Zidanes Einstand ist echt beeindruckend. In gerade mal vier Spielen hat er nicht nur die Erinnerung an was vorher war gelöscht, sondern bereits eine Identität kreiert und implementiert, die Wiedererkennung hat. Man will wohl ein Ballbesitzspiel aufziehen, wie nie zuvor, und nachdem man sich zuletzt gar nicht darum gekümmert hat, wird man nun Woche für Woche besser und radikaler darin.
Gegen Depor wollte man, aber konnte nicht. Gegen Sporting konnte man, aber verpatzte zu viele Pässe im Aufbau. Gegen Betis kam man bis nach vorne an, aber zweifelte dann ab dort. Und gegen Espanyol gab es so klare Details, dass Carvajal und Marcelo zusammen gerade mal 3 Mal flankten(die Statistik muss
@Raúl_R7 gefallen).
Zidane sagte ja "um weniger zu verteidigen, muss man länger den Ball haben" und seine Spieler haben Probleme, wenn sie ihn nicht haben. Sie haben Schwierigkeiten sich extra lange beim Pressing zu bemühen und wenn sie sich tief fallen lassen, dann verlieren sie oft schnell die Geduld. Keine kompatible Kombi, die der Mannschaft an Spielkontrolle kostet. Das Gegenmittel ist also die Häufigkeit der Ballverluste einzudämmen, aber nichtmal Ancelotti, der König des reflexiven Fußballs, schaffte das konstant durchzusetzen.
Aus zwei Gründen, glaube ich, und beides hatte ihren Ursprung unter Mourinho. Unter dem Portugiesen erlangte die Mannschaft eine ungekannte Leichtigkeit Gefahr mit möglichst wenig Berührungen zu erzeugen. Dieser Charakter ging tief in die Wurzeln, denn es ging 100% im Einklang mit ihrem besten Fußballer, aber vieles hat sich seitdem geändert. Man verlor an individuelle Qualität beim Verteidigen, was notwendig war, um den ständigen Wechsel des Ballbesitz zu akzeptieren. Außerdem scheint es nicht mehr so, dass Madrid großes Nutzen daraus schlägt, wenn es seine Angriffe zu vertikal ausrichtet. Man zählt auch nicht mehr mit dem Talent von Mourinho beim Entwickeln von Kontern noch hat man den Ronaldo in seiner physischen Prime, der sich gegen jeden in diesem immensen Rhythmus durchsetzen konnte. Es ist vielleicht nur die Nostalgie, die los Blancos weiter antreibt, diesen Fußball spielen zu wollen, das einst das beste Barcelona Paroli bieten konnte.
Auf der anderen Seite, sind die Vorteile mit dem Kader auf Ballbesitz zu spielen bekannt. In kurz: Spieler wie Kroos und Modric können so ihr immenses Potenzial viel besser ausschöpfen und Madrid ist offensiv zu ungefährlich, wenn der Gegner den Ball hat. Das hat man in der zweiten Hälfte gegen Barcelona und gegen Juventus letztes Jahr in der heißesten Phase zu spüren bekommen müssen.
Zidane glaubt also, dass die Lösung es ist, die Possession % fest nach oben zu schrauben. Und hier kommt Isco ins Spiel. Ohne zu wollen sorgt er schon für mehr Ballbesitz, mit dem Willen dazu, schießt er den nach oben.
Er hat einen großen Einfluss über das Spiel einer Mannschaft. Durch seine hohe Beteiligung am Spiel, die Anzahl an Spielern, die er aktiviert und den ästhetischen Wert, den er dabei hat, kann er den Stil der Mannschaft von Benzema, Bale und Cristiano verändern. Vielleicht nicht ganz dessen Sinn, aber auf jeden Fall dessen Präsentation. Ancelotti wiederholte stets, was nach einer Analyse immer anders aussah: sein Madrid veränderte sein System nicht, wenn Isco darin beteiligt war; er belegte den gleichen Platz wie James. Trotzdem erinnert man sich heute daran zurück, als wäre es ein ganz anderer Abschnitt gewesen. Wie soll das dann aussehen, wenn der Trainer wirklich Veränderung haben möchte?!
Dafür muss man bloß die Augen aufmachen, denn Zizou macht genau das. Zum ersten Mal, seit er in Madrid ist, verlangt man von Isco nicht, dass er sich an BBC anpasst, sondern, dass er ihnen dabei hilft, sich an Kroodric anzunähern. Und dazu, irgendwie paradox, hat man den Andalusier aus dem Spielaufbau herausgezogen(außer wenn Marcelo oder Modric mal ganz vorne rumturnen). Isco holt sich also nicht, wie er es gerne mag, den Ball von hinten ab und trägt ihn selbst nach vorne, was das ganze beschleunigt. Iscos Position erinnert irgendwie an die von Zidane selbst, als er noch aktiv bei Real Madrid spielte. Wenn der Franzose zwischen linke Außenbahn und den Zehnerraum pendelte, je nachdem wie sich Raul und Ronaldo bewegten, so macht Isco dasselbe je nachdem wo Ronaldo oder Benzema stehen. Fast immer mit der Intention, eine Passmöglichkeit nach vorne anzubieten und den Ball nach hinten oder außen weiterzuleiten. Also ein Element des Erhalten, Fortgangs und Ordnung des Ballbesitzes. Ich empfehle sich nochmal den kompletten
Spielzug zum 4-0 gegen Gijon anzuschauen und nur auf Isco zu achten.
Für Isco bedeutet den Ball nicht zu berühren sowas wie keine Luft zu haben. Dadurch dass Zidane ihn dazu zwingt, weit vorne zu bleiben, hat er eine Garantie, dass sich jemand konstant und intelligent zwischen den Linien bewegt, was demjenigen mit Ball viele Möglichkeiten gibt. Der Spanier muss seine Kollegen jede Sekunde davon überzeugen, dass der Pass zu ihm die beste Möglichkeit ist. Und wenn er den Ball bekommt ist er der typisch spanische Mittelfeldspieler und kein potenzieller Assistgeber für BBC. Er spielt ohne Eile und das steckt an. Hinter allem steckt eine Nachricht.
Aber trotz allem ist es nicht einfach Isco den Stammplatz zu geben. Das bedeutet nichts weniger als einen der besten Fußballer des Planeten auf die Bank zu setzen, einen Spieler, der auf direkter Weise mehr Tore produziert als er. Aber Zidane war der dominanteste Mittelfeldspieler seiner Zeit mit relativ schwachen Scorerwerten. Sein Verständnis von Fußball hat mehr mit Kollektivismus zu tun, denn so gewann er alles. Er glaubt am Spiel, nicht am Spielzug, als das Entscheidende. Und er scheint zu schlussfolgern, dass er mit diesem Kader, das größte Potenzial mit Ballbesitz entfacht. Und Isco vorne ist wie Kroos(den er sehr gelobt hat) hinten, die Vollendung des neues Weges . Der nächste Schritt sollte sein, aus dem Ballbesitz auch defensiv mehr Vorteile zu erlangen.