Analyse

Mehr als nur die Einstellungsfrage: Vier Erkenntnisse zur Supercopa

Real Madrid verliert im Supercopa-Finale 1:3 gegen Erzrivale Barcelona – und das hochverdient. Die Niederlage überwiegend an der Einstellung festzumachen, würde jedoch zu kurz greifen. REAL TOTAL liefert vier Erkenntnisse zur Supercopa-Pleite.

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Hängende Köpfe bei Toni Kroos, Karim Benzema und Co. nach Spielende – Foto: GIUSEPPE CACACE/AFP via Getty Images

Am Ende war das Ergebnis weitaus knapper als es das Spiel eigentlich hergegeben hätte. Dass Real Madrid mit dem 1:3 gegen den FC Barcelona im Finale der Supercopa de España durchaus glimpflich davon gekommen war, darüber herrschten nach Spielende keine Zweifel. Weil die Königlichen phasenweise fast etwas hilflos wirkten und überhaupt nicht stattfanden, drängt sich schnell die nach derart blutleeren Vorstellungen gern bemühte „Mentalitätsfrage“ auf, doch die Niederlage alleine an der möglicherweise fehlenden Einstellung festzumachen, würde deutlich zu kurz greifen. Federico Valverde legte den Finger nach dem Spiel zwar genau in jene Wunde (Uns hat die nötige Einstellung gefehlt.), doch offenbarte der Clásico durchaus ein paar Baustellen, die vor allem struktureller Natur sind. REAL TOTAL mit vier Erkenntnissen zur Supercopa-Pleite.

1. Ein positionsgetreuer Ersatz für Tchouaméni fehlt

In Abwesenheit des verletzten Aurélien Tchouaméni entschied sich Carlo Ancelotti wie schon zunächst im Halbfinale gegen Valencia für die spielerische Lösung mit Toni Kroos auf der Sechs und Luka Modrić sowie Eduardo Camavinga davor. Und nicht zum ersten Mal ging jener Ansatz gegen ein spielstarken großen Gegner in die Hose. Während sich Kroos und Camavinga im Spielaufbau das eine oder andere Mal auf den Füßen standen oder im linken Halbraum sich gegenseitig die Räume zuliefen, fehlte es im Sechserraum oft an der nötigen Besetzung – sowohl als Auflösungsoption im Aufbau als auch als Absicherung für Barças Umschaltspiel. Es wurde wieder einmal deutlich: Fällt Tchouaméni aus, fehlt den Königlichen dieses Spielerprofil und erhöht die defensive Anfälligkeit um ein Vielfaches. Und diese Problematik ist keineswegs neu: Bereits die letzten Jahre hatte man mit ähnlichen Problemen zu kämpfen, sobald Casemiro ausfiel. Jegliche Versuche, diese Lücke mit anderen Spielertypen zu füllen, gingen oftmals schief. Kroos liegt diese Rolle nur bedingt, weil seine Stärken nun mal nicht zwangsläufig im Spiel gegen den Ball liegen. Camavinga bringt zwar die physischen und technischen Voraussetzungen mit, ist in seinem Spiel aber noch zu roh und undiszipliniert bezüglich der nötigen Positionstreue. Spätestens das Finale hat mehr als deutlich gezeigt: Die Königlichen benötigen einen positionsgetreuen Ersatz für die Sechserposition – insbesondere, um in den Spitzenspielen einen Plan B zu haben.

2. Rüdiger rechtfertigt Status als Innenverteidiger Nummer drei nicht

Die interne Hierarchie in der Innenverteidigung ist für Ancelotti klar: Éder Militão und David Alaba sind – sofern fit – gesetzt, der im Sommer von Chelsea geholte Antonio Rüdiger ist die klare Nummer drei, Vereinsikone Nacho Fernández nur noch die Nummer vier. Aktuell rechtfertigt Rüdiger seinen Status als erste Ersatzoption im Zentrum aber nur bedingt, der schwache Auftritt im Clásico (REAL TOTAL-Note 5,5) war nicht der erste dieser Art in den letzten Wochen. Rüdiger offenbarte zuletzt immer wieder Probleme im Aufbau, brachte seine Teamkameraden durch unkluge Pässe ins Pressing (wie vor dem 0:1) in schwierige Situationen oder leistete sich selbst gefährliche, unnötige Ballverluste, welche in großen Torchancen mündeten. Auch defensiv schlichen sich immer von Zeit zu Zeit Unzulänglichkeiten ein. Nacho hingegen zeigte, wie man es von ihm kennt, bei seinen letzten Auftritten als Innenverteidiger hingegen stets eine stabile und abgeklärte Leistung. Rüdiger bringt – deswegen hat man ihn auch verpflichtet – vor allem physisch jegliche Attribute mit, die ihn in als Innenverteidiger in die Weltklasse aufsteigen lassen können. Aktuell sieht man das jedoch deutlich zu selten. Dass Ancelotti gegen Lewandowski lieber auf die Kopfballstärke des gebürtigen Berliners setzte, ist nachvollziehbar, dass man Nacho in den nächsten Wochen jedoch wieder öfters sieht, ist ebenfalls nicht ausgeschlossen.

3. Vinícius benötigt mehr Unterstützung

Es war eine immer wiederkehrende Szenerie in den letzten Wochen: Der Ball kommt während eines Konters zu Vinícius Júnior und der Brasilianer zieht in unnachahmlicher Manier in Richtung Tor, sieht sich plötzlich jedoch zwei, drei oder gar vier Gegenspielern ausgesetzt – und bleibt vollkommen auf sich allein gestellt. Ein Grund, weshalb die Lebensversicherung der vergangenen Spielzeit aktuell nicht wirklich funktioniert, ist die fehlende Unterstützung, insbesondere von der linken Verteidigerseite. So wichtig Ferland Mendy für die defensive Stabilität auch ist, Vinícius benötigt dringend einen Partner auf seiner Seite, der durch regelmäßige Läufe in die Tiefe und Überladungen Räume und Entlastung schafft. Momentan ist das Spiel der Königlichen viel zu berechenbar, viele Gegner scheinen mittlerweile sehr gut auf Vinícius eingestellt zu sein, weil ihm zumeist nur das Dribbling gegen zwei bis drei Gegenspieler bleibt. Dabei hilft auch das Ausweichen Benzemas auf den Flügel nur bedingt, da Vinícius überwiegend dazu tendiert, Richtung Mitte zu ziehen und dem Madrider Angriffsspiel somit eine Option abgeht, die für die nötige Breite sorgt. Hier müssen die Königlichen dringend nachjustieren, sei es durch taktische Anpassungen oder gar neue personelle Reize (Fran Garcia?), ansonsten beraubt man sich mit einem vom Rest der Mannschaft isolierten Vinícius einer seiner größten Waffen.

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4. Ancelotti muss tiefen Block gegen spielstarke Gegner überdenken

In seiner Analyse nach der Partie sprach Ancelotti zwar hauptsächlich von „individuellen Fehlern“ und einem kollektiv „schlechten Spiel“, nichtsdestotrotz sollte man auch die allgemeine taktische Herangehensweise kritisch hinterfragen. Es war beileibe nicht das erste Mal, dass das abwartende Agieren in einem tiefen Block gegen einen auf ballbesitz fixierten, spielstarken Gegner gehörig in die Hose ging. Als Beispiele seien hier das PSG-Hinspiel (0:1), der Rückrunden-Clásico (0:4), phasenweise das City-Hinspiel (3:4) oder auch die 1:2-Niederlage gegen Villarreal in der Liga vor Wochenfrist zu nennen. Alle Spiele verliefen nach dem mehr oder weniger selben Muster: Real fand durch die eigene passive und abwartende Spielweise gegen den Ball überhaupt keinen Zugriff und geriet aufgrund großer Abstimmungsprobleme im Zentrum und einer schwachen Strafraumverteidigung phasenweise im Minutentakt in die Bredouille. Im Gegenzug ging der Plan, gegen jene Gegner über Vinícius, Benzema und Valverde im Umschaltspiel zum Erfolg zu kommen, überhaupt nicht auf, da die Unterstützung aus dem Mittelfeld komplett fehlte. Und dass das königliche Mittelfeld – insbesondere Kroos und Modrić – mit dieser Spielweise nur bedingt zurecht kommt, ist nun auch keine besonders neue Erkenntnis. Zumal man den Gegnern mit dieser Ausrichtung sogar eher entgegen kommt und sich selbst teilweise seiner eigenen Stärken beraubt. Ancelotti muss für die zukünftigen Spiele definitiv auch hier ansetzen.

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von
Yannick Frei

Hauptberuflich im Nachwuchsfußball zuhause. Von den Großmeistern Figo und Zidane verzaubert, bin ich bis heute ein glühender Anhänger des größten Klubs der Welt.

Kommentare
Ich habe es vor gut 3-4 Monaten schon gesagt die 2
Amtszeit von Carlo wird genau wie die erste Amtszeit und das Spiegelbild wird klarer und klarer !

Die Jahre des nicht aktiv's werden hat die Schere im spielerischen Glanz gesehen immer größer zu Europas Elite werden lassen u d da ist Barca bei weitem nicht drin und sein wir ehrlich letztes Jahr der CL Sieg hat einen Riesen Spaß gemacht, aber lag keineswegs an unserer spielerischen Klasse , denn auch da waren wir bis auf das Chelsea Hinspiel meist klar unterlegen und es lag eher am Unvermögen des Gegners , plus unserer Mentalität / das Herz den kleinsten Funken / kleinsten Fehler des Gegners doch noch in ein Feuer umzuwandeln und dazu sehr sehr viel Glück ( ich will das auch gar nicht missen und Feier es immer noch aber man muss ehrlich sein ) !
Irgendwann kommt dann halt der WendePunkt wo man dann klar merkt das Europas Elite spielerisch gesehen und da ist Barca bei weitem nicht dabei , weit weg von uns ist , dazu uns wirklich auch jeder ach so kleine Gegner vor großen Problemen stellt …..
das liegt zu einem daran das man lange nichts am Kader gemacht hat , die Oldies es allmählich nicht mehr schaffen die Jungen mitzuziehen , die meisten Jungen nicht die nächsten Schritte nach vorn machen , man einen Trainer hat der es nicht sehen will ( vielleicht auch einfach nicht kann ) das man neue Spieler braucht & erst recht nicht den Mund bei Perez aufmacht das man welche braucht , dazu mit Carlo als Trainer einen Typen an der Seitenlinie hat der rein taktisch / plus in der Variabilität , plus neue Ideen einfach scheinbar nichts “ kann im modernen Fußball !
Er ist einfach kein Trainer für lang meiner Meinung nach, er kann ein Team erwecken Mentalitäts - Stimmungsmäßig , aber das war’s dann auch !

Gut noch ist Zeit dies zu ändern ( stand jetzt nämlich , soooo …… wird das mit Titeln eher Titel in dieser Saison wohl eher nichts ) , dennoch MUSS nach der Saison endlich ein SCHNITT kommen , eine neue Ära endgültig eingeleitet werden , am Kader was geändert werden , Geld in die Hand genommen werden , ein umdenken bei Perez ( nicht nur das Stadion im Kopf haben ) und das ohne wieder in der Vergangenheit rum zu wühlen in der Hoffnung altes nochmals aufleben zu können , heißt “ bei allem Respekt vor den Erfolgen “,
NO Carlo & NO Zidane ,
sondern endlich einen Trainer mit Plan für eine neue Ära und den man auch machen lässt und viel Geld in die Hand gibt , denn ansonsten wird die spielerische Klasse und dessen Schere zu Europas Elite noch viel größer als sie ohnehin schon ist !
Und bis dahin gilt es jetzt zu hoffen das das pleite am bodenliegende Barca “ eigentlich ( für uns reicht es dann doch und das mit klarem Klassenunterschied ) in der Liga Federn lässt und wir so die Chance auf den Liga Titel wahren können !

ps . Und ja das heute lag definitiv nicht nur an der Einstellung und geht schon seit Wochen vor der WM so
 
Zuletzt bearbeitet:
man hat sich die Probleme selber geschaffen

zu 1,
Ein positionsgetreuer Ersatz für Tchouameni fehlt,
man hatte ja einen und zwar Blanco, wenn er gespielt hat, hat er seine Sache immer gut und souverän gemeistert.

zu 2,
Rüdiger rechtfertigt seinen Status als Innenverteidiger Nummer drei aktuell nicht.
Warum hat man ihn geholt, Nacho hat seine sache immer gut gemacht, und man hätte einen IV aus der Castilla einbinden können

zu 3,
Vinícius benötigt mehr Unterstützung
Gutiérrez wäre der richtige, den gibt man auch ab, Gutiérrez und Vini haben, wenn sie zusammen gespielt haben, gut harmoniert

zum Trainer, für den größeren Umbruch braucht es einen Trainer der einen Plan hat und eine Mannschaft aufbauen kann, aber kein Carlo, Tuchel oder Zidane
 
Zu dünner Kader.
Leistungsträger außer Form, bis auf T-Bo.
Spielerisch wiedermal limitiert, Mut ist ein Fremdwort.
Unsere Av´s sind leider nicht mehr Madrid Niveau.
Eigentlich könnte und müsste man im Winter zumindest auf den Av´s etwas unternehmen.

Vielleicht hatte diese Niederlage etwas Positives und öffnet einigen die Augen.
Titel werden wir höchstens holen, wenn wieder 5 - 6 unsere Säulen wieder über performen, aber momentan ist eher das Gegenteil der Fall....
 
Zuletzt bearbeitet:
Im Prinzip könnte ja alles was schon gesagt wurde einfach nur mit bestätigt erfasst werden. Es sind Dinge angesprochen worden die vor der Saison ein Faktor für die kommende Saison werden. Die Breite des Kaders ist ungenügend für eine Solche Saison. Wir haben in der Abwehr keine stabilen Außen und weisen im Spiel so oft Schwächen in der Ballverarbeitung aus. Immer muss ein Kroos einem Rüdiger oder Mendy aushelfen, um das Spiel anzukurbeln, wenn der Gegner tief in unserer Hälfte steht. Das ist so einfach zu durchschauen! Benz und Vini sind keine Zauberer in der Offensive, da braucht es einfach mehr Hilfe! Mittlerweile schaffen es auch andere Mannschaften uns das Leben schwer zu machen. Das muss sich wieder ändern.
 
Ich suche die Schuld hierbei gar nicht so sehr bei Carlo.
Er holt das Maximum aus dem Kader raus, im letzten Jahr mit der CL sogar mehr als das Maximum.
 
Zu dünner Kader.
Leistungsträger außer Form, bis auf T-Bo.
Spielerisch wiedermal limitiert, Mut ist ein Fremdwort.
Unsere Av´s sind leider nicht mehr Madrid Niveau.
Eigentlich könnte und müsste man im Winter zumindest auf den Av´s etwas unternehmen.

Vielleicht hatte diese Niederlage etwas Positives und öffnet einigen die Augen.
Titel werden wir höchstens holen, wenn wieder 5 - 6 unsere Säulen wieder über performen, aber momentan ist eher das Gegenteil der Fall....

Haaa das kannst du leider vergessen das das jemanden die Augen öffnet ! Ich habe die Hoffnung da aufgegeben das endlich mal ein umdenken stattfindet und man endlich aktiv wird auf dem Transfermarkt , man dazu auch endlich wieder qualitativ in der Breite gesehen breiter aufgestellt ist , man was ändert an der Spielweise usw. !
Dieses an nur an einem Stürmer festhalten ( einen 35 jährigen muss man dazu noch sagen ) , keine richtigen Alternativen auf den außen ob Offensiv oder Defensiv wird uns jetzt einiges kosten !
 
Zuletzt bearbeitet:
Hat jemand eine Ahnung was mit Valverde los ist, anscheinend ist privat irgendetwas vorgefallen..... ?

Aus Interesse habe ich auch mal nachgeschaut, aber nichts konkretes gefunden. Es gab wohl in der letzten Woche einen großen Rückschlag für Fede und seine Familie. Mehr ist nicht bekannt bisher...
 

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