Nach allem, was man hört und liest, was man sich zwischen den Zeilen denken kann, ist es bei Real Madrid ehrlich gesagt nicht so einfach. Pérez hat die absolute Kontrolle im Verein. Es passiert nichts, was er nicht abgesegnet oder angeordnet hätte. Drum war ja Mourinho damals so eine Ausnahmeerscheinung, denn nur er bekam quasi die carte blanche, also Vollmacht für Transfers, Umstellung des Spielstils, aggressive Medienpolitik gegenüber Barcelona usw. Alle anderen, selbst Zidane, mussten zurückstecken (bei Zidane kann man noch argumentieren, dass er selbst Schuld daran hatte, weil sein Primärwunschobjekt, das ihm Pérez quasi gewährte, nämlich Luka Jović, komplett floppte). Ancelotti ist der Höhepunkt dieser Duckmäuser-Kultur, weil er öffentlich nie Stellung gegen Pérez bezieht (anders als Zidane, wenn man bspw. an seinen Abschiedsbrief oder die Causa Bale denkt).
Was
@Makedonija zitiert, klingt für mich schon plausibel. Pérez legt enormen Wert auf Loyalität bzw. "Freundschaften". Warum ist Toril noch im Amt, der in der Castilla viele zweifelhafte Entscheidungen traf, dann zur Damenmannschaft versetzt wurde, wo er von Weltklasse-Spielerinnen (die daraufhin den Verein verlassen mussten) kritisiert wurde? Warum darf Raúl in der Castilla weitermachen, obwohl er allem Anschein nach nicht die Qualität zum Top-Trainer hat? Warum wurde Chefarzt Olmo jahrelang im Amt gehalten, obwohl er von den Stars mehrfach kritisiert wurde? Warum wurde Mihić der Nachfolger von Olmo? -->Die Antwort lautet immer: Weil Pérez diese Leute schützt(e) (exemplarisch: Olmo war zuvor Pérez' Kardiologe; Mihić war Pérez' Haus-/Privatarzt).
(Die Beispiele ließen sich noch beliebig fortsetzen.)
Klar: Pérez kann nicht einem Weltklasse-Trainer vorschreiben, wen er als Co-Trainer oder im engeren Stab hat. In dem Fall würde ein solches Trainer-Kaliber ja gar nicht kommen. Aus der Logik heraus hatten wir in seiner 1. Amtszeit ja auch solche "Trainerstars" wie Quieroz, Luxemburgo und Co., also in der Regel ehemalige Co-Trainer oder no-names. Aber alles, was den erweiterten Staff angeht, wird von Pérez kontrolliert und bestimmt (das gilt im Übrigen nicht nur für Pérez, der das halt in Extremform praktiziert. Wie Ancelotti in seiner Biographie schreibt, waren auch andere Präsidenten in seiner Karriere sehr "machtbewusst" in Sachen Mitarbeiter. Eine Ausnahme stellte laut Ancelotti Roman Abramowitsch dar, der total objektiv im Sinne des "best practice" bzw. "state of the art" das Vereinspersonal einstellte.).
Pérez' Umgangsweise stellt freilich keinen Freibrief für Ancelotti (oder andere Trainer) dar. Carlo hat in dieser Saison genug Fehler selbst zu verantworten (von A wie Arda Güler bis R wie Rotation). Aber man sollte den Kontext unserer Vereinskultur unter Pérez immer berücksichtigen.