Wenn man die Liga in den letzten Jahren nicht so intensiv verfolgt hätte, könnte man das Spiel der Madrilenen verteidigen oder zumindest verstehen. Nach dem Barcelona ihre schwächste Saison in langer Zeit spielen, mit 4:0 und 3:0 auswärts in der CL untergegangen sind und zuletzt gegen Juventus rausgeflogen sind, ohne dass Buffon ein Mal im Camp Nou stark parieren musste, sind die Blancos mit ihrer offensivsten Mentalität ins Spiel gegangen, aber auch mit ihrer lässigsten. So, dass sie das auf dem Feld präsentiert haben, was immer bemängelt wird, aber in Wahrheit nie passiert: mit einem BBC das von Defensivaufgaben befreit wurde, was eigentlich eine Seltenheit ist, da Gareth Bale selbst gegen den Tabellenletzten gewöhnlich mit nach hinten arbeitet, um ein 4-4-2 ohne Ball herzustellen. Aber nicht gestern. Bale, Benzema und Ronaldo haben das Spiel im linken Sektor begonnen(alle drei, gemeinsam!) und warteten vorne, während das Mittelfeldtrio fast Mann-gegen-Mann pressten gegen Messi, Iniesta und Rakitic.
Das Pressing, das nur drei Spieler wirklich aktiv verwickelte, schien sehr unausgeglichen, aber in der Anfangsphase war das genug, um Barcelona richtig leiden zu lassen, da sie es kaum hinkriegten, den Ball sicher hinten rauszuspielen. Real Madrid überzeugte nicht, außer denen, die nicht wissen, wer und was Lionel Messi ist. Diese dachten wahrscheinlich, dass der Sieg sicher sei.
Das ging aber nicht lange so weiter. Ohne echten rechten Flügel und mit Modric, der klar an Iniesta gebunden war, was Alba immer wieder völlig frei und Barcelona erkannte dies. So schafften die Gäste es, aus der eigenen Hälfte zu kommen und konnten sich dem Duell nähern, das ihnen den Sieg viel näher brachte: Messi gegen Casemiro.
Zidane lies Busquets frei, um die anderen Mittelfeldspieler plus Messi mit dem Rücken zum Tor angreifen zu können, aber Messi war nie unter Kontrolle. Es gab Szenen, in denen Busquets den Ball zum Argentinier spielte und zwischen ihm und seinem nächsten Gegenspieler, Casemiro, fünf Meter trennte. Der Brasilianer suchte den Ballgewinn, wie er es gerne macht, und für Messi ist sowas wie Einladung zum Tanzen. Die Mannschaft, die Lionel als Team am besten verteidigt hat, überließ diese Aufgabe ausschließlich an Casemiro.
Ab hier lässt sich nicht mehr viel zu dem Spiel erzählen, denn es war extrem plump, auf individuelle Spielzüge basierend, ohne dass sich irgendwelche kollektiven Abläufe wiederholten. Auf drei gefährliche Angriffe von Zidanes Jungs folgten zwei von denen von Luis Enrique. Und das, obwohl Suarez, Bale und Benzema praktisch nichts gemacht haben und Alcacer und Cristiano nur etwas mehr als das. Im Gegensatz zu ter Stegen und - ein Glück - Keylor Navas, die verhinderten, dass die Räume, die ihre jeweiligen Defensive dem Gegner eingestanden, sich in dem Ergebnis bemerkbar machte. Und so ging es weiter in der zweiten Hälfte, mit dem Unterschied, dass solange 11 gegen 11 spielten, Madrid mit einem stärker nach hinten arbeitenden Marco Asensio es schaffte, die Anzahl der Angriffe der Katalanen zu verringern, ohne die Anzahl der eigenen zu verändern. Bis Casemiro, kurz vor einem Platzverweis, seine Physis nicht mehr einsetzen konnte, was die Waage wieder in die andere Richtung kippte, bis Rakitic das Spiel drehen konnte und Ramos sich zu einem Platzverweis reißen ließ.
Was danach geschah, gab dem Plan von Zidane eigentlich recht, denn es konnte nicht klarer sein, wie anfällig und ohne Selbstvertrauen der FC Barcelona stand gestern war. Madrid fühlte sich so überlegen, oder sah Barcelona so unterlegen, dass sie sich vorgenommen haben, das Spiel nochmal zu drehen, obwohl ein Unentschieden die halbe Meisterschaft bedeutet hätte. So, dass sie sich 30 Sekunden vor Schluss einen Konter einfingen, der sie sogar zu Außenseiter in diesem Rennen machen.
Ich habe einen passenden Satz gelesen. Die gute Nachricht: man hat alles in der eigenen Hand. Die schlechte Nachricht: man hat alles in der eigenen Hand.