
Ja, drei Siege aus drei Spielen – rein von den Zahlen her geht’s eigentlich nicht besser. Aber aktuell könnte mal wieder die Gefahr bestehen, dass sich die königliche Vereinsführung blenden lässt. Also jene Führung, die schon 2018 Julen Lopetegui bei dessen Entlassung vorwarf, aus einem Kader mit elf Ballon-d’Or-Nominierten nichts rauszuholen. Willkommen in der Welt von Real Madrid, wo manchmal ein bisschen naiv geplant und gehandelt wird. Und wo Begriffe wie Umdenken oder Alternativen eher Fremdwörter sind.
Real Madrids Pläne sind oft naiv (siehe das ewige Warten auf Achraf Hakimi). Das machte sich schon im Frühjahr 2022 bemerkbar, als man sich nach Kylian Mbappés Absage um gar keinen Ersatz kümmerte. Dass Mbappé auch ein Jahr später noch Plan A, B und C ist, wie ich schon immer sage, zeigt sich an den letzten Wochen. Der spanische Rekordmeister wartet nicht nur ab, er lehnt sich nahezu zurück und wartet darauf, dass PSG noch mit den Forderungen runter geht – ziemlich naiv, oder? 2022 ließ man Erling Haaland ziehen, diesen Sommer hätte man sich um Harry Kane (mehr) bemühen können, im letzten Winter um Cancelo. Sich keine Alternative zurechtlegen und mit nominell nur vier Angreifern in die Saison gehen – sehr naiv, oder? Aber dass jetzt Vinícius Júnior ausfällt, auch wenn es „nur“ sechs Wochen zu Saisonbeginn sind, kann ich nicht anders als als fahrlässig beschreiben.
Selbst mit einem fitten Vinícius hat dieser Kader nach noch einer offensiven Verstärkung geschrien. Was, wenn der 23-Jährige am Ende sogar länger ausfallen sollte? Bislang galt er als unkaputtbar, wurde auch dadurch immer wieder von Carlo Ancelotti eingesetzt, der dessen Physis und Regeneration stets hervor hob. Und sich zu sehr darauf verließ, denn nach der verrückten WM-Saison 2022/23, in der Real Madrid nicht nur 61 Pflichtspiele hatte (Rekord wären 62 gewesen), sondern auch mal neun, mal acht englische Wochen am Stück, machte selbst Vinícius gegen Saisonende schlapp und ein paar Mal aus. Zweieinviertel Pflichtspiele später und Vinícius hat sich bei einem Sprint – nicht durch Gegnereinwirken – etwas getan. Was, wenn die Seuche anhält bei Real Madrid? Der Brasilianer stellt schon den sechsten Verletzten dar nach drei Pflichtspielen. Was, wenn es als nächstes andere Dauerbrenner wie Rodrygo Goes oder Eduardo Camavinga trifft? Schon klar: Man kann Positionen nicht dreifach besetzen, zumal in Spanien ohnehin nur 25 Profis registriert werden dürfen, aber ein Platz im Kader – die Nummer 9 – ist ohnehin noch frei und notfalls zahlt man Álvaro Odriozola seinen Vertrag aus beziehungsweise „verschenkt“ ihn wie damals James Rodríguez, um noch einen Platz frei zu bekommen.
Wenn Real Madrid jetzt nicht handelt, fällt es auch mir mit meinen optimistischen Gedanken – selbst nach den Kreuzbandrissen von Thibaut Courtois und Éder Militão tippte ich noch auf den Liga-Titel – schwer, nach vorne zu schauen. Nur drei oder vier Offensive reichen nicht, allein schon bei dem aktuellen Verletzungspech! Die Führung um Florentino Pérez, José Ángel Sánchez und Co. darf sich nicht weiter von dem spielerisch ordentlichen, aber alles andere als makellosen Saisonstart blenden lassen, zumal Real schon vor einem Jahr mit sechs Siegen und zwölf ungeschlagenen Spielen begann, landete schlussendlich aber deutlich hinter Barça. Ob Mbappé noch kommt oder nicht (ich glaube eher nicht daran), muss Real Madrid jetzt doch nochmal aktiv werden. Aber auch hier bin ich nicht allzu optimistisch … dafür sind die Blancos mit ihrer „Unser Kader mit so vielen CL-Siegern ist gut genug“-Einstellung leider bekannt.
Denn auch der Transfermarkt wirkt schon ordentlich abgegrast, einerseits dank Saudi-Arabien, andererseits hat Real Madrid noch mehr kostbare Zeit verloren. Die Verletzung geschah am Freitagabend, aber erst 70 Stunden später folgte die Diagnose. Dabei hat das Transferfenster nur noch bis Freitagabend geöffnet in Spanien. Die Zeit läuft, dabei gibt es die Baustelle schon seit Karim Benzemas Abschied – dieser Abgang war allerdings nicht eingeplant (Joselu sollte sein Backup sein) und trotzdem wollte der spanische Rekordmeister hier nicht tätig werden. Sehr naiv, wie so oft, oder?
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