Analyse

Mehr als nur die Einstellungsfrage: Vier Erkenntnisse zur Supercopa

Real Madrid verliert im Supercopa-Finale 1:3 gegen Erzrivale Barcelona – und das hochverdient. Die Niederlage überwiegend an der Einstellung festzumachen, würde jedoch zu kurz greifen. REAL TOTAL liefert vier Erkenntnisse zur Supercopa-Pleite.

579
Hängende Köpfe bei Toni Kroos, Karim Benzema und Co. nach Spielende – Foto: GIUSEPPE CACACE/AFP via Getty Images

Am Ende war das Ergebnis weitaus knapper als es das Spiel eigentlich hergegeben hätte. Dass Real Madrid mit dem 1:3 gegen den FC Barcelona im Finale der Supercopa de España durchaus glimpflich davon gekommen war, darüber herrschten nach Spielende keine Zweifel. Weil die Königlichen phasenweise fast etwas hilflos wirkten und überhaupt nicht stattfanden, drängt sich schnell die nach derart blutleeren Vorstellungen gern bemühte „Mentalitätsfrage“ auf, doch die Niederlage alleine an der möglicherweise fehlenden Einstellung festzumachen, würde deutlich zu kurz greifen. Federico Valverde legte den Finger nach dem Spiel zwar genau in jene Wunde (Uns hat die nötige Einstellung gefehlt.), doch offenbarte der Clásico durchaus ein paar Baustellen, die vor allem struktureller Natur sind. REAL TOTAL mit vier Erkenntnissen zur Supercopa-Pleite.

1. Ein positionsgetreuer Ersatz für Tchouaméni fehlt

In Abwesenheit des verletzten Aurélien Tchouaméni entschied sich Carlo Ancelotti wie schon zunächst im Halbfinale gegen Valencia für die spielerische Lösung mit Toni Kroos auf der Sechs und Luka Modrić sowie Eduardo Camavinga davor. Und nicht zum ersten Mal ging jener Ansatz gegen ein spielstarken großen Gegner in die Hose. Während sich Kroos und Camavinga im Spielaufbau das eine oder andere Mal auf den Füßen standen oder im linken Halbraum sich gegenseitig die Räume zuliefen, fehlte es im Sechserraum oft an der nötigen Besetzung – sowohl als Auflösungsoption im Aufbau als auch als Absicherung für Barças Umschaltspiel. Es wurde wieder einmal deutlich: Fällt Tchouaméni aus, fehlt den Königlichen dieses Spielerprofil und erhöht die defensive Anfälligkeit um ein Vielfaches. Und diese Problematik ist keineswegs neu: Bereits die letzten Jahre hatte man mit ähnlichen Problemen zu kämpfen, sobald Casemiro ausfiel. Jegliche Versuche, diese Lücke mit anderen Spielertypen zu füllen, gingen oftmals schief. Kroos liegt diese Rolle nur bedingt, weil seine Stärken nun mal nicht zwangsläufig im Spiel gegen den Ball liegen. Camavinga bringt zwar die physischen und technischen Voraussetzungen mit, ist in seinem Spiel aber noch zu roh und undiszipliniert bezüglich der nötigen Positionstreue. Spätestens das Finale hat mehr als deutlich gezeigt: Die Königlichen benötigen einen positionsgetreuen Ersatz für die Sechserposition – insbesondere, um in den Spitzenspielen einen Plan B zu haben.

2. Rüdiger rechtfertigt Status als Innenverteidiger Nummer drei nicht

Die interne Hierarchie in der Innenverteidigung ist für Ancelotti klar: Éder Militão und David Alaba sind – sofern fit – gesetzt, der im Sommer von Chelsea geholte Antonio Rüdiger ist die klare Nummer drei, Vereinsikone Nacho Fernández nur noch die Nummer vier. Aktuell rechtfertigt Rüdiger seinen Status als erste Ersatzoption im Zentrum aber nur bedingt, der schwache Auftritt im Clásico (REAL TOTAL-Note 5,5) war nicht der erste dieser Art in den letzten Wochen. Rüdiger offenbarte zuletzt immer wieder Probleme im Aufbau, brachte seine Teamkameraden durch unkluge Pässe ins Pressing (wie vor dem 0:1) in schwierige Situationen oder leistete sich selbst gefährliche, unnötige Ballverluste, welche in großen Torchancen mündeten. Auch defensiv schlichen sich immer von Zeit zu Zeit Unzulänglichkeiten ein. Nacho hingegen zeigte, wie man es von ihm kennt, bei seinen letzten Auftritten als Innenverteidiger hingegen stets eine stabile und abgeklärte Leistung. Rüdiger bringt – deswegen hat man ihn auch verpflichtet – vor allem physisch jegliche Attribute mit, die ihn in als Innenverteidiger in die Weltklasse aufsteigen lassen können. Aktuell sieht man das jedoch deutlich zu selten. Dass Ancelotti gegen Lewandowski lieber auf die Kopfballstärke des gebürtigen Berliners setzte, ist nachvollziehbar, dass man Nacho in den nächsten Wochen jedoch wieder öfters sieht, ist ebenfalls nicht ausgeschlossen.

3. Vinícius benötigt mehr Unterstützung

Es war eine immer wiederkehrende Szenerie in den letzten Wochen: Der Ball kommt während eines Konters zu Vinícius Júnior und der Brasilianer zieht in unnachahmlicher Manier in Richtung Tor, sieht sich plötzlich jedoch zwei, drei oder gar vier Gegenspielern ausgesetzt – und bleibt vollkommen auf sich allein gestellt. Ein Grund, weshalb die Lebensversicherung der vergangenen Spielzeit aktuell nicht wirklich funktioniert, ist die fehlende Unterstützung, insbesondere von der linken Verteidigerseite. So wichtig Ferland Mendy für die defensive Stabilität auch ist, Vinícius benötigt dringend einen Partner auf seiner Seite, der durch regelmäßige Läufe in die Tiefe und Überladungen Räume und Entlastung schafft. Momentan ist das Spiel der Königlichen viel zu berechenbar, viele Gegner scheinen mittlerweile sehr gut auf Vinícius eingestellt zu sein, weil ihm zumeist nur das Dribbling gegen zwei bis drei Gegenspieler bleibt. Dabei hilft auch das Ausweichen Benzemas auf den Flügel nur bedingt, da Vinícius überwiegend dazu tendiert, Richtung Mitte zu ziehen und dem Madrider Angriffsspiel somit eine Option abgeht, die für die nötige Breite sorgt. Hier müssen die Königlichen dringend nachjustieren, sei es durch taktische Anpassungen oder gar neue personelle Reize (Fran Garcia?), ansonsten beraubt man sich mit einem vom Rest der Mannschaft isolierten Vinícius einer seiner größten Waffen.

Zusammenfassung | Alle Videos

Highlights Real Madrid 1:3 Barça

Real Madrid verliert im Finale der Supercopa de España! Die Königlichen unterlagen dem FC... weiterlesen

4. Ancelotti muss tiefen Block gegen spielstarke Gegner überdenken

In seiner Analyse nach der Partie sprach Ancelotti zwar hauptsächlich von „individuellen Fehlern“ und einem kollektiv „schlechten Spiel“, nichtsdestotrotz sollte man auch die allgemeine taktische Herangehensweise kritisch hinterfragen. Es war beileibe nicht das erste Mal, dass das abwartende Agieren in einem tiefen Block gegen einen auf ballbesitz fixierten, spielstarken Gegner gehörig in die Hose ging. Als Beispiele seien hier das PSG-Hinspiel (0:1), der Rückrunden-Clásico (0:4), phasenweise das City-Hinspiel (3:4) oder auch die 1:2-Niederlage gegen Villarreal in der Liga vor Wochenfrist zu nennen. Alle Spiele verliefen nach dem mehr oder weniger selben Muster: Real fand durch die eigene passive und abwartende Spielweise gegen den Ball überhaupt keinen Zugriff und geriet aufgrund großer Abstimmungsprobleme im Zentrum und einer schwachen Strafraumverteidigung phasenweise im Minutentakt in die Bredouille. Im Gegenzug ging der Plan, gegen jene Gegner über Vinícius, Benzema und Valverde im Umschaltspiel zum Erfolg zu kommen, überhaupt nicht auf, da die Unterstützung aus dem Mittelfeld komplett fehlte. Und dass das königliche Mittelfeld – insbesondere Kroos und Modrić – mit dieser Spielweise nur bedingt zurecht kommt, ist nun auch keine besonders neue Erkenntnis. Zumal man den Gegnern mit dieser Ausrichtung sogar eher entgegen kommt und sich selbst teilweise seiner eigenen Stärken beraubt. Ancelotti muss für die zukünftigen Spiele definitiv auch hier ansetzen.

Real Madrid – Trikot 2022/23: Jetzt im Adidas-Onlineshop bestellen

0.00 avg. rating (0% score) - 0 votes
von
Yannick Frei

Hauptberuflich im Nachwuchsfußball zuhause. Von den Großmeistern Figo und Zidane verzaubert, bin ich bis heute ein glühender Anhänger des größten Klubs der Welt.

Kommentare
Aus Interesse habe ich auch mal nachgeschaut, aber nichts konkretes gefunden. Es gab wohl in der letzten Woche einen großen Rückschlag für Fede und seine Familie. Mehr ist nicht bekannt bisher...
Mehr konnte ich auch leider nicht herausfinden, spiegelt sich momentan leider wider in seinen Leistungen wieder. Kaum wiederzuerkennen....! Hoffe, er übersteht dieses tief neben und auf dem Platz, so schnell wie möglich!
 
Mehr konnte ich auch leider nicht herausfinden, spiegelt sich momentan leider wider in seinen Leistungen wieder. Kaum wiederzuerkennen....! Hoffe, er übersteht dieses tief neben und auf dem Platz, so schnell wie möglich!

Ja, das merkt man, aber er gehört neben Tbo und mit Abstrichen Vini zu den drei Spielern denen man wenig bis garnichts vorwerfen kann bzgl Leistung und Einsatz. Dazu war er der sich gestern den Reportern gestellt hat im Gegensatz zu unseren Kapitän oder den erfahrenen wie Kroos und Modric.

Vergessen dürfen wir auch nicht das er auch nur ein Mensch ist und je nachdem was Privat passiert ist, denke ich das es verständlich ist das er nicht bei 100% Fokus ist. Hoffe er und seine Familie bekommen das schnell wieder hin und überstehen die schwer Zeit, nicht primär wegen des Fußballs sondern weil man ihnen nur das beste Wünschen kann..
 
Es ist echt traurig mitanzusehen wie “unsere” spieler bei anderen mannschaften so richtig geil performen, wir sie aber gerade dringends benötigen würden.

Egal ob auf den Außenverteidiger positionen mit Miguel, Reguillon, Theo oder Achraf oder in der Offensive mit Ødegaard ‍

unbegreiflich wie man die spieler einfach so gehen lassen hat.. jetzt brauchen wir uns nicht wunderen dass unser kader zu dünn ist.. war nur eine frage der zeit, so bald alle in form sind braucht man nur 11 spieler jaa aber jetzt wo so gut wie jeder außer Thibaut ihrer form hinterher laufen, merkt man erst wie wichtig ein größerer kader wäre ‍
 
das problem ist keine dieser erkenntnisse ist neu. dass kroos und modric nicht pressen können (das ganze team kann nicht im kollektiv pressen...!), dass rüdiger underperformt, dass mendy kein roberto carlos ist, dass wir probleme gegen low blocks haben sind alles dinge die hunderte male hier im forum angesprochen wurden. aber wir kriegen weder neue spieler noch zeigt carlo auch nur ansatzweise anzeichen von taktischer variabilität. diese "krise" ist mmn die schuld des trainers und der vereinsführung, die beide viel zu konservativ agieren.
 
Es wird endlich Zeit für drn verdammten Umbruch im Mittelfeld. Ich bin mir zu 100% sicher mit einem Mittelfeld aus Tchouameni, Cama und Valverde hätten wir gegen Barca mithalten können. Kroos und vor allem Modric haben fertig
 
Meine Wunschliste an Perez:
Ein Vollblutstürmer für die Startelf
Ein Rechtsaussen für die Startelf (Asensio oder Rodrygo sind einfach keine Startelfkandidaten und Valverde gehört ins Mittelfeld)
Zwei Aussenverteidiger für die Startelf (Gleiches gilt für Carvajal und Mendy, sind höchstens als Backup zu gebrauchen)
& Bellingham (somit hätte man 4 tolle junge Mittelfeldspieler und Kroos & Modric können als Backup noch eine Saison anhängen)

Dies bitte alles spätestens im Sommer 2023.
Danke
 
Alles richtig, nicht von der Supercopa abgeleiitet aber dennoch nicht minder wichtig für mich:

5. Keine Alternative auf der Rechtsverteidigerposition. Entweder Carvajal funktioniert oder wir spielen mit tendenziell leistungsschwächeren Spielern wie Vazquez oder Rüdiger. Linke Seite wurde bereits angedeutet im Artikel. Ferland Mendy ist ein sehr solider Verteidiger, mehr leider nicht.

6. Kaum Impulse oder Qualität, die von der Bank kommen könnte. Stichwort Kadertiefe.
 
Wir haben auf der Bank nur Lords. Die meisten würden bei anderen Elite-Teams nicht einmal auf der Bank sitzen…
 

Verwandte Artikel

Reals Titel-Fundament: Warum die Defensive den Unterschied macht

Real Madrid brennt in dieser Saison (noch) kein Offensivspektakel ab. Doch während...

Trotz García-Aufschwung: Real muss einen Linksverteidiger holen

Die bisherigen Auftritte von Real Madrid bei der FIFA Klub-WM haben einige...

Güler blüht auf: Wie Alonso den Spielmacher der Zukunft formt

Real Madrids 1:0-Erfolg über Juventus Turin im Achtelfinale der Klub-WM war kein...

Klub-Überblick: Basketballer historisch, Blancas vor Umbruch

Real Madrid besteht aus mehr als nur den Profis der ersten Fußball-Mannschaft....