
Rassismus gegen Vinícius eskaliert
Ein Derby ohne Aufreger davor oder danach? Scheinbar unmöglich. Was aber am Sonntagabend im Civitas Metropolitano passiert ist, stellte ein neues Level dar – öffentlich zur Schau gestellter Rassismus hunderter, wenn nicht sogar tausender „Fans“, die sich offensichtlich in Narrenfreiheit wähn(t)en. Das muss jetzt enden, denn diesmal können offizielle Beteiligte wie Liga-Verband LFP oder auch Atlético Madrid selbst nicht (mehr) wegsehen.
KKK-JHV im Atlético-Stadion?
Früher wurden Rassismus-Eklats gerne mal unter den Teppich gekehrt – allein 2021/22 wurde Vinícius nachweislich beispielsweise in Mallorca und im Camp Nou rassistisch beleidigt, auch Nico Williams oder Carlos Akapo wurden Opfer. Aber ohne offizielle Folgen vom Verband. Und auch bisher – Stand Montag, 10 Uhr – gibt es weder von Atlético noch von LaLiga ein Statement zu den Geschehnissen, selbst bei LaLiga TV wurde während bei der Übertragung auf keinen der teils nicht überhörbaren Vorfälle eingegangen – möglicherweise ein Maulkorb von ganz oben, wohingegen ein unabhängiger Rechteinhaber wie DAZN klare Kante zeigte. So sagte beispielsweise DAZN-Experte Ralph Gunesch zu Spielbeginn: „Verpisst euch aus diesem Sport und aus der Gesellschaft, das hat nichts mit Rivalität zu tun. Und das ist noch sehr höflich formuliert.“ Kommentator David Ploch ergänzte: „Das ist ein Unding, geht nach Hause und kommt nie wieder hier her!“
Und damit waren nicht nur ein paar wenige Einzelpersonen gemeint. Was vor und in Atléticos Stadion passierte, ging von etlichen Zuschauern aus – vor wie während der Partie. Einer meiner (neutralen) Twitter-Follower wunderte sich ebenso. Er schrieb: „Wie konnte das eigentlich passieren, dass so viele Atlético-Fans jetzt den Rassisten in sich in aller Öffentlichkeit schamlos ausleben? Dieses Stadion wirkt wie ein Treffen des Ku-Klux-Klan.“
Wie konnte das eigentlich passieren das so viele Atletico Fans jetzt den Rassisten in sich in aller Öffentlichkeit schamlos ausleben? Dieses Stadion wirkt wie ein Treffen des Ku-Klux-Klan.
— ViscaBarca1899 (@mes_que_un_klub) September 18, 2022
Was war passiert? Vier unterschiedliche, rassistische Dinge
Das Metropolitano mit der KKK-JHV zu vergleichen ist natürlich etwas drüber – aber eben auch nicht so weit weg. Was war passiert? REAL TOTAL fasst zusammen:
1. Rassistische Gesänge im Vorfeld der Partie außerhalb des Stadions: „Vinícius, eres un mono“, heißt übersetzt „Vinícius, du bist ein Affe“. Rassismus, zelebriert von hunderten Personen.
CÁNTICOS RACISTAS CONTRA VINICIUS de cientos de aficionados del @Atleti a las puertas del Metropolitano:
“Eres un mono, Vinicius eres un mono”.
FUERA LOS VIOLENTOS Y RACISTAS DEL FÚTBOL
Video @chema_medina #AtletiRealMadrid pic.twitter.com/KoHSNrtd3G
— Tiempo de Juego (@tjcope) September 18, 2022
2. Eine offensichtlich rassistische „Puppe“ wurde vor dem Stadion hochgehalten – weißes Oberteil, schwarze Haut, rote Lippen, eine offensichtliche Karikatur eines Sklavens, höchstwahrscheinlich sollte auch die Vini Jr. verhöhnen und rassistisch beleidigen.

3. Rassistische Affen-Geräusche („Uh uh uh“) während des Spiels im Stadion, wenn Vinícius den Ball berührte. Diese Laute soll es nicht nur im Block der berüchtigten Ultras „Frente Atlético“ gegeben haben, sondern wie ein kanadischer Reporter berichtet, auch auf der Haupttribüne bei den Presseplätzen.
Loud monkey chants for Vinicius in the stadium. And not just from the Ultras, entire section behind me up top.
— Kiyan Sobhani (@KiyanSo) September 18, 2022
4. Der eine oder andere ausgestreckte rechte Arm einiger Atlético-„Fans“ war beispielsweise während des Torjubels zu Reals 1:0 zu erkennen (von Wurfgegenständen wie Flaschen ganz zu schweigen). Standbilder können die Wahrheit auch verzerren, aber dass Atlético ein Nazi-Problem hat, ist an sich nichts neues. Speziell die „Frente Atlético“ gelten als rechtsradikal und sind bekannt für zwei Morde: 1998 wurde ein Fan von Real Sociedad erstochen, 2014 wurde ein Fan von Deportivo bei einer Massenschlägerei schwer verletzt in den Fluss Manzanares geworfen, er starb später.

Zu viel passiert – kehrt LaLiga es wieder unter den Teppich?
Nun ist das Nazi-Problem von Atlético das eine – zum Vergleich: Real Madrid und Barcelona haben die ebenfalls berüchtigten „Ultas Sur“ und die „Boixos Nois“ aus dem Stadion verbannt – das Rassismus-Problem aber ein ganz anderes, auch weil eben „normale“ „Fans“ beteiligt waren. Und dass in einem Ausmaß, dass da nicht mal LaLiga wegsehen kann. Stellungnahmen und Untersuchungen noch folgen, aber die bisherige Kommunikation (keine) macht wenig Hoffnung und lässt vermuten, dass LaLiga um den umstrittenen Präsidenten Javier Tebas den Sturm mal wieder aussitzen und so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf dieses mehr als schädliche Thema lenken will.
Und klar: LaLiga könnte das Rassismus-Problem auch nicht lösen. Weder eine Geldstrafe, noch ein oder zwei Geisterspiele, noch ein paar abgezogene Punkte würden die Mehrheit dieser „Fans“ zur Besinnung rufen geschweigedenn das generelle Problem lösen. Aber: Derartige Maßnahmen aufgrund zahlreicher Beweise und Belege wären mal ein Zeichen, ein Zeichen gegen das offensichtliche Problem, dass nicht nur in Spanien herrscht. Und ein Zeichen für frühere wie auch zukünftige Opfer, dass sie doch nicht egal sind für LaLiga, dass es Maßnahmen gibt – und das nicht nur gegen die Vinícius‘, sondern auch die Williams, die Akapos.
Dass am Sonntagabend war gewiss der traurige Gipfel – nicht nur in Form einer Rassisten-Versammlung, sondern auch als Höhepunkt von dem, was bisher rassistisch im spanischen Fußball passiert ist. Beispielsweise wurde Castilla-Talent Peter González vergangene Saison im Derby mit „Uh uh uh“-Rufen bedacht, von besagten „Frente Atlético“-Mitgliedern – die dritte Liga gehört allerdings zum Verband RFEF, aber auch hier geschah nichts. Und dieses Mal? Zu groß war die Aufmerksamkeit des Derbi Madrilenos, zu viel ist passiert – auch im Vorfeld. So kann vermutlich die Frage von Barça-Fan „ViscaBarca1899“ beantwortet werden, wie das passieren konnte. Weil Koke die Stimmung bereits anheizte, Pedro Bravo sowohl unglückliche als auch eben rassistische Worte bei „Chiringuito“ wählte, und so eben das wahre Gesicht einiger Atlético-Anhänger zum Vorschein kam, die im Schutze ihres Vereins und Verbands nicht nur einmal deutlich rassistisch auffielen.
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