
- Ist der Akku nach der Hammer-Woche leer? Real wirkt schlapp
Den FC Liverpool im Viertelfinale der Königsklasse eliminiert (3:1, 0:0) und zwischenzeitlich auch noch den FC Barcelona in der spanischen Liga geschlagen (2:1): Real Madrid hat seine Hammer-Woche Anfang April mit einem wunderbaren Ergebnis gemeistert. Eine Woche, die daraufhin allerdings ihre Spuren hinterlassen sollte.
Nachdem Real schon beim Liverpool-Rückspiel phasenweise durchaus gefährlich lebte und Glück hatte, sich nicht ein Gegentor nach dem anderen zu fangen, erweckte auch das Chelsea-Spiel wieder den Eindruck: Die Frische fehlt, der Akku scheint nach den kräftezehrenden letzten Wochen den Geist aufzugeben. Es mangelte wiederholt an dem Selbstverständnis, an der notwendigen Konzentration. Anstatt die eigene Überlegenheit zu demonstrieren, war es Chelsea, das frech und temporeich daherspielte. Symptomatisch dafür war die Leistung des in dieser Saison doch ansonsten so starken Casemiro, der angesichts einiger einfacher Fehler offenbar nicht wusste, dass er gerade in einem Halbfinale um seinen persönlich fünften Einzug in das Endspiel kämpft.
Seit dem siegreichen Clásico, in dem Zinédine Zidanes Mannschaft ihr Tor in den Schlussminuten mit hoher Intensität verteidigte, gab es abgesehen von dem 3:0 gegen den FC Cádiz keinen Real-Erfolg mehr. Jeweils 0:0 gegen Liverpool, den FC Getafe und Real Betis, nun das 1:1 gegen die „Blues“, bei dem es abgesehen von Karim Benzemas Schuss an den Außenpfosten und anschließenden Ausgleichstreffer keine Großchance gab. Nur vier eigene Tore in den letzten fünf Spielen. Mager. Zum Vergleich: Bei den fünf Begegnungen vor dem Abstecher nach Liverpool waren es noch 13 Treffer!
Die Belastung mit ununterbrochenen englischen Wochen seit Anfang April machen dem Team zusehends zu schaffen – zur absoluten Unzeit, der heißesten Phase der Saison. Und eine Besserung ist nicht in Sicht. Am Samstag müssen für den Titel in der Primera División gegen CA Osasuna wieder drei Punkte her, ehe das Rückspiel in London ansteht. Danach wiederum wollen gegen den FC Sevilla (9. Mai), den FC Granada (13. Mai) und Athletic (16./17. Mai) drei wohl entscheidende LaLiga-Partien binnen einer Woche bestritten werden. Eine gefährliche Situation, in der die Saison auf Messers Schneide steht. In einer körperlichen und mentalen Verfassung wie der aktuellen droht dem weißen Ballett im Laufe der nächsten Wochen früher oder später das Worst-Case-Szenario: ein titelloses Jahr.
- Weiterkommen nach Hinspiel-1:1 Zuhause? Das sagt die Historie
Chelsea mag wegen des erzielten Auswärtstreffers vor dem Rückspiel leicht favorisiert sein. Real wird dennoch seine realistische Chance auf ein Weiterkommen haben. In der Vergangenheit gelang es den Blancos in europäischen Wettbewerben nach einem Hinspiel-Remis im eigenen Stadion allerdings bloß in zwei von neun Fällen, sich letzten Endes noch durchzusetzen. Immerhin: Nachdem es die ersten sieben Male nicht geklappt hatte, glückte es bei den beiden bisher letzten Fällen – und das auch noch gegen einen englischen Klub. 2000 (0:0, 3:2) und 2013 (1:1, 2:1) jeweils gegen Manchester United.
- Daniel Carvajal: Die Viererkette liegt ihm mehr
Lag es einfach nur daran, dass er kürzlich erst von seiner wochenlangen Verletzungspause zurückgekehrt ist? Daniel Carvajal hat gegen Chelsea jedenfalls wahrlich nicht unter Beweis stellen können, dass er auf der rechten Außenbahn gut aufgehoben ist. Wenngleich der bullige Spanier üblicherweise niemand ist, der sein Augenmerk als Abwehrspieler voll und ganz auf die Defensive legt, ließ er seinen Offensivdrang vermissen. Carvajal war kein großer Faktor im Spiel nach vorne – obwohl in einem System ohne einen echten Flügelspieler im Angriff gespielt wurde. Die Position hinten rechts in einer Viererkette liegt ihm zumindest nach der Bewertung dieses Halbfinal-Hinspiels mehr.
- Pepe 2.0: Jetzt zeigt Éder Militão, was er wert ist
Dass Trainer Zidane seit einigen Wochen wiederholt mit einer Dreierkette spielen lässt, liegt neben den zumeist guten Leistungen von Raphaël Varane und Nacho Fernández auch an Éder Militão, der mit seiner starken Form aus der ersten Elf einfach nicht wegzudenken ist. Gegen Chelsea präsentierte er sich einmal mehr als rustikaler, meist aber fair agierender Innenverteidiger. Einmal mehr wurden Erinnerungen an den kompromisslosen Pepe wach. Militão ist ein Grund, weshalb die Vereinsbosse keine Anstalten machen, Sergio Ramos doch noch mal ein verbessertes Angebot zur Verlängerung des auslaufenden Vertrags zu machen. Bliebe der Kapitän und käme dann auch noch David Alaba, hätten die Merengues in der kommenden Saison im Abwehrzentrum ein ganz großes Luxusproblem. Roberto Carlos, Legende und Repräsentant des Klubs, über seinen brasilianischen Landsmann: „Er ist in einer unglaublichen Form, ich freue mich sehr für ihn.“ Die 50 Millionen Euro teure Verpflichtung des 23-Jährigen aus dem Sommer 2019 macht sich endlich bezahlt.
- Courtois ist aktuell der beste Torwart der Welt
Spektakulär tritt auch Thibaut Courtois auf. Der belgische Schlussmann ist für die Königlichen ein konstant sicherer Rückhalt. Kaum noch zu glauben, dass er in seinen ersten zwölf Monaten bei Real teilweise so zu kämpfen hatte, von den Fans äußerst kritisch beäugt wurde. Der neue Courtois ist dieser: Wenn die Abwehr schon geschlagen ist, ist er noch zur Stelle und rettet. Immer und immer wieder. Gegen Chelsea parierte er eine Riesenchance des ungestörten Timo Werner aus fünf Metern. Mittlerweile darf die Frage erlaubt sein: Welcher Torwart auf der Welt soll momentan besser sein als Madrids Nummer eins?
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