
Aus dem Leben eines Sportjournalisten
Donnerstagmorgen, 8:30 Uhr. Ich musste, obwohl ein zwölf-stündiger Arbeitstag hinter mir lag, sowieso aufstehen. Allerdings wäre ich lieber von virtuellem Vögelgezwitscher geweckt worden. Stattdessen beendete eine ohrenbetäubenden Push-Mitteilung auf meinem Smartphone meinen Schlaf. Sie kam von der MARCA, der größten spanischen Sportzeitung, und hatte folgende Botschaft für mich parat: „Gareth Bale verlässt Real Madrid im Sommer!“ Schon wieder. Ich wusste nun nicht, ob ich darüber lachen oder weinen sollte. Schließlich sollte man niemals mit dem falschen Fuß aufstehen. Irgendwie kam ich aber nicht umhin, mich über die MARCA aufzuregen. Und das nicht nur über das heutzutage leider immer noch oft als „Madrider Hausblatt“ bezeichnete Medium. Sondern über die gesamte spanische Sportpresse. Eigentlich hätte mir nach den letzten Partien und der Startaufstellung Leganés (3:1) klar sein müssen, dass eine derartige Nachricht folgen würde. Aber ich glaubte fest daran, dass sich meine Kollegen in ihrer Dreistigkeit nicht noch weiter überbieten würden. Von wegen!
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Vor zwei Wochen war’s Isco, davor Ronaldo, jetzt Bale
Nach Ronaldos angeblicher Freigabe-Forderung und seinem Dementi soll vor zwei Wochen noch Isco aufgrund einiger Einsätze von der Bank aus plötzlich total unzufrieden gewesen sein und keine Rolle mehr in den Zukunftsplänen des Klubs gespielt haben soll, bis Zinédine Zidane mit einer deutlichen Ansage („Ich liebe Isco, er soll für immer hier bleiben“) dazwischen grätschte und diese von AS und EL CHIRINGUITO in die Welt gesetzte Ente beerdigte. Nun ist Bale an der Reihe. Mal wieder Bale, den sie in Spanien sowieso nicht mögen, weil er die Sprache immer noch nicht spricht und die britische der iberischen Küche vorzieht. Peinlicher als diese Einstellung ist nur die Berichterstattung: Wenn er spielt, ist er schlecht – obwohl er trotz seines großen Verletzungspechs bei neun Toren und sechs Vorlagen steht, was ihn nach CR7 zum Zweiteffektivsten dieser Saison macht – und wenn er nicht spielt, will Real ihn nicht mehr. Diese Art der Berichterstattung ist lächerlich – und nicht mehr als ein ausgemachter Schwindel, um Unruhe im Umfeld des Vereins zu stiften. Und um Zeitungen zu verkaufen, Quoten zu erhöhen.
Unruhe stiften, Zeitungen verkaufen
Es ist kein Geheimnis, dass Bale höchste Anerkennung bei Real-Präsident Florentino Pérez und seinen Mitspielern genießt. Er ist ein freundlicher und gebildeter Kerl, wovon ich mich am Rande des Champions-League-Finals im vergangenen Jahr selbst überzeugen durfte. Er weiß selbst genau, dass er aufgrund seiner Verletzungsanfälligkeit nicht jedes Spiel von Anfang an bestreiten kann, das verdeutliche auch Zidane am Mittwochabend. Klar: Dass er gegen PSG nicht in der Startelf stand, mag ihn enttäuscht haben. Aber Bale ist kein Ego. Er ist ein Teamplayer ohne allzu große Star-Allüren, obwohl „Garethcito“ zu den Top-Stars gehört. Und für diese Bodenständigkeit wird er innerhalb des Klubs sehr geschätzt.
Wie viele Dementis soll es noch geben?
Man sollte zwar nicht komplett ausschließen, dass im Sommer der eine oder andere neue „Galáctico“ kommt und der Waliser gewinnbringend verkauft werden könnte, ihn aber im Februar zum drölften Male abzuschreiben und von einem besiegelten Abschied zu berichten? „Come on“, würde der „Express aus Cardiff“ jetzt sagen. Als „Müll“ bezeichnete Bale-Berater Jonathan Barnett Gerüchte erst im November, als „lächerlich“ im Juli, und erneut als „Müll“ vor genau einem Jahr.
In den drei verbleibenden Monaten der Saison kann viel passieren. Es ist ja noch nicht einmal klar, ob Zidane bleibt. Wenn man all diesen Zeitungen, die Tag für Tag unter Verkaufsdruck stehen, Glauben schenkt, wird der gesamte Kader im Sommer ausgetauscht. Entschuldigung, aber das kann ich nicht ernst nehmen. Und ihr, liebe Leser, bitte auch nicht. Ich frage mich gerade sowieso, warum ich diesen Text geschrieben habe. Eigentlich sollte man solche Berichte ignorieren und weiter schlafen. Aber das ging heute nicht. Nicht nach diesem ohrenbetäubenden falschen Alarm. Mal wieder.
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