineingeht und nichts schon im Januar gewonnen ist“.
In der Liga haben sich die Blancos bislang soweit souverän präsentiert. Von den 20 Partien gab es immerhin 14 Siege, vier Remis und mit Espanyol (1:2) und nun Getafe erst zwei Niederlagen. Mit Blick auf die kommenden Wochen und Monate dürfte alles daran gesetzt werden, um den starken Punkteschnitt von 2,30 pro Spiel aufrecht zu erhalten. Allerdings mögen angesichts der scheinbar mangelnden Variabilität Zweifel bestehen, wie die Königlichen etwaige Herausforderungen auf internationalem Terrain bewerkstelligen, wo Tagesform entscheidet und der Titel nicht in 38 Spielen ausgespielt wird.
Mit Paris Saint-Germain wartet im Achtelfinale ein Brocken, den es zu überwinden gilt. Schafft es Ancelotti mit seinen Männern ins Viertelfinale und darüber hinaus, warten womöglich noch stärkere, konstantere und variablere Gegner à la FC Bayern München, Manchester City, FC Chelsea oder FC Liverpool. Und ob Europas aktuelle Elite mit dem gegenwärtigen Spielkonzept und Kader auf Augenhöhe begegnet werden kann, wird sich zeigen.
In LaLiga jedenfalls scheinen die Madrilenen – trotz minimalen Form-Einbrüchen – stark genug zu sein, um am Ende die 35. Meisterschaft zu zelebrieren. Den eigenen Ansprüchen wird dieser Titel allein aber nicht genügen – um mehr zu erreichen, muss an den richtigen Stellschrauben gedreht werden. „Wir müssen die Partie in der Mannschaft analysieren und nach vorne schauen“, um es in Courtois’ Worten nach Getafe optimistisch wiederzugeben.
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