Analyse

Analyse: Struktur, Ideen, Richtung – Alonsos frühe Handschrift

Die Klub-WM 2025 dient Real Madrid nicht nur als weiteres Titelziel, sondern auch als erster Prüfstein für das neue Trainerteam um Xabi Alonso. Nach dem durchwachsenen 1:1 gegen Al-Hilal und dem 3:1-Erfolg gegen CF Pachuca steht der spanische Rekordmeister mit vier Punkten ordentlich da – agiert aber, wenig überraschend, noch nicht vollends souverän. REAL TOTAL analysiert die vier wichtigsten taktischen Erkenntnisse aus den ersten beiden Pflichtspielen unter dem neuen Coach.

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Aktiv an der Seitenlinie: Xabi Alonso hat bei Real Madrid noch einiges zu tun, um seine Handschrift zu implementieren, ist aber auf einem guten Weg – Fotos: Getty Images

1. Veränderungen im Spielaufbau: Courtois als Teil der ersten Linie

Xabi Alonso setzt auf Struktur – vor allem im Spiel mit dem Ball. Besonders auffällig ist die neue Rolle von Thibaut Courtois, der im Aufbau deutlich aktiver eingebunden wird. Gegen Al-Hilal und Pachuca lässt sich der Belgier situativ zwischen die Innenverteidiger fallen und erweitert die erste Linie zu einer dynamischen Dreierkette, um Pressingsituationen mit zwei gegnerischen Angreifern zu umspielen – ohne dabei einen Mittelfeldspieler opfern zu müssen.

In Spielaufbausituationen schaltet sich Thibaut Courtois häufiger mit ein, um die erste Reihe des Gegners zu überspielen – Screenshot: DAZN

Auf der linken Seite rückt Fran García in höheren Feldzonen regelmäßig in die Dreierkette ein, wodurch Vinícius Júnior weiter aufrücken kann. Auf rechts interpretiert Trent Alexander-Arnold seine Rolle erwartungsgemäß offensiv und bewegt sich häufig ins Mittelfeldzentrum, agiert teilweise sogar wie ein Achter. Alonsos Aufbau wirkt in diesen Phasen asymmetrisch, variabel und überzahlsuchend – also deutlich strukturierter als in vielen Partien der Vorsaison.

In höheren Feldpositionen rückt zumeist Fran García in den Dreieraufbau, während Trent Alexander-Arnold hochschiebt (und in der nächsten Reihe einrückt), um eine Anspielstation mehr in der Tiefe zu haben – Screenshot: DAZN

2. Struktur im Pressing – aber noch mit Abstimmungslücken

Auch gegen den Ball zeigt sich unter Xabi Alonso eine klarere Struktur. In beiden Partien ist zu erkennen, dass Real neue Pressingmuster einstudiert. Gegen Al-Hilal beginnt die Partie mit einer hohen ersten Linie – allerdings ohne den gewünschten Effekt: Der saudische Vertreter nutzt die Lücken im zentralen Mittelfeld immer wieder mit simplen, vertikalen Bällen hinter die Abwehrkette.

Reals hohes Pressing wird in der Anfangsphase einfach überspielt. Der Raum zwischen den pressenden Spielern und der Viererkette ist zu groß – Screenshot: DAZN

Alonso reagiert frühzeitig, ordnet ein etwas tieferes Anlaufen an und stellt situativ vom bisherigen 4-3-3 auf ein kompaktes 4-4-2 um. Diese Anpassung zeigt Wirkung – doch gleichzeitig wird deutlich: Die kollektive Intensität fehlt noch, und die Abstimmung zwischen den Linien ist ausbaufähig. Während Spieler wie Aurélien Tchouaméni durch gutes Antizipieren und Zweikampfstärke auffallen, wirken andere – etwa Vinícius Júnior oder Fran García – im Pressingverhalten zu zögerlich. Der Raum zwischen Offensive und Mittelfeld bleibt dadurch eine strukturelle Schwachstelle.

3. Wacklige Defensive: Huijsen & Co. mit Problemen bei langen Bällen

Eine der größten Baustellen bleibt das Defensivverhalten gegen lange Bälle – auch wenn Real unter Alonso in Ansätzen eine etwas verbesserte Grundstruktur zeigt. Gegen Al-Hilal werden jedoch mehrfach deutliche Abstimmungsprobleme in der Kette sichtbar. Dean Huijsen, der als linker Innenverteidiger startet, agiert zwar umsichtig, kann aber keine echte Ordnung stabilisieren. Auch Tchouaméni, der situativ aus dem Mittelfeld heraus aushilft, bekommt die Tiefe nicht dauerhaft kontrolliert.

Das Hauptproblem liegt in den fehlenden Automatismen: Raúl Asencio beispielsweise agiert oft unglücklich, orientiert sich bei Rückwärtsbewegungen nicht früh genug – was vor seiner Roten Karte ebenfalls auffällt, als Huijsen das Abseits aufhob und Asencio zu spät reagierte. Auch gegen Pachuca wird Real insbesondere in der Anfangsphase mehrfach mit einfachen langen Bällen hinter die letzte Linie überspielt. Dass Courtois mehrfach stark rettet, verhindert Schlimmeres – ändert aber nichts an der strukturellen Anfälligkeit.

Huijsen (grüner Kreis) antizipiert den langen Ball, der aufgrund der geringen Intensität in Vinícius’ (gelb) Anlaufverhalten gespielt werden kann, und lässt sich fallen, Asencio und Alexander-Arnold (rot) beachten Huijsens Höhe nicht und setzen sich zu sptät ab – Screenshot: DAZN

In vielen Phasen fehlt es Real zudem an kollektiver Ballorientierung: Der Gegner bekommt zu wenig Druck auf den Ballführenden, was präzise Zuspiele in die Tiefe begünstigt. Die Probleme sind dabei nicht allein der Viererkette zuzuschreiben, sondern vielmehr ein mannschaftstaktisches Thema. Immerhin: Huijsen, mit über 50 Prozent gewonnenen Zweikämpfen, wirkt als Typ dennoch wie ein Versprechen für die Zukunft.

Kreativität im letzten Drittel: Gegen den tiefen Block fehlt noch die Idee

Auch unter Xabi Alonso tut sich Real Madrid schwer, wenn der Gegner tief steht. In beiden Partien dauert es lange, bis sich klare Torchancen ergeben. Nur vier Großchancen gegen Al-Hilal, drei gegen Pachuca – gemessen an der individuellen Qualität im Kader ist das zu wenig, trotz acht respektive sieben Ausfällen sowie der frühen roten Karte im zweiten Spiel. Die Positionsangriffe wirken oft zu statisch, das Tempo im Kombinationsspiel fehlt.

Gülers Einwechsung zeigt gegen Al-Hilal Wirkung. Aus verhältnismäßg tiefer Position agierend, setzt der türkische Nationalspieler seine Mitspieler immer wieder in Szene. Durch die taktische Umstellung bieten sich zudem mehr Anspieloptionen in der Tiefe – Screenshot: DAZN

Positiv: Alonso reagiert situativ und erkennt, wo er Impulse setzen kann. Gegen Al-Hilal bringt er Arda Güler zur Halbzeitpause, der mit drei Key-Pässen sofort Wirkung entfaltet und das Spiel aus der Tiefe intelligent lenkt. Dadurch kann Valverde offensiver agieren und sich häufiger in torgefährliche Räume einschalten. Die Idee ist erkennbar – die Umsetzung noch zu inkonsequent.

Erfreulich ist zudem das Auftreten von Gonzalo García, der sich als nominelle Neun sowohl in als auch aus der Tiefe gut bewegt und Räume für Mitspieler schafft. Gut möglich, dass der Youngster in den kommenden Wochen mehr Einsatzzeit erhält – auch wenn offensiv die Rückkehr von Kylian Mbappé bevorsteht und zusätzlich (theoretisch) auf dem Transfermarkt nachgelegt werden könnte.

Fazit: Struktur erkennbar – aber noch kein funktionierendes System

Xabi Alonso setzt früh erste taktische Impulse: Der Spielaufbau ist klarer strukturiert, das Pressing etwas planvoller und die Positionsmechanismen im letzten Drittel mutiger als zuletzt unter Ancelotti. Doch nach den ersten beiden Auftritten bei der Klub-WM 2025 wird deutlich: Die Umsetzung hapert noch an mehreren Stellen. Die Defensive bleibt wacklig, das Pressing inkonsequent, das Spiel gegen tiefstehende Gegner oft zu ideenlos. Auch wenn einzelne Anpassungen – etwa durch Güler oder den tieferen Aufbau über Courtois – funktionieren, fehlt es an Kompaktheit, Tempo und Automatismen. Die Klub-WM in den USA ist bislang keine Machtdemonstration, aber ein taktisches Labor. Alonso setzt auf Struktur, Detailarbeit und Positionsspiel – der Weg ist erkennbar. Die Bilanz nach zwei Partien: Vier Punkte, viele Erkenntnisse – und noch einiges zu tun.

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Kommentare
Schöne Analyse und gut graphisch aufbereitet!
Sieht unter Alonso endlich wieder wie "durchdachter Fußball" aus :dance2:
Möge es noch besser/eingespielter werden... Dann - und vorausgesetzt es kommt noch ein neuer LV - wird mit uns titeltechnisch in allen Bewerben zu rechnen sein.
:flag:
 
Mit titeltschnisch allem rechnen wäre ich vorsichtig.dachte ich für meinen teil schon letzte saison mit mbappe das wir alles zerschiessen .naja,hat nicht geklappt.minimalziel für mich ist ….farca auf abstand halten
 
Also angesichts der Wetterlage, der völlig neuen Zusammenstellung von Trainer, Spieler und fehlenden Spielern, bin ich grundsätzlcih guter Dinge, da schon Einiges (wie ihr auch sagt) erkennbar ist. Xabis Ideen sind komplex, anspruchsvoll und laufintensiv und darum wird das auch noch Zeit brauchen. Das kommt schon :)
 
Ich weiß nicht was ich von diesen "hochkomplexen" taktischen Vorgaben halten soll. Fußball ist doch im Grundsatz ein sehr einfacher Sport. Gerade im Angriff geht es darum situativ 2gg2, 3gg3, 3gg4 oder 4gg4-Duelle auszuspielen. Da entscheidet individuelle Qualität und das Feeling unter den Spielern. Nach der Auflösung dieser Situationen werden für den Abschluss Grundlagen vom restlichen Mannschaftsteil geliefert (Boxbesetzung, Rückraumbesetzung, usw...)
Organisation braucht es in erster Linie im Defensivverbund und da ist das 442 oder 451 das mit Abstand beste System. Ich finde eine Mannschaft braucht Struktur, sollte aber nicht mit Vorgaben überladen werden. Wichtiger ist es eine Harmonie und ein Gleichgewicht in der Mannschaft zu schaffen. Wenn ich mir so ansehe was Trainerkollegen alles aufwendig in Videos und an der Tafel aufbereiten...auf dem Feld ist dann meist nicht viel davon zu sehen und die meisten Spieler wirken überfordert. Natürlich kann man von Vollprofis mehr erwarten als im Amateurbereich, aber gerade Spielertypen wie Vini, Arda, Brahim oder Rodrygo nimmt man durch dieses Überladen ihre Natur. Auch Bellingham ist ein "wildes Pferd" das man eher von der Leine lassen muss als es am Zügel zu führen. Das große Erfolgsgeheimnis der BBC bzw. KMC-Zeit war die Mischung aus Kontrolle im Mittelfeld und Entfesselung des Angriffs. Dazu noch die Kreativität der AV und die Überragenden Qualitäten im 1gg1 der IV. Fazit: eine erfolgreiche Mannschaft wird nicht auf dem Taktikboard erstellt, sondern lebt von Menschen, Typen, Individualisten die vom Orchesterleiter zu einer Symphonie zusammengeführt werden. Ancelotti war über Jahre ein Meister darin, so wie Zizou. Alonso wird seinen eigenen Weg gehen. Ob dieser für Real Madrid und seine "estrellas" passt werden wir sehen.
 
@zizou05 :Stimme ich dir zu. Ich glaube aber, dass Alonso auch viel mit Prinzipien arbeitet (Steil-Klatsch, aus der Tiefe in die Tiefe, ...) - und einen Torhüter einzubeziehen oder im Dreieraufbau gegen zwei Stürmer zu agieren, ist ja nicht besonders komplex... Aber im Kern stimme ich dir zu: War auch immer Team Zizou und Ancelotti - einfach weil sie das Spiel nicht verkompliziert haben... Wobei ich mir im Pressing (egal ob hoher, Mittel- oder tiefer Block) schon mehr Klarheit wünschen würde als zuletzt.
 
Ich weiß nicht was ich von diesen "hochkomplexen" taktischen Vorgaben halten soll. Fußball ist doch im Grundsatz ein sehr einfacher Sport. Gerade im Angriff geht es darum situativ 2gg2, 3gg3, 3gg4 oder 4gg4-Duelle auszuspielen. Da entscheidet individuelle Qualität und das Feeling unter den Spielern. Nach der Auflösung dieser Situationen werden für den Abschluss Grundlagen vom restlichen Mannschaftsteil geliefert (Boxbesetzung, Rückraumbesetzung, usw...)
Organisation braucht es in erster Linie im Defensivverbund und da ist das 442 oder 451 das mit Abstand beste System. Ich finde eine Mannschaft braucht Struktur, sollte aber nicht mit Vorgaben überladen werden. Wichtiger ist es eine Harmonie und ein Gleichgewicht in der Mannschaft zu schaffen. Wenn ich mir so ansehe was Trainerkollegen alles aufwendig in Videos und an der Tafel aufbereiten...auf dem Feld ist dann meist nicht viel davon zu sehen und die meisten Spieler wirken überfordert. Natürlich kann man von Vollprofis mehr erwarten als im Amateurbereich, aber gerade Spielertypen wie Vini, Arda, Brahim oder Rodrygo nimmt man durch dieses Überladen ihre Natur. Auch Bellingham ist ein "wildes Pferd" das man eher von der Leine lassen muss als es am Zügel zu führen. Das große Erfolgsgeheimnis der BBC bzw. KMC-Zeit war die Mischung aus Kontrolle im Mittelfeld und Entfesselung des Angriffs. Dazu noch die Kreativität der AV und die Überragenden Qualitäten im 1gg1 der IV. Fazit: eine erfolgreiche Mannschaft wird nicht auf dem Taktikboard erstellt, sondern lebt von Menschen, Typen, Individualisten die vom Orchesterleiter zu einer Symphonie zusammengeführt werden. Ancelotti war über Jahre ein Meister darin, so wie Zizou. Alonso wird seinen eigenen Weg gehen. Ob dieser für Real Madrid und seine "estrellas" passt werden wir sehen.
Bei Zizou empfand ich’s ganz gegenteilig. Unter seiner Regie empfand ich den psychologischen Aspekt und das Management aller Interessenten (Spieler) schlechter als zB unter Ancelotti. Es wirkte auf mich wie eine Rückkehr zu Mou’s Zeiten.
 
Naja, sind wir ehrlich, das erste Spiel war noch Ancelotti Ball und das Spiel jetzt mit der roten Karte auch wenig repräsentativ. Die ganze Klub-WM wird uns nicht wirklich Aufschluss bringen (mit der fehlenden Vorbereitung) über unsere neue Spielweise. Nach den ersten 10 Liga Spielen wird man was sehen müssen. Bei PSG hat man ja gesehen, die haben sogar bis zur Rückrunde gebraucht. Dennoch natürlich gut und journalistisch wichtig, dass diese Analysen gemacht werden und spannend wenn man vielleicht schon Ansätze erahnen kann die sich durchsetzen werden.
 

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