
Auf die Landesmeister-Triumphe der Generation Di Stéfano muss sich ein Madridista längst nicht mehr berufen. Als der Durst nach “La Décima” 2014 gestillt worden war, legte Real Madrid nach einer kurzen Unterbrechung in der Champions League 2016, 2017 und 2018 eine Serie hin, wie sie den Königlichen erst einmal jemand nachmachen muss. Und doch war der größte Klub der Welt schon kurz darauf, im März 2019 “in der Hölle angekommen”.
Wie REAL TOTAL damals schrieb, damals schreiben musste: Die in Europa über Jahre unschlagbare Mannschaft war verschollen. Die zuvor zuverlässigsten Spieler hatten “keinen Schimmer, wo sie hinlaufen sollten”, hatten sich “im Tiefschlaf präsentiert”, waren “weiterhin auf der Suche nach ihrer Top-Form” – und hatten vor genau einem Jahr binnen sieben Tagen alles verspielt. Ein Blick zurück.
Keine Tore ohne CR7
Auf ein Mut machendes 1:1 im Copa-Halbfinal-Hinspiel im Camp Nou folgte am 27. Februar 2019 die laut Casemiro zum damaligen Zeitpunkt “beste erste Halbzeit der Saison”. Auch über die volle Spielzeit waren die Königlichen beim deutlichen 0:3 gegen den FC Barcelona die vermeintlich bessere Mannschaft, präsentierten sich mit jungen Hoffnungsträgern wie Vinícius Junior oder Sergio Reguilón aber zu unreif – während die Katalanen eiskalt zuschlugen. Und Fußball ist nun einmal ein Ergebnissport. Die erste endgültige Ernüchterung in einer zähen und Tor-armen “Saison eins nach Cristiano Ronaldo”.
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Recht ähnlich lief am 2. März, nur drei Tage später, auch der Liga-Clásico ab. Mit einem weiteren Auswärtssieg (1:0) zog Barça, das sich gegen ein ambitioniertes, irgendwie aber zahnloses Real Madrid schadlos halten konnte, auf zwölf Punkte davon und beendete die ohnehin vorzeitig schwindenden Titel-Hoffnungen des Rekordmeisters in dessen drei-Trainer-Saison (Julen Lopetegui, Santiago Solari, Zinédine Zidane) ein für allemal.
2018 überstrahlte der CL-Titel die Probleme
Weil ausbleibende überzeugende Leistungen auf konstanter Basis bereits in der Vorsaison eine Meisterfeier am Cibeles verhindert hatten, war dies kein ungewohntes, aber ein gewissermaßen verdrängtes Gefühl. Denn der königliche Lieblingswettbewerb, die Champions League, könnte das nationale Versagen doch sicherlich wieder überstrahlen. Oder?
Diesmal nicht! Nach einem schmeichelhaften 2:1-Sieg in Amsterdam endete am 5. März 2019 im Bernabéu eine große Ära: Ein inzwischen vom modernen Transfermarkt zerpflücktes und von Getafe aus der Europa League geworfenes Ajax versetzte dem von Solari trainierten “Triple-Champion” schon im Achtelfinale den unweigerlichen Gnadenstoß (1:4). Die “Scheiß-Saison” (Zitat Daniel Carvajal), sie war binnen sieben Tagen vorbei und Reals erstes Achtelfinal-Aus nach acht Halbfinal-Teilnehmen in Folge besiegelt.

Gnadenstoß, weil Real nach seinen Höhenflügen augenscheinlich ganz unten ankommen musste, was es nach dieser Horrorwoche auch tat. Denn ehrlicherweise hatten Mängel in puncto Taktik und Motivation – auch die WM 2018 trug zwischenzeitlich eine “Mitschuld” – schon kurz nach der Machtdemonstration gegen Barça in der Supercopa im Spätsommer 2017 die Merengues heimgesucht und beeinträchtigt. Eineinhalb Jahre später war nicht eine Ausrede am Super-GAU mehr übrig.
Zunächst auch Zweifel an Zidane
Umbruch und Umdenken mussten zwangsläufig her – und das, so war der Plan, unter dem vor der “Scheiß-Saison” weise von Dannen gezogenen Erfolgscoach Zidane. Der sich bereit erklärte, der aber gleichwohl einige Monate Anlaufzeit und Überzeugungsarbeit benötigte, um berechtigte Zweifel auch unter seiner Leitung zu beseitigen und die Blancos wieder zu einem Titelaspiranten zu formen.
Mit einem Casemiro, einem Toni Kroos oder einem Raphaël Varane, die nicht mehr als Schatten ihrer selbst bezeichnet werden müssen, sondern vielleicht besser spielen als je zuvor. Mit einer Defensive, die plötzlich nicht mehr traditionelle Achillesverse, sondern hin und wieder Prunkstück einer gefestigten Mannschaft ist, in der ein formschwacher Marcelo immer besser von Neuzugang Ferland Mendy vertreten wird und mit Federico Valverde oder dem wiedererstarkten Vinícius junge Emporkömmlinge der (erweiterten) Startelf neue Frische und Variabilität verleihen. “Wir werden Dinge verändern”, sagte Zidane bei seiner Rückkehr vor einem Jahr, jedoch stehen oft trotz Rekord-Transfersommers noch die “alten Bekannten” auf dem Platz, kaum Gelegenheiten für Neue – aber noch reicht es irgendwie.
Ein Jahr nach einer Woche der Wahrheit hat Madrid auch gleichzeitig wieder eine andere Woche der Wahrheit hinter sich gebracht: Das vermeidbare Pokal-Aus gegen Real Sociedad (3:4) datiert zwar vom 6. Februar, binnen weniger Tage hätten sich die Königlichen auch auf den zwei verbleibenden Hochzeiten ein Bein stellen (lassen) können. Und wurden nach der 1:2-Pleite im Hinspiel des Champions-League-Achtelfinals gegen Manchester City erneut die Erinnerungen an die ein Jahr alte Horrorwoche wach, beseitigten die Blancos im wichtigen Liga-Clásico gegen Barcelona (2:0) wieder viele Zweifel. Freier Fall abgewendet!

Eine weitere derartige Horrorwoche wie vor einem Jahr wurde mehr oder weniger umschifft, und doch ist ab sofort patzen noch mehr als sonst verboten! Auch sollte es im Rückspiel in Manchester (17. März) doch irgendwie nicht reichen, hat man die 34. Meisterschaft – die erste seit 2017 und 2012 – in der eigenen Hand und auch dank des direkten Vergleichs sogar zwei statt nur einen Punkt Vorsprung auf Barcelona.
Zidane kündigte es vor elf Monaten höchstpersönlich an: “Die Liga wird unsere Priorität sein!” Die Liga und damit einhergehend: trotz Umbruchs das Vermeiden einer weiteren Horror-Saison!
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