Ich kann die ewige (sorry für meine Ausdrucksweise) Scheisse von wegen "richtiger" Fans langsam auch nicht mehr lesen. Man ist kein "besserer" Fan wenn man blind alles runterschluckt und berechtigte und gut begründete Kritiken mit dem ewigen Totschlagargumenten "lächerlich", "Hobbytrainer" und eben "ihr seid keine richtigen Fans" ausblenden will. Umgekehrt ist man natürlich auch nicht besser, wenn man ständig alles und jeden kritisiert, aber die Welt ist nicht Schwarz Weiss und lässt Platz für Nuancen. Ich habe hier wirklich niemanden gesehen, der sich nicht über die Remontada gefreut hat, ich habe es selber gefeiert als wäre es ein CL Sieg, und es wird die Saison für mich in einem deutlich besseren Licht dastehen lassen und zurecht als legendärer Moment in die Geschichte eingehen. Aber mal ganz nüchtern betrachtet waren es 30 starke Minuten in einem CL Achtelfinale, nachdem man 120 Min nicht den Hauch einer Chance hatte und davor 20+ Spiele mühsam vor sich hin gewürgt hat, und damit sind nicht automatisch alle Probleme verschwunden. Ich denke auch die meisten Fans würden dem Verein ins Mittelfeld der Liga oder gar in die 2te Liga folgen und ich gebe mir möglich, so viele Spiele wie möglich zu schauen. Aber ich verstehe jeden, der nach 5 Jahren Magerkost vielleicht nicht mehr den ganz grossen Hype verspürt.
Was mich, neben dem Reklamieren des nicht vorhandenen moralischen Highgrounds, am meisten nervt, ist dass manche (nicht alle) "besseren" Fans anscheinend selber nicht so recht wissen, was sie wollen. Man mag von der kritischeren Teilen der Fanbase halten was man will, aber was man uns sicher nicht vorhalten kann ist Inkonstanz. Es sind die ewig selben Punkte, die seit Jahren bemängelt werden, oder Probleme, die letztendlich darauf zurückzuführen sind. Macht der Verein Dinge gut und liefert, wird das auch anerkennt und gelobt. Läuft es mal weniger gut sind es halt oft genau die Dinge, die sich schon lange abzeichnen, und die sich auch nicht ändern werden, wenn man nicht aktiv daran arbeitet. Aber viele Fans auf der Seite haben seit Jahren eine ähnliche und konstante Meinung und Einschätzung der Dinge. Auf der anderen kippt es dafür gefühlt mehrmals pro Saison vom einen ins andere Gegenextrem. Noch im Dezember konnte man sich hier anhören, dass man eine extremistische Minderheit sei, die keineswegs die Mehrheit der Fanbase vertritt (hat auch keiner behauptet) und ein falsches Bild abgibt. Im Januar, als man dann aus dem Pokal flog und es zu Harzen begann, war sich dann plötzlich eine Mehrheit einig, dass es nicht mehr läuft und Carlo besser gehen soll, einige liessen sich 2 Monate kaum mehr blicken. Jetzt hatte man 30 starke Minuten und manche springen sofort wieder ins Gegenextrem und einige der Vermissten tauchen urplötzlich wieder auf. Entweder wird sind "Fake Fans" und es läuft alles perfekt oder es gibt tatsächlich Problemstellen. Was jetzt? Letzteres schliesst übrigens starke Leistungen und legendäre Momente nicht aus und umgekehrt. Ich kenne keinen Verein, der in der Wahrnehmung mancher Fans so oft von der absoluten Elite Europas zur Kreisligamannschaft, die von Barca vernichtet wird und zurück wechselt basierend auf einzelner Ereignissen. Und das kommt nicht zwingend aus der eher kritischen Ecke der Fans. Die Wahrheit liegt am Ende irgendwo dazwischen (3 Euro ins Phrasenschwein)
Ich teile übrigens
@ageyouelkay 's Einschätzung bezüglich Zidanes erster Amtszeit überhaupt nicht und würde sie sogar eher noch als underrated bezeichnen, aber dazu haben andere schon einiges gesagt und es ist seine Meinung, die er haben kann, ohne dass ständig die nichtssagende "Fake Fan" Karte gezogen wird. Wo ich mitgehe ist, dass Zidane absolut nicht der Typ Trainer ist, den wir aktuell brauchen (was auch seine 2te Amtszeit gezeigt hat) und auch Carlo zu diesem Typ gehört. Man kann anderer Meinung sein, aber sollte dass dann auch wie er sachlich und respektvoll begründen und andere Einschätzung akzeptieren können statt sich ständig hinter dem Scheinargument und leeren Worthülsen des angeblich "besseren" Fans verstecken zu müssen.
Um mal zum eigentlichen Thema zurück zu kommen:
Ich muss ehrlich sagen ich finde es sehr schade und teilweise auch fragwürdig, was jetzt bei Chelsea abgeht. Ist es moralisch verwerflich, Abstufungen bei Oligarchen/Scheichklubs zu machen? Vielleicht, trotzdem würde ich Chelsea niemals auf eine Stufe mit City oder gar PSG setzten. Sie haben sicher von Abramovichs Millionen profitiert, aber nie in dem Ausmass wie PSG oder City und sind in meinen Augen eher ein klassischer Fussballverein geblieben, der sich auch immer wieder neu erfinden konnte, nach den ersten Erfolgen mit Mou, nach dem "Finale Dahoam" nach der Ära Hazard. Ich hätte 2019 gedacht, dass sie es schwer(er) haben werden, weiter oben mitzuspielen, Tuchel und letzte Saison haben mich deutlich eines besseren belehrt. Ich kenne Abramovichs Verbindungen zu Putin zu wenig, um die Sanktionen beurteilen zu können. Aber hat immerhin angeboten, den Verein freizugeben und noch sämtliche Schulden zu tilgen. Dass das jetzt verhindert und Chelsea damit anscheinend an den Rand der Insolvenz getrieben wird, kann ich persönlich nicht nachvollziehen. Ich verurteile Putins Angriffe und alle, die das Ganze mittragen/relativieren genauso, aber dafür kann bei Chelsea niemand direkt etwas und jetzt zig Existenzen dafür zu zerstören, kann weiss Gott nicht das Ziel sein.
Wenn man nun Wunschkonzert spielen darf, James, Rüdiger, Azpilicueta, Christensen und Marcos Alonso wären alle eine Überlegung wert. Im Mittelfeld bin ich ein grosser Fan von Havertz, aber das macht momentan keinen Sinn, und offensiv sind wir mit Hinsicht auf Mbappe sehr gut besetzt.
Und natürlich Tuchel. Ich würde ihn aktuell schon fast als meinen Topkandidaten sehen. Nagelsmann ist auf absehbare Zeit nicht verfügbar, Klopp wohl erst 2024 und bei ihm und Poche habe ich gewisse Vorbehalte. Ten Haag, Gallardo, Xabi Alonso und Raul wären alle einen Versuch wert, verbunden mit gewissen Risiken. Aber wenn Tuchel verfügbar ist, würde ich ihn holen. Er hat alles, was ein moderner Trainer braucht (und uns momentan zum Teil fehlt), klare Philosophie, variable Taktiken und Systeme, Anpassungsfähigkeit, viel Ballbesitzt, Pressing und Offensivfussball, und er kann sehr gut mit Talenten, ich denke Cama, Fede, Vini usw. könnten unter ihm nochmal einen riesigen Schritt macht. Und er schreckt auch nicht davor zurück, Dinge anzusprechen, wenn es nicht läuft. Man muss dabei nicht wie Mou komplette Karrieren zerstören, aber ich mag Trainer, die das Kind beim Namen nennen und sich nicht hinter Träumereien und Floskeln verstecken. Die grossen Argumente gegen ihn waren ja immer noch kein grosser Verein, kein grosser Titel und kann nicht mit Stars. Alle drei sollten nach den letzten 3 Jahren eigentlich behoben sein. Unter ihm war PSG mehr eine Mannschaft als davor und danach und auch näher an der CL als jeh und er hat Chelsea in keinen 3 Monaten von einem kriselnden oberen Mittelfeld Team zum CL Sieger und Meisterschaftsmitreder geformt.
Was sein Ruf als "schwieriger Typ" angeht bin ich immer vorsichtig. Denn es gibt Typen, die wirklich schwierig sind und solche, die als "schwierig" angesehen werden, weil sie halt den Status Quo aufbrechen und ihre eigene Ansichten einbringen, und dafür halt manche aus ihrem gemachten Nest holen. Tuchel würde ich eher als letzteres einschätzen. Kann das ein Problem sein? Vielleicht, gleichzeitig werden wir nicht vom Fleck kommen, wenn man nie etwas neues wagt. Die CL Generation konnte sich jetzt 5 Jahre im gemachten Nest mit vertrauten Trainern und Umständen ausruhen, irgendwann muss Schluss sein. Mit CR und Ramos sind die zwei "schwierigsten" Typen mittlerweile weg und die Jungen sowie auch Benzema, Modric, Kroos und co scheinen mir eher der Typ Mensch zu sein, die sich auf etwas einlassen und sich anpassen können. Insofern würde ich es wagen.
Somit bleibt noch die Sprachbarriere als potenzielles Hindernis. Aber daran kann man arbeiten. Das ganze garantiert natürlich keinen Erfolg, aber so eine Garantie gibt es sowieso nie, auch mit Carlo, Zidane zum 3ten oder wem auch immer nicht. Ich würde wirklich gerne mal sehen, was jemand wie Tuchel mit unserem Kader anstellen kann. Wenn es am Ende failt, sei es so, aber man hat zumindest mal etwas gewagt.