Da ich nicht viel davon halte mich mit spanischer Geschichte und Dingen die so lange her sind dass sie nicht einmal die Grossväter unserer Grossväter interessierten auseinanderzusetzen, habe ich nicht allzu viel Ahnung vom Thema. Dein Kommentar klingt für mich aber schlüssig, weswegen ich nicht anders kann als dir in allen Punkten Recht zu geben.
Für den gemeinsamen Besuch im Bernabeu erhältst du noch eine PN von mir.
LG
Francos Tod ist keine 50 Jahre her, gemessen auf die (Menscheits)Geschichte ist das absolut nichts. Die Auswirkungen sind noch heute an vielen Orten sicht und spürbar, und die Aufarbeitung und Rehabilitierung der Opfer geht nur langsam voran. Spanien ist das Land mit den meisten Massengräbern mit namenlosen Opfern. Die Generation unserer Grossväter haben das Regime nicht nur in seiner "Blütezeit" live erlebt, sondern könnten sogar in einem dieser Gräber liegen. Deine Aussage ist eine absolute Frechheit gegenüber 100tausenden von Opfern und ein erbärmlicher Versuch von Geschichtsrevision bzw. verharmlosung. Wir alle tragen die Verantwortung, dass so eine Scheisse nie wieder passiert.
Eine Möglichkeit wäre ja, einfach abzuwarten bis es zu einer Verurteilung kommt. So kenne ich das zumindest aus der gängigen Praxis: Unschuldsvermutung, bis das Gegenteil bewiesen wird. Die Beweispflicht liegt immer beim Kläger. Jetzt haben wir eine öffentliche Schlammschlacht von zwei Sumpfbewohnern, bei denen beide einander vorwerfen, im falschen Sumpf zu hocken.
Laporta redet mir da allerdings viel zu positiv. Gut, er ist der Präsident, was will er auch anderes tun als den Klub zu verteidigen? Dass sich aber Pérez überhaupt dazu herablässt und auf eine Pressekonferenz Laportas mit einer Videobotschaft antwortet... na ja...
Mit der Einordnung solcher historischen Ereignisse wäre ich ja vorsichtig. Man könnte auch erwähnen, dass Franco die Hinrichtung des ehemaligen Barca-Präsidenten Josep Sunyol veranlasste, oder die Einführung der spanischen Sprache bzw parallel dazu das Verbot der katalanischen Sprache forcierte, wodurch der Verein überhaupt erst so ein Symbol für die katalanische Nationalidentität werden konnte, weil nirgendwo außer im Stadion ohne Furcht vor Konsequenzen Katalanisch gesprochen werden konnte. Unter Franco durfte man das Stadion nicht wie geplant nach Joan Gamper benennen und der Transfer von Alfredo di Stéfano, bei dem Barca bereits eine Ablöse überwiesen hatte, wurde nicht nur geblockt, er ging letztendlich ja sogar zum Erzrivalen nach Madrid wie wir alle wissen. Das ist bis heute einer der unsaubersten Transfers der Fußballgeschichte.
Da jetzt einfach zu sagen: "Barca hat Franco ja eine Auszeichnung verliehen, die können gar nicht unter ihm gelitten haben!" ist schon Geschichtsrevisionismus erster Güte. Überhaupt wäre ich da erstmal vorsichtig, solch einem Symbolakt viel Bedeutung beizumessen, denn es sollte auch klar sein, dass man in einer Diktatur nicht gerade die Wahl hat, wenn der Diktator kommt und sagt: "Macht mal!" - eigentlich ist das Schulwissen.
Nichts für Ungut, aber das klingt wirklich 1 zu 1 wie der Whataboutism, den Barcafans als Antwort so gerne lieben.
"Franco wurde halt mal ausgezeichnet" ist sehr nett ausgedrückt, Barca hat ihm die 2 damals höchsten klubinternen Auszeichnungen verliehen, später den Ehepräsidententiel, und wurde im Gegenzug von ihm 3 mal ausgezeichnet. Und Barca wurden 3 mal auf dubiose Weise Schulden erlassen und/oder Geld zugwiesen, immer mit dem Wissens oder gar der Zustimmung Francos, sonst wären sie schon vor 70 Jahren bankrott gewesen. Franco war bei der Einweihung des Camps Nou dabei, bei den meisten Titelfeiern, ging im Camp Nou regelmässig ein und aus. Über Real liest man solche Dinge in der Fülle komischerweise nicht. Natürlich will man den Diktator bei Laune halten, dennoch gibt es Unterschiede, wie intensiv man das tut.
"Eigentlich ist das Schulwissen" ist es das wirklich? Der Schulunterricht über den spanischen Bürgerkrieg und die Zeit unter Franco beschränkt sich in den meisten Ländern ausserhalb Spaniens auf "sie existierten", wenn überhaupt. Und in Spanien selber tut man sich mit der Aufarbeitung noch immer schwer. Wenn man sich wirklich für das Thema interessiert und mit entsprechenden Quellen recherchiert, findet man relativ einfach heraus, dass die von Laporta und so manchen Barca Fans propagierte Geschichte so schlichtweg nicht stimmen kann.
Der spanische Bürgerkrieg hat ca. 500'000 Menschenleben gekostet. Das Franco Regime weitere geschätzte 30'000-50'000. Menschen wurden für nichtigste Gründe hingerichtet, manchmal aus reiner Laune oder als Abschrekung. Wurde Sunyol gezielt umgebracht, um Barca zu schaden? Dürfte nur sehr schwer zu beweisen sein. Real hatte am Ende des Bürgerkriegs noch 5 Profispieler aus dem Kader von 1936. Der Rest wurde verhaftet, verbannt oder hingerichtet. Und so erging es zig Spielern von zig Klubs, auch Barca, aber nicht nur sie, oder gezielt sie.
Der FC Barcelona steht nicht sinnbildlich für die ganze Region, Sprache, Kultur usw. von Katalonien, auch wenn sie sich gerne als das sehen, am Ende des Tages sind auch sie "nur" ein Fussballklub. Nach meinem Verständnis haben die in Katalonien vorherschenden Republikaner den Bürgerkrieg verloren und weiter Widerstand geleistet, das Verbot von Katalanisch, die Unterdrückung der Kultur usw. war die Antwort des Regimes darauf und ein Versuch der Homogenisierung. Das heisst aber nicht, dass Barca dadurch automatisch auch komplett unterdrückt wurde und/oder nie profitiert hat. Hätte es Franco so gewollt, hätte er Barcas Existenz sicher auslöschen können, hat er aber nicht, wenn überhaupt eher das Gegenteil.
Di Stefano ist bis heute ein sehr komplexer Fall, in dem einiges unklar bleibt. Er hatte einen Vertrag bei River Plate, spielte aber mit einem neuen Vertrag bei den CD Los Millonarios, weil in Argentinien den Spielbetrieb wegen Streiks ruhte. Barca kaufte die Transferrechte von River Plate, Real von den Millonarios, was zu der absurden Situation führte, das 2 Vereine die Transferrechte für denselben Spieler von 2 unterschiedlichen Vereinen erworben hat. Das Sportgericht in Spanien kam dann zum fast noch absurderen Schluss, di Stefano solle abwechselnd für beide Klubs spielen. Was danach genau passiert ist, lässt sich leider nicht eindeutig nachvollziehen, di Stefano selber hat sich nie dazu geäussert. Barca hat am Ende auf ihre Rechte verzichtet und Real sie ausbezahlt. Ein Einfluss von Franco ist möglich, aber nur schwer nachzuweisen, und sicher deutlich komplexer als "Franco hat di Stefano real zugesteckt". Zumal es auch Fälle gab, wo Barca profitiert hat. Laszlo Kubala konnte von ihnen nur verpflichtet werden, weil das Regime bei der Bürokratie etwas nachgeholfen hat.
Und noch ein paar Statistiken von 1939-1975.
- es gab 98 Clasicos, Real gewann 43 davon, Barca 39, 16 Unentschieden
- Real gewann in dieses Zeit 21 Meistertitel, Barca 20. Real musste zudem die ersten 15 Jahre (1939-54) warten, bis es den ersten Meistertitel unter Franco gewann, in der Zeit gewann Barca bereits 5 Meistertitel
- Real gewann 6 Copas, Barca deren 9
- Der infamose 11:1 Sieg Reals wir gerne als Beweis für Francos Einfluss genommen, seine Schergen hätten in der Halbzeit die Barca Kabine gestürmt und sie unter Waffengewalt dazu gezwungen, sich nach bisheriger Überlegenheit demütigen zu lassen. Dumm nur, dass es zu besagter Pause bereits 8 zu 0 stand für Real stand. Zudem hat Barca insgesamt 13 Clasicos mit 4+ Toren Unterschied gewonnen, 6 dieser Clasicos stammen aus der Zeit von 1939-75, wo waren Francos angebliche Schergen da?
Zuletzt noch 2 Disclaimers:
- Ich sage nicht, dass Barca nicht auch unter dem Regime gelitten hat, die Region Katalonien und ihre Menschen sowieso, das steht nicht zur Diskussion, und auch der Klub wird negative Einflüsse wie die Hinrichtung des Ex Präsidenten erfahren haben. Aber es war nicht alles negativ, eben sowenig wie für Real alles Positiv war.
- Ich habe Jahrgang 1995, ich kann mir meine Meinug also nur basieren auf Zeitzeugen, Statisiken und historischen Quellen bilden.
Trotzdem, betrachtet man all diese Dinge, würde man meinen Real wäre irgendwie erfolgreicher aus dieser Zeit gekommen, und Barca deutlich geschädigter. Und so fällt das beliebte Narrativ vom armen Barca, welches vom bösen Regime von der Weltmacht ins nichts unterdrückt wurde und stattdessen Real als Franos Liebling aufgebaut wurde, doch ziemlich schnell auseinander. Und das Barca im Angesicht eines absoluten Jahrhundertskandals, der ihre über Jahrzehnte aufgebaute Reputation für immer schädigen wird, wenn es schon keine sportlichen Konsequenzen hat, wieder die "Aber Real" Karte zieht und versucht, vom eigentlichen Thema abzulenken, sagt das alles über sie aus und ist nicht der Flex, für den Laporta und viele Fans ihn halten.