Carlo hatte seine sture Seite und seine Rotationspolitik war nicht richtig. Aber das fällt aus neutraler Sicht nicht derart ins Gewicht, dass er nun als der Buhmann der letzten Saison gilt. Die Kritik an Carlo ist überhart. Ob Jese oder Illaramendi spielen oder nicht interessiert einen Teil der Fans, aber nicht jedem. Stammplatzgarantien gibt es ebenso bei allen anderen Trainern und sie haben dafür Gründe. Das ist ja nicht Fifa, wo man den Kader täglich nach Tageslaune an allen Ecken und Enden ändert. Manchmal genügt es sich einfach mal das Spielmaterial anzuschauen und rational als emotional zu entscheiden. Aber das Thema nimmt viel zu viel Platz ein meines Erachtens und liefert keinerlei Antworten.
Mich interessiert es zunächst ein mal WIE ein Trainer spielen lässt. Real Madrid sollte offensiv und selbstbewusst spielen und das hat Carlo auch verstanden. Wenn selbst ein Klub wie PSG, der keine große Tradition hat im Weltfußball, über uns sagt, wir wären defensiv eingestellt und das auch noch tatsächlich stimmt, dann ist es wie ein Schlag ins Gesicht. Wenn wieder Zeiten anbrechen in denen wir Spiele gegen Barca verlieren, weil wir einfach nicht an den Ball kommen, dann ist das auch ein Rückschritt. Wir sind mit diesen Spielern aber dazu prädestiniert anspruchsvollen Fußball zu spielen. Rafa macht in der Rotation alles richtig, aber er sollte die Mannschaft weiter so spielen lassen wie wir es unter Carlo gemacht haben. Gestern war das der unstrukturierteste Blödsinn den ich je gesehen habe. Da hat einfach die Ruhe und Kontrolle gefehlt und darauf sollten wir bauen und nicht mit einem Bale als Spielmacher, der den Ball so schnell wie möglich nach vorne trägt. Das ist nicht der richtige Stil für dieses Team.
Carlos Sturheit und Unbelehrbahrkeit hat uns letzte Saison am Ende alle Titel und ihn den Job gekostst. Man hat sich deswegen gegen Atletico 0:4 blamiert und auch sonst x mal nicht gut ausgesehen. Man wäre gegen Schalke fast rausgeflogen und dann verdient gegen Juve. Insofern fällt das sehr wohl ins Gewicht, auch neutral betrachtet.
Um eines klarzustellen, für mich ist Carlo nicht der (alleinige) Buhmann von letzter Saison, er hat am Ende auch nur die Scheisse ausbaden können, die Perez im Sommer wieder angerichtet hat. Trotzdem hat er seinen Anteil an der schwachen Rückrunde. Wäre er nicht so unglaublich stur gewesen, was Taktik, Rotation usw. betrifft, wären die Dinge vielleicht anders/besser laufen. Kann sein, dass die bzw. meine Kritik übertrieben ist, genauso übertrieben ist allerdings diese ewige Lobhudelei, die nun überall betrieben wird. Carlo ist kein unfehlbarer Gott, sonst wäre er noch hier. Hätte Ramos nicht in der 93min den Kopf hingehalten, hätte er womöglich 2014 gehen müssen und keine Sau würde ihn vermissen. Und man hat ihm 2013 in den Anfängen genau dieselben Dinge vorgeworfen wie nun Benitez, nun wird er als unfehlbar gefeiert, Doppelmoral lässt grüssen.
Ob und vor allem wie oft Jese oder Illarramendi spielen, hat halt durchaus einen Einfluss auf das Team. Was passiert, wenn man die Stammelf in der Hindrunde zu Tode spielen lässt, hat man ja gesehen letzte Saison. Mir geht es nicht darum, das sie vorgezogen werden weil sie Canetranos, Spanier oder was auch immer sind. Aber der Sinn von solchen Spielern ist doch Hauptsächlich, dass sie das Team entlasten und aushelfen können, aber das wird halt schwer, mann sie als Zeitschindungsmittel in der 93min missbraucht. Stammplätze gibt es überall, das stimmt, nur haben sie meistens sportliche Gründe und sind auch berechtigt. Ein Bale in der Verfassung von letzter Saison wäre sicher nicht überall Stammspieler gewesen, am Ende zählt die Leistung auf dem Platz, nicht x Millionen Gründe. Ist unser Spielmaterial denn so eindeutig und selbverständlich? Wir haben tonnenweise Spieler für kreativen Ballbesitzfussball, aber unsere grössten Waffen in der Offensive sind zwei auf Konter ausgelegte Raketen. Das geht halt irgendwo nicht auf bzw. will ich den Trainer sehen, der das absolut perfekt miteinander verbindet. Carlo hatte ein paar gute Ansätze, mit Balancespieler Di Maria und später ohne Bale, aber alles absolut unter einen Hut zu bekommen hat auch er nicht geschafft. So eindeutig ist unser Kader mMn eben nicht. Die ganze Diskussion führt schlussendlich zu nichts, da hast du recht, ich bin aber auch nicht der, der damit angefangen hat und es nun so aufbauscht. Ich hätte Carlo auch noch ne Saison gegeben, aber wie es gelaufen wäre, weiss niemand. Genauso kann Benitez nichts dafür, das Carlo nicht mehr hier ist, insofern finde ich die ganze Diskussion hinfällig. Schuld daran ist genau einer, und der sitzt ganz oben.
Wo steht geschrieben, das Real offensiv und dominant spielen muss? Genau das ist ja der Punkt, dank dem ewigen Wischiwaschi und hin und her unter Perez haben wir langsam aber sicher keine Vereinsphilosophie mehr. Grosse Namen für teures Geld zusammenkaufen und dann mal schauen, was daraus wird, im Prinzip eine Scheichklubsstrategie. Was PSG über uns denkt ist mir sch**ssegal, die sollen sich um ihren Kram kümmern und wir um unseren. Ich persönlich will eine gesunde Mischung aus schönen Fussball und brauchbaren Resultaten. 60% Ballbesitz aber 0 Torschüsse à la Pep nützen uns am Ende auch nicht viel. Ich will vor allem ein Trainer, ein Team und eine Philosophie, die anpassungsfähig ist und halt auch mal dreckig gewinne kann, was zum Fussball einfach dazugehört. Man kann nicht jeden Gegner 10:0 schlagen, das ist reine Illusion. Das gestern war ein Rückschritt und ungeordneter Salat. Wir könnten kreativen und dominanten Fussball spielen, aber dann muss halt BBC aufgebrochen werden, man kann nicht alles haben. Benitez Spielweie basiert halt vor allem auf Ordnug, wenn diese als Grundgerüst nicht gegeben ist, ist klar, dass dann gar nichts mehr geht. Das ist nicht der optimale Fussball für dieses Team, ja. Die 10'000 Flanken von diesem Frühling allerdings genau so wenig. Wir bräuchten mal so ne Philosophie à la Paco Jemez oder Unay Eremy, dann könnte man unser an sich grosses Potential vielleicht auch mal auf den Platz bringen.