Nicht eine Minute gespielt und man sieht ein völlig offenes Real Madrid. Ein Madrid, das nicht die notwendige Konzentration mitbringt. Ähnlich wie im restlichen Verlauf des Spiels.
Man brauchte drei Tore um weiterzukommen und Ancelotti bemängelte das langsame Rhythmus und die fehlende Tiefe im Hinspiel und versprach einige Veränderungen, um das entgegenzuwirken. Und es gab welche. Mit dem Ziel eine extreme Dynamik zu schaffen und in dem Wissen, dass Atletico, wie jede Mannschaft, das Verteidigen des Zentrums priorisiert, verband er drei starke Spieler auf jeder Seite des Feldes, schaffte Überzahlsituationen dort und bombardierte den gegnerischen Strafraum mit Flanken. Die Anzahl der Aktionen im vordersten Spielfelddrittel war riesig und für so ein Spiel ungewöhnlich, doch die Qualität war nicht besonders hoch. Man kann zwar nicht sagen, dass Atletico sich in der Situation wohl gefühlt hat, dafür war der Ball zu oft im eigenen 16er und es gab zu viele 50/50 Bälle in der Nähe des eigenen Torwarts(der auch nicht mehr Cortouis ist). Aber ohne die Kontrolle zu haben, die vorliegende Lage war für sie besser als für ihre Gegner.
Wenn Real Madrid über links angriff, waren Marcelo, James und Cristiano alle drei breit auf dem Flügel aufgestellt. Der 16er wurde von Isco(?), Bale und Benzema attackiert, während Carvajal auf dem anderem Flügel lauerte, falls die Flanke zu lang kommen würde, um selbst wieder flanken zu können. Wenn es über rechts ging, war es dasselbe, nur das die Namen die Rollen tauschten. Damit hatte man dann dahinter nur noch Kroos. Atletico verteidigte den 16er mit 7 Männer plus den Torwart, wodurch jeder Abpraller vor ihren Augen stattfanden, während alle Blancos bis auf Kroos sich erstmal drehen mussten, um den Ball zu sehen. Atletico hatte einen taktischen Vorteil in der häufigsten Aktion des Spiels.
Ancelotti wollte unbedingt viele (Halb)Chancen kreieren, um das Gefühl einer möglichen Wende zu generieren, und das hat funktioniert. Aber dafür wurde das Zentrum aufgegeben, was der wichtigste Drittel ist. Nicht nur, dass Atletico die 50/50 Bälle dominierten, sie hatten bis zu Navas eine fast freie Bahn. Ramos und Pepe haben das Chaos vor sich gesehen und verteidigen so nervös, dass sie nicht wieder zu erkennen waren. Atletico konnte das nicht so stark ausnutzen also kann man noch am Leben in die Halbzeitpause.
Vor dem 2-1 nahm Ancelotti nochmal eine Veränderung vor. Er schickte Isco und Bale nach links zu Marcelo und James und Ronaldo nach rechts zu Carvajal. Entweder wollte er mit den 8ern als "falschfüßler" ein bisschen mehr Präsenz im Zentrum, um die Abpraller zu gewinnen, oder es ging darum, dass Isco beeindruckend war, seine Aktionen waren die größten Hoffnungsschimmer und ihn in seiner Position zu stecken könnte nochmal einen Schub bedeuten.
Zum Ende kam Arda bei Atletico noch rein. Mit dem erneuten Ausgleich(es war der Mannschaft wohl wichtig nicht zu verlieren), der fast unmöglichen Aufgabe und der nochmal gestiegenen Qualität in den Reihen der Rojiblancos war es ein Spiel zwischen kann nicht mehr und will nicht mehr.
Was soll man also von dem Spiel halten? Vom gebotenem Fußball her, war es sicher eines der schlechtesten der Saison. Aber darauf war der Fokus ja auch gar nicht gerichtet. Ancelotti hat sich einen Spielplan überlegt, um Tore zu schießen und eine Atmosphäre zu erzeugen und nicht um guten Fußball zu spielen. Das hat er hingekriegt, aber in einem solchem Szenario ist man immer davon abhängig, dass der Gegner Fehler macht.
Wenn man ein schwieriges Ergebnis umdrehen möchte, sollte man. 1. Ein Spiel erzwingen, das eine Wende möglich macht. 2. Chancen herausspielen, die deinen Stärken gerecht werden(gestern hatten wir nur Hereingaben von außen, bei denen Cristiano der einzige Topspieler in den Aktionen ist. Und er war ja auch noch oft auf den Flügeln, wenn es darum ging). 3. Den Spielaufbau des Gegners kontrollieren. Man könnte sagen, dass Madrid also in Punkt 1 geblieben ist.
Natürlich war das Tor in der ersten Minute auch ein killer. Man wollte den Gegner einschüchtern, aber wie schüchtert man einen Gegner ein, der weiß, dass er noch 3 Tore kassieren darf?
Zuletzt verstehe ich diejenigen nicht, die sagen, dass wir mal wieder dasselbe versucht haben. Ich habe Madrid noch nie so spielen sehen. Gefallen hats mir auch nicht, aber es war eine verzwickte Lage von vornherein.
Mund abputzen und nach vorne schauen. Der Pokal ist nicht mehr drin, aber es gibt noch zwei wichtige Turniere zu spielen. Der nächste Gradmesser gegen Atletico wird auch nicht lange auf sich warten lassen.
Es ist schon interessant, wie Atletico es dem Gegner abverlangt kreativ zu werden und neues auszuprobieren. Mal schauen, was sich Ancelotti also nächstes Mal ausdenkt.