Di Matteo hat übrigens mit Chelsea die Champions League gewonnen. Ist er deshalb ein guter Trainer? Er hat gegen die nach Barcelona stärkste Mannschaft in Europa gewonnen. Nach eurer Ansicht, wenn er dies diese Saison getan hätte, würden wohl 90% des Forums ihn bei Real Madrid als Trainer fordern. Plus 50 Millionen Handgeld. Das zeigt die mangelnde Weitsicht einiger. Di Matteo ist als Trainer danach sang- und klanglos gescheitert. Zidane hatte super Erfolge und seine Erfolge wie La Decima von Ancelotti werden genauso wie Di Matteos Sieg in die Geschichte eingehen.
Dennoch sind sie keine guten Trainer. Sie können keine langfristigen Erfolge feiern und ihre Teams spielen durchweg schlechten Fußball. Sie stagnieren oder die Leistung der Mannschaften nehmen ab. Neue Impulse über eine Saison hinweg sind nicht spürbar. Natürlich hat Ancelotti einen Vini stärker gemacht oder Zidane einen Valverde, aber wenn das der Maßstab ist, dann sind wir verloren. Ein guter Trainer fördert das Team derart, dass die gesamte Mannschaft mindestens einen Schritt nach vorne macht und das Saison für Saison mit einer Neuorientierung des Kaders. Klare Strukturen und Linien. Klare Spielphilosophie. Erstrebenswerter Fußball. Ich kann mich an keinen erstrebenswerten Fußball in den letzten 6 Jahren in Madrid erinnern. Und Leute, damit ihr das mal in die Birne bekommt: Erstrebenswert ist das, was Man City über eine Saison hinweg spielt, was Liverpool in fast jedem Spiel macht oder auch die Bayern. Natürlich verlieren auch diese Mannschaften Spiele, aber das macht den Sport ja aus. Dennoch ist deren Taktik weitaus ansehnlicher und flexibler als unser ständiges Ballgeschiebe. Wisst ihr woher das eigentlich resultiert? Das folgt aus der Zeit CR7. Einer der Gründe, warum er heute so stark kritisiert wird. Er profitiert natürlich davon, stets Zielspieler zu sein. Das heißt fast jeder Angriff richtet sich an ihm aus. Das ist aber keine sinnvolle Taktik. Das ist das Hoffen auf die eigene Lebensversicherung. Also riskiere ich meinen Tod, damit die Versicherung greift. Der Mangel an gewonnen Meisterschaften bestätigt das. Viel klüger wäre aber jedoch nicht das ganze Geld (Hoffnung) in die Lebensversicherung zu stecken, sondern die Taktik derart auszurichten, dass alle Mannschaftsteile davon profitieren (also Geld streuen in Rohstoffe, Aktien, Immobilien). Das macht es für den Gegner schwerer 90 Minuten sich hinten reinzustellen. Das bekommen wir aber seit 6 Jahren nicht geschissen. Und wer waren in dieser Zeit unsere Trainer?
Zudem ist die Champions League einfach nicht der richtige Maßstab, um Zidanes Leistung zu bewerten. In der Champions League gibt es K.O.-Runden, das heißt der Gegner muss mitspielen, um weiter zu kommen. Wenn aber du CR7 aus der Prime hast, dann brauchst du nur eine Chance, um den Gegner zu zerstören. Wenn du dann auch noch das erste Tor machst, dann ist der Gegner ohnehin ein offenes Scheunentor für CR7 und den Rest. Das heißt nicht, dass nur CR7 gehandelt hat. Aber der Gegner richtet sich auch an diesem Zielspieler aus. Das heißt die anderen Spieler bekommen dadurch automatisch ihre Freiheiten. Dort war also die Taktik Zidanes ziemlich klug und sinnvoll. Aber als CR7 weg war? Was konnte er danach noch aufbieten?
Was war die Taktik nach CR7? Zidanes Taktik war und das haben er und sein Co auch mehrfach bestätigt, die Abwehr zu stabilisieren. Ihr Fokus war voll auf das Verteidigen gerichtet. Wie wir wissen, kann man mit unserem Kader sehr wohl offensiv attraktiven Fußball spielen? Seit wann sind wir denn vom Niveau derart weit abgerutscht. Ist das Real Madrid würdig? Macht das ein Welttrainer aus? Ein Welttrainer, der Madrid würdig ist, sorgt dafür, dass wir weiterhin in der Offensive derart stark aufspielen, dass wir in jedem Spiel mindestens 3 vier klare Chancen erspielen. Wir zwingen also den Gegner mitzuspielen, wir durchbrechen seine Linien, spielen sie schwindelig. Das ist ein Welttrainer, meine Freunde. Genau das!
Interessant, dass du Di Matteo erwähnst. Vorausgesetzt, er ist ein schlechter Trainer - macht das den Titelgewinn nicht umso beachtlicher? Welchen Einfluss hat es auf unsere Diskussion, wenn ein "schlechter" oder zumindest "kein guter" Trainer die Champions League, den höchsten Titel im europäischen Vereinsfußball, gewinnen kann? Relativiert das, recht besehen, nicht jedes Wort, was hier bisher gesprochen wurde und rückt den Diskurs in ein völlig anderes Licht? Kann das Attribut "ein guter Trainer" vielleicht sogar gleichbedeutend mit Schwächen sein?
Deiner Interpretation des "guten Trainers" haftet eine Fokussierung auf die Taktik, oder besser, den Spielwitz an - das zeugt durchaus von gutem Geschmack. Sobald man aber den Sport oder überhaupt irgendeinen Vorgang theoretisiert, läuft man Gefahr, die emotionale Dimension einer Sache zu vernachlässigen. So neigen Menschen, die das Prinzip der Rationalität als ihr oberstes Gebot verstehen, nicht selten zu emotionaler Verarmung. Was im Büro zu Höchstleistungen animiert, ist der erfolgreichen Führung einer Familie dann auf einmal abträglich. Um als Trainer siegreich vom Platz zu schreiten, muss man in beiden Lebenslagen gleichermaßen glänzen können.
Tatsächlich hatte der oft beschworene Guardiola den mentalen Defiziten seiner Mannschaft, gerade vor Spielen der Champions League, nicht viel entgegenzusetzen. Womit ich nicht sagen will, dass er ein schlechter Trainer ist! Er hat nur eine Kompetenz vermissen lassen, die Zidane im Delirium noch abrufen könnte. In deiner Ausführung ist das vielleicht eine der Schwächen, die in der Natur eines "guten Trainers" liegen könnte.
An dieser Stelle muss man sich weiß Gott auch Gedanken darüber machen, wie die Wahrnehmung des Sportes sich über die Jahre verändert hat. "The Art of Defending", ein Begriff, der Anfang der 2000er als Allgemeingut der Fußballgemeinde galt, würde heutzutage so nicht mehr in Mode kommen können. Nie und nimmer würde der moderne Fußballfan dem Akt der Verteidigung ein eigenes geflügeltes Wort widmen. Freilich lag der Fokus schon damals auf Offensivaktionen, aber mittlerweile hat sich die Wahrnehmung der Fans wohl gänzlich darauf verengt. Wir Fans stoßen uns doch allzu oft an der, ich will es mal, Spektakularisierung "unsres" Fußballs, nennen ... gleichzeitig tun wir uns schwer damit, dem Defensivfußball etwas Anerkennenswertes abzugewinnen. Ich bilde hierbei keine Ausnahme.
Als Zuschauer ist die Forderung nach ansehnlichem Fußball legitim (ansehnlich im Sinne der modernen Sehgewohnheiten). Die Wirklichkeit des Sportes gebietet es manchmal aber, die Dinge etwas enger zu führen. Wir Zuschauer, die wir nicht auf der Trainerbank sitzen, können uns diese fehlende Achtung vor der Wirklichkeit des Sportes genehmigen. Von seinen Vorgesetzten wird ein Trainer trotzdem an seinen Erfolgen gemessen. Und auch wir Fans sind in der Bewertung eines Trainers doch alles andere als treu ... oft dauert es nur wenige Jahre (sind es überhaupt Jahre?), bis das Ansehen eines Trainers auf seine gewonnenen Titel zusammenstürzt - auch wenn er den schönsten Fußball aller Zeiten gespielt hat. Selbst in der unmittelbaren Gegenwart wird "schöner" Fußball, solange er keine Titel hervorbringt, plötzlich als Eitelkeit abgetan. Man spricht dann von "brotloser Kunst".
Abschließend will ich sagen: solange nur ein Wille zur Relativierung besteht, wird er auf reichlich Nährboden treffen. Genauso wie man Zidanes Erfolge mit Verweis auf die unelegante Vortragsweise entwerten kann, könnte ich meinen Bierkrug auf den Tisch hämmern und sagen "Ach Pep, der Typ, der ohne eine Jahrtausend-, eine Jarhmillionen-Generation aus La Masia oder Transfers im Wert von einer Milliarde Euro keine Titel gewinnen kann."
Ich will gar nicht wissen, wie lange ich in diesem Forum schon mein Unwesen treibe. Noch als es realmadrid.de hieß, war ich schon gut dabei, auf alle möglichen Personalien dieser Mannschaft einzuschlagen. Und nach all den Jahren muss ich feststellen, uns Fans kann man es nicht recht machen. Ums Verrecken kann man es uns nicht recht machen. Und sollte ich meinem Herzensverein jemals in leitender Position dienen dürfen, dann werde ich als aller letztes einen Blick in unser Forum werfen.