
Bellingham bei Real Madrid Stürmer: Man will wegschauen
Der Trainer, der Trainer, der Trainer. In Folge des 1:3 von Real Madrid am Sonntag bei Atlético wird in erster Linie Carlo Ancelotti die Verantwortung für den ersten Misserfolg der Saison 2023/24 zugeschoben. Und der Italiener zieht sich selbst auch keineswegs aus der Affäre. „Meine Schuld“, räumte „Carletto“ im Pressesaal des Estadio Metropolitano ein.
Was er meinte: Die Auswahl des Personals, das er ins Rennen geschickt hatte. Ancelotti griff zwar erneut auf das 4-1-2-1-2 zurück, entschied sich aber dazu, mit Toni Kroos, Luka Modrić, Eduardo Camavinga, Federico Valverde und Jude Bellingham fünf zentrale Mittelfeldakteure aufzubieten. Mit Bellingham gegen das Defensivbollwerk von Atlético in vorderster Front neben Rodrygo Goes – nicht Joselu, dem einzigen gelernten Mittelstürmer im Aufgebot.
Ja, die Gegentore fielen durch defensive Nachlässigkeiten zu leicht. Doch hinten müsste Real numerisch und qualitativ prinzipiell kein Problem haben. Gerade mit der offensiven Zusammenstellung in der Startelf nahm die Niederlage im Stadtderby bereits ihren Lauf. Bellingham als zweite Spitze: In welcher Welt soll so etwas funktionieren?
Zumal Rodrygo ebenso kein richtiger Mittelstürmer ist, als solcher im Fall der Fälle noch einen guten Kombinationspartner braucht. Allein dieser Anblick auf die Aufstellungsgrafik lässt einen erschaudern, er ist schlicht falsch. Ein Spieler mit der Rückennummer 5 ganz vorne: Man will sofort wegschauen. Einer, der als Achter gekommen ist und zum Zehner wurde, gibt jetzt auch noch den Neuner. Was ist bei Real nur los? Bellingham ist mit sechs Erfolgserlebnissen bester Torjäger im Team, faktisch aber keiner für diese Position.
Die Angreifer-Demontage: Hauptsache viele Mittelfeldspieler
Seine angestrebte Kontrolle bekam Ancelotti gegen Atlético übrigens. Real spielte mit 600 Pässen fast doppelt so viele wie Atlético (345), hatte 64 Prozent Ballbesitz. Hilft nur nicht, wenn der Kontrahent dafür zweimal öfter das Eckige trifft. So bestand Reals Spiel aus viel Ballgeschiebe und mal mehr, häufiger aber weniger Durchschlagskraft im Gefahrenbereich.
Man bekommt diese Saison seit der Einführung des Systems mit Raute immer wieder den Eindruck: Hauptsache, es stehen möglichst viele Akteure aus diesem zweifellos so hochkarätigen Mittelfeld auf dem Platz. Das ist angesichts der Qualität einerseits natürlich nachvollziehbar, geht aber auf Kosten der Angriffsreihe. Diese bildeten einst drei richtige Stürmer. Dann wurde Federico Valverde immer wieder nach vorne auf den Flügel gezogen. Und diese Defensiv-Entwicklung hört nicht auf. Sie ist einfach ermüdend! Mit Karim Benzema ging ein 30-Tore-Mann, seinen Platz eingenommen hat ein nominell x-ter Spielgestalter.
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Ancelotti kann mit Offensiv-Dichte nicht glücklich sein
Vergleicht man die vollbepackte Schaltzentrale und den dünn besetzten Angriff miteinander, ist der Kader personell nicht ausbalanciert. Es liegt auf der Hand, dass Ancelotti mit der Zusammensetzung nicht vollends glücklich sein wird. Jeder Trainer, der einen Mittelstürmer verliert, will diesen ersetzt bekommen. Kein Trainer der Welt will mit nur vier Stürmern in eine Saison gehen, von denen gerade mal einer klassisch allein in der Zentrale agiert.
Es heißt, er hätte Harry Kane (30) gerne als Benzema-Nachfolger gehabt. Die Chefetage um Präsident Florentino Pérez soll das jedoch abgelehnt haben, weil ein Transfer-Poker mit Tottenham Hotspur erfahrungsgemäß zu schwierig und zu kostspielig werden würde.
Aber auch, da den Bossen das Hier und Jetzt offenbar weniger wichtig ist als die Planung der späteren Zukunft. 2024 kommt der dann 18-jährige Endrick Felipe. Und da wäre ja noch Kylian Mbappé. Dass dieser Kerl auch 2023 nicht das weiße Trikot trägt, liegt ebenso an der kaum erklärlichen Zurückhaltung in Madrid. Anfang 2022 stellte Pérez die Interessen des Wunschobjekts über die eigenen, als es darum ging, vorsichtshalber einen Vorvertrag abzuschließen. Das Ergebnis ist bekannt. Dieses Jahr soll es bewusst nicht einmal Kontakt zum verkaufsbereiten Paris Saint-Germain gegeben haben. Wer soll das noch verstehen?
Kaderplanung hat eigentlich keine großen Erfolge verdient
Dann eben nicht! Insofern ist es bisweilen auch gut, wenn Real mit dieser beschaulichen Offensive jetzt auf Strecke nicht durchkommen sollte und immer wieder Quittungen kassiert. Das ist zu sorglos, das ist zu naiv, das ist zu fahrlässig, das ist zu sehr auf Kante genäht, als dass es in der Endabrechnung noch größere Erfolge verdient hätte.
Der Trainer, der Trainer, der Trainer. Nach der Derby-Pleite wird mit den Fingern auf Ancelotti gezeigt. Sie gehören auch gegen andere gerichtet. Gegen die, die ihn erst in diese Bredouille gebracht haben, dass er auf solch eine Idee kommt, die Angriffsreihe beinahe aufzulösen…
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