Kommentar

Dr. Jekyll und Mr. Hyde: Die zwei Seiten von Real Madrid gegen Alavés

Mit großer Anstrengung und phasenweise fast schon schleppend schafft es Real Madrid am 25. Spieltag mit 3:0 über die Ziellinie. Was am Ende wie ein klarer Sieg aussieht, gleicht in der ersten Halbzeit eher einem Trauerspiel. Carlo Ancelotti muss bei der Halbzeitansprache sehr klare Worte gefunden haben, denn nach einer knappen Stunde gibt die Elf des Italieners endlich ein Lebenszeichen von sich. Im Hinblick auf den Brocken, den Real mit PSG am 9. März vor sich hat, verliert das Ergebnis allerdings an Glanz…

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Real Madrid
Real am Ende doch noch siegreich: drei Tore trotz schwacher erster Halbzeit- Foto: IMAGO/Marca

Reals erste Halbzeit: Zahnloser Tiger

MADRID. Wenn eines nach der bitteren 0:1-Niederlage in Paris feststand, dann, dass nach vorn etwas passieren musste. Alle Augen waren im Champions-League-Achtelfinale auf Karim Benzema gerichtet, der nach seiner Muskelverletzung endlich wieder startklar war und die fehlende Torgefahr der Spiele davor wettmachen sollte. Was passierte? Nichts. Real Madrid war kaum in der Lage sich aus der eigenen Hälfte zu befreien, Paris‘ Dominanz war erschreckend. Dass Alavés, der kleine Klub aus dem Baskenland, 18. Platz in der Tabelle, solche Geschütze nicht auffahren könnte, war vorher schon klar. Umso besser die Chancen der Blancos, sich die Wunden zu lecken. Doch was passierte in den ersten 45 Minuten? Richtig: Auch (fast) nichts. Das Team in Weiß schaffte es eine dreiviertel Stunde lang nicht, ins Spiel zu kommen (immerhin 8:3 Abschlüsse, davno 2:2 aufs Tor) – gegen einen Gegner, der noch weniger entgegenzusetzen hatte. Man fragte sich: Wo ist die Spritzigkeit? Wo sind die Spielideen? Mit zwei Torschüssen, die die Bezeichnung „gefährlich“ nicht verdienten und 66 Prozent Ballbesitz verabschiedete sich Real in die Kabine und lies die Fans mit Fragezeichen zurück. Die Halbzeitansprache von Ancelotti musste gut werden…

Zweiter Durchlauf: In der 63. Minute endet der Dornröschen-Schlaf

… und die Halbzeitansprache hat anscheinend Wirkung gezeigt. „Ich habe in der Halbzeit gesagt, dass wir da mehr Qualität und Bewegung brauchen.“ So weit, so gut. Schon kurz nach Wiederanpfiff war zu spüren, dass etwas mehr “Bewegung” ins Spiel kam, wie von Ancelotti gefordert. Immer öfter spielten sich die Blancos in den Strafraum der Basken und auch die Fans stimmten in diesen Wandel mit ein – zuvor gab es sogar Pfiffe. Und dann war sie auf einmal wieder da, die Torgefahr und mit ihr die Tore: Marco Asensio (63.), Vinícius  Junior (80.) und Karim Benzema (90.+1), alle drei Offensiv-Spieler netzten ein und heizten die Stimmung auf. „Die Fans stehen hinter uns, wie immer. Sie sind wie immer nicht glücklich, wenn wir nicht gut spielen. Wenn wir gut spielen, dann schätzen sie das.“ Ja, die Fans haben die Leistungssteigerung in der zweiten Hälfte geschätzt, denn sie haben dann auch ihr Real Madrid spielen sehen, so wie sie es kennen. Am Ende: 23:7 Abschlüsse, 9:2 aufs Tor, darunter auch ein Pfostentreffer von Benzema.

Kann Real so gegen ein Paris Saint-Germain bestehen? Nein!

Bei aller Freude über den doch noch sehr positiven Ausgang des Spiels – betrachtet man die Details, kann hier wenig Zufriedenheit aufkommen und schon gar nicht mehr Selbstvertrauen, den – wenn auch knappen Rückstand –  gegen die Pariser zu drehen. Wenn man eines am Dienstagabend deutlich gesehen hat, dann, dass PSG diese Schwächen schamlos ausnutzen kann. Es ist von Glück die Rede, dass der Klub aus Paris, seine Chancen so schlecht verwertete. Einer der Schwachpunkte ist schon einmal entlarvt: „Es fällt uns etwas schwer, mit der nötigen Intensität ins Spiel zu kommen. Es ist eine Schwäche, die wir hatten und nun hoffentlich lösen. In der einen oder anderen Partie haben wir auch gut begonnen (…), seitdem hatten wir immer mehr Schwierigkeiten in den ersten Halbzeiten und weniger in den zweiten“, analysiert der Trainer.

Auch wenn PSG in der Liga selbst eine überraschende 1:3-Niederlage gegen Nantes einstecken musste und so zum Vorschein kommt, dass auch dort Schwächen vorhanden sind, heißt das nicht, dass Mbappé, Messi und Co. nicht alles versuchen werden, um das in der ersten Halbzeit gern lahmende Real Madrid schon auszuknocken, bevor es erwachen kann. Ancelotti: „Es ist auch so, dass die Gegner in der ersten Halbzeit viel machen und ihre Intensität in der zweiten nachlässt. Dann fühlen wir uns wohler.“ Auch das mag der Coach richtig erkannt haben, aber um Wohlfühlen geht es in der Champions League nicht und ein Paris, dass in der zweiten Halbzeit nachlässt, mit dem Gedanken im Hintergrund, den größten Verein der Welt aus dem größten internationalen Fußball-Wettbewerb zu kicken? Nein. Auch das wird nicht passieren.

Die Königlichen zeigen zu oft ihre zwei Gesichter, aber im Achtelfinal-Rückspiel darf in dieser gespaltenen Persönlichkeit der Mannschaft nicht der wahnsinnige Dr. Jekyll auftauchen, sondern Mr. Hyde muss es lösen – so wie in so vielen zweiten Halbzeiten.

Dennoch: Zwei Partien bleiben, um an den Stellschrauben zu drehen

Es ist ja noch nicht aller Tage Abend. Das Ergebnis beweist zumindest: Tore schießen geht also doch noch! Auch wenn Real stolze 63 Minuten (und eine 100-prozentige Chance der Gäste) benötigt hat, um damit anzufangen. Die Herausforderungen sind klar und Carlo Ancelotti darf sich jetzt der Aufgabe widmen, gegen Rayo Vallecano (26. Februar.) und Real Sociedad (5. März), seinem Team den letzten Feinschliff zu geben, bevor dann die große Aufgabe gegen Paris Saint-Germain wartet. Mit den Fans im Rücken, die an diesem 25. Spieltag trotz anfänglich sichtbarer Enttäuschung, hinten raus aufgedreht haben, ist sehr viel möglich und das Spiel dauert ja bekanntlich 90 Minuten. Aber genau so wichtig ist: es beginnt auch in der ersten.

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Kommentare
Da ist nicht mehr viel hinzuzufügen.

@janine, das Spiel gegen Nantes ging 3:1 aus.
 
Unter Zizou gab es gegen Ende auch solche eklatanten Unterschiede zwischen den Halbzeiten und die Partien wurden nur extrem mühselig zu Ende gespielt. Man gewann nur durch glückliche Einzelaktionen - das kommt mir sehr bekannt vor, wenn man sich das Weiterkommen im Pokal oder die letzten Siege anschaut. Am Ende war man komplett ausgelaugt und wurde von Chelsea im Rückspiel komplett vorgeführt und die Liga ging an Atletico, weil man ein einziges Unentschieden zu viel auf dem Konto hatte und der Tank komplett leer war. Schlimmstenfalls droht uns diese Saison ein ähnliches Szenario, denn wir sind schon zu lange außer Form, weil die ganze Saison über immer wieder dasselbe Personal überstrapaziert wurde und die Ersatzbank komplett außen vor war und überhaupt nicht eingespielt ist. Vom Fehlen einer soliden Spielidee bis zur ungenügenden Chancenerarbeitung ganz zu schweigen. Großartig viel hat sich zur letzten Saison nicht verändert, außer die Konkurrenz ist nochmals schwächer geworden, aber Carlo will das anscheinend noch unterbieten. Einziger Lichtblick ist Fede, aber ob er alleine ausreicht, um den Karren in der CL aus dem Dreck zu ziehen bzw. in der Liga über die Ziellinie zu drücken?
 
Unter Zizou gab es gegen Ende auch solche eklatanten Unterschiede zwischen den Halbzeiten und die Partien wurden nur extrem mühselig zu Ende gespielt. Man gewann nur durch glückliche Einzelaktionen - das kommt mir sehr bekannt vor, wenn man sich das Weiterkommen im Pokal oder die letzten Siege anschaut. Am Ende war man komplett ausgelaugt und wurde von Chelsea im Rückspiel komplett vorgeführt und die Liga ging an Atletico, weil man ein einziges Unentschieden zu viel auf dem Konto hatte und der Tank komplett leer war. Schlimmstenfalls droht uns diese Saison ein ähnliches Szenario, denn wir sind schon zu lange außer Form, weil die ganze Saison über immer wieder dasselbe Personal überstrapaziert wurde und die Ersatzbank komplett außen vor war und überhaupt nicht eingespielt ist. Vom Fehlen einer soliden Spielidee bis zur ungenügenden Chancenerarbeitung ganz zu schweigen. Großartig viel hat sich zur letzten Saison nicht verändert, außer die Konkurrenz ist nochmals schwächer geworden, aber Carlo will das anscheinend noch unterbieten. Einziger Lichtblick ist Fede, aber ob er alleine ausreicht, um den Karren in der CL aus dem Dreck zu ziehen bzw. in der Liga über die Ziellinie zu drücken?

Ich habe gestern zum 1. Mal erfahren, dass Carlo nur 4 Meistertitel als Trainer gewonnen hat, 2 davon waren Pflicht. PSG & Bayern! Ich war geschockt und zugleich, wenig überrascht. Also zieht es sich seit 30 Jahren, dass er seine gesamte Mannschaft über die Saison verbrennt. Durchgehend Plan A, mit vollem Karacho gegen die Wand fahren.
 
Der Artikel trifft es ganz gut: das 3:0 täuscht über den spielverlauf gewaltig hinweg. Man darf auch nicht vergessen, dass wir Alaves kurz vor unserem 1:0 noch mit einem Riesenbock fast ein Tor aufgelegt hätten. Sowas lässt Paris natürlich nicht liegen.
Ich persönlich glaube ja, dass Paris das Rückspiel sogar noch mehr liegt: sie können mit ihren schnellen Spielern kontern, werden viel mehr Räume haben mit zunehmender Spieldauer. Und sollten sie dann noch in Führung gehen, weil wir die ersten Minuten wieder nicht voll da sind, wird es umso schwerer.
Deshalb muss sich einige ändern: Taktik, Wachheit, Mentalität, Aggressivität…
 
Ich habe gestern zum 1. Mal erfahren, dass Carlo nur 4 Meistertitel als Trainer gewonnen hat, 2 davon waren Pflicht. PSG & Bayern! Ich war geschockt und zugleich, wenig überrascht. Also zieht es sich seit 30 Jahren, dass er seine gesamte Mannschaft über die Saison verbrennt. Durchgehend Plan A, mit vollem Karacho gegen die Wand fahren.

Bei seinem Liga-Titel mit Chelsea hatte Carlo nur einen Punkt Vorsprung auf United, überzeugend war nur der damalige Ligagewinn mit seiner legendären Milan-Mannschaft (11 Punkte Vorsprung). Paris und Bauern kann man sich sparen, wie du schon sagst. Er meinte ja sogar selbst, dass München immer Meister wird, ohne die Hände aus den Hosentaschen zu nehmen. Ich befürchte, unsere Liga-Saison wird noch eine ekelhafte Zitterpartie auf der Zielgeraden werden.
 
Ich würde mal gerne ein Spiel sehen, in dem die "8er-Positionen" aus Aseniso und Valverde bestehen. Wer den 6er macht, ist mir relativ egal. Allerdings wirkt Asensio auf dem Flügel fast schon hilflos und ausgebremst. Er hat bereits 10 Scorerpunkte, das ist nicht schlecht. Allerdings quasi alle aus spektakulären Einzelaktionen. Für mich wirkt er einfach total ausgebremst. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass wenn er erstmal den Ball in der richtigen Position auf dem Schlappen hat, dieser in 2 von 5 Situationen eine brutal gefährliche Situation rausmacht. Alleine sein Körperbau bzw. Beweglichkeit spricht für mich schon gegen eine Flügelposition.
 
Ich habe gestern zum 1. Mal erfahren, dass Carlo nur 4 Meistertitel als Trainer gewonnen hat, 2 davon waren Pflicht. PSG & Bayern! Ich war geschockt und zugleich, wenig überrascht. Also zieht es sich seit 30 Jahren, dass er seine gesamte Mannschaft über die Saison verbrennt. Durchgehend Plan A, mit vollem Karacho gegen die Wand fahren.
Die Definition von Wahnsinn...
 
Kurz und bündig dieser Trainer muss weg das ist die einzigste Lösung.
Die Mannschaft wirkt wirklich schon komplett müde und dieser sturkopf möchte seine Theorie von Fußball nicht ändern also muss der einfach weg. Die Spieler mit der Nummer 12 bis 25 im Kader langweiligen sich auf der bank.
Wenn ich dann noch lese dass der erst vier Meisterschaften gewonnen hat in seiner Karriere als Trainer obwohl der schon seit 30 Jahren dabei ist das sagt alles aus.
Hala Madrid
 
ich bitte euch RT: Ancelotti war also der Heilsbringer in dem Spiel, weil Dank seiner Ansprache die Partie gewonnen werden konnte?

Vielmehr regt sich die Mannschaft insgesamt (alle) selbst auf und versucht daher ohne ordentliche Einstellung durch den Trainer alles rauszuholen, was möglich ist.

Und ein "letzter Feinschliff" ist auch eine Formulierung, dessen Naivität nicht zu übertreffen ist. Wir brauchen also nur einen letzten Feinschliff, um aus der Krise zu kommen?

Checkt ihr es einfach nicht? Selbst wenn wir gegen Paris gewinnen, selbst wenn wir die Liga holen und im CL Finale rausfliegen, muss der Typ weg!

Es geht nicht um Sieg oder Niederlage. Es geht um den Auftritt, es geht darum, dass bei uns Sieg und Niederlage oft vielmehr vom Glück als von Leistung der Mannschaft oder des Trainers abhängen. Wenn du Glück oder eine besondere Einzelleistung brauchst, um zu gewinnen, dann läuft etwas gehörig schief.
 

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