
Rodrygo als Lichtblick in einer lahmenden Offensive
Die Schnelllebigkeit des Fußballs ist doch immer wieder aufs Neue erstaunlich. Vor wenigen Wochen galt Rodrygo Goes – zumindest medial – noch als der Verkaufskandidat Nummer eins. Uneinigkeiten mit Xabi Alonso über seine präferierte Position sollen obendrein ihr übriges getan haben. Und nun war es ausgerechnet der Brasilianer, der sich in den vergangenen Wochen wie der Phönix aus der Asche erhob, seine neunmonatige Torflaute beendet und mit starken Auftritten als – wie sollte es auch anders sein – rechter Flügel einer der Hauptgründe ist, wieso Xabi Alonso überhaupt noch als Trainer der Blancos in die Weihnachtspause gehen kann.
Rodrygo gefällt dabei in neuer Rolle in neuer Position als mehr oder weniger klassischer Rechtsaußen im 4-4-2, balanciert das sonst so linkslastige Spiel der Blancos zumindest ein wenig aus und sorgt in der sonst aktuell extrem statischen und insgesamt lahmenden Offensive immerhin für einen kleinen Lichtblick. Da Brahim Díaz nun beim Afrika-Cup weilt und Franco Mastantuono in der internen Rangliste abgerutscht ist, scheint Rodrygo sich seinen Platz im aktuell praktizierten 4-4-2 beziehungsweise 4-2-3-1 erstmal gesichert zu haben. Ein schönes Beispiel dafür, was es heißt, „um seinen Platz bei Real Madrid zu kämpfen“.
Problemzone Defensive: Zwischen personellen Engpässen und Formtiefs
Auch wenn am Ende gegen Sevilla hinten die Null stand, ließ man gegen die Andalusier zahlreiche Hochkaräter zu und konnte sich letztlich – wie so oft – mal wieder bei Thibaut Courtois bedanken. Insgesamt wurde mehr als deutlich: Die Blancos haben defensiv aktuell so einige Baustellen vorweisen. Xabi Alonso hat dabei vor allem mit der personellen Misere auf den Außenverteidiger-Positionen zu kämpfen, durch die verletzungsbedingten Ausfälle von Dani Carvajal, Trent Alexander-Arnold und Fede Valverde musste mal wieder die Notlösung Raúl Asencio als Rechtsverteidiger herhalten. Die 90 Minuten gegen Sevilla zeigten aber auch, dass der Canterano auf dieser Position eben genau dies ist: eine Notlösung.
Apropos Verletzungen: Es ist nahezu erschreckend, wie sehr die erneute schwere Verletzung von Éder Militão die Königlichen defensiv ins Wanken gebracht hat. Weder Antonio Rüdiger noch Dean Huijsen vermitteln ansatzweise diese Ruhe und Routine und können vor allem in puncto Geschwindigkeit mit dem Brasilianer mithalten. Allen voran die Auftritte Huijsens, auch bereits vor seiner Verletzungspause, geben Rätsel auf. Präsentierte sich der junge Spanier bei der Klub-WM und zu Saisonstart noch in herausragender Verfassung, zeigt die Formkurve der letzten Wochen kontinuierlich nach unten. Ungewohnt schlampig und ungenau im Spielaufbau, dazu äußerst schläfrig und teilweise leichtsinnig im Stellungsspiel sowie mit schwachen Timing beim Herausrücken, beschwört Huijsen, der zudem über offensichtliche Geschwindigkeitsnachteile auf lange Distanzen verfügt, immer wieder extrem gefährliche Eins-gegen-Eins-Situationen in letzter Linie herauf. Da auch Rüdiger aktuell noch auf der Suche nach seiner Bestform ist, wirkt das Defensivverhalten der Blancos aktuell oftmals wild und unkoordiniert und es ist lediglich Courtois zu verdanken, dass sich die Anzahl der Gegentreffer im überschaubaren Rahmen hält. Hier gilt es in den kommenden Wochen eine Lösung zu finden und insbesondere Militãos aktuell fehlende Routine und Athletik aufzufangen – sowohl kollektiv als auch durch eine sich bald hoffentlich wieder entspanntere Personalsituation.
Wohin mit Arda Güler?
Es ist aktuell so ein wenig die Gretchenfrage, wenn es darum geht, die aktuell vermeintlich beste Elf bei den Königlichen zu bilden: Hat Arda Güler einen Platz in dieser Formation und wenn ja, wo? In den letzten Wochen kam der junge Türke vermehrt als Teil einer Doppelsechs in einem Vierermittelfeld zum Einsatz, wusste dort aber nur bedingt zu überzeugen. Insbesondere defensiv tut sich der 20-Jährige schwer, gegen physisch starke Kontrahenten gegenzuhalten und auch in der Rückwärtsbewegung zeigt er sich nicht immer so diszipliniert, wie es die Position im zentral defensiven Mittelfeld verlangt.
Mit Ball zeigt Güler dabei immer wieder gute Ansätze, es wird aber auch immer wieder ersichtlich, dass er eine Ebene weiter vorne eigentlich besser aufgehoben wäre. Die eher statisch-organisatorische Spielweise liegt ihm nicht ganz so gut wie das Spiel zwischen den Linien, wobei er seine gefürchteten Steckbälle am öftesten einsetzen kann. Diese Position gibt es bei den Blancos aktuell jedoch nicht – auch, weil die Spielertypen für die Positionen dahinter und drum herum nicht so wirklich vorhanden sind. Die (vermutliche) Konsequenz: Sollte sich die Personalsituation in den kommenden Wochen beruhigen, dürfte Güler vorrangig erst mal nur die erste Wahl als Rotationsspieler sein.
Keine Kompaktheit, schwaches Pressing, wenig Intensität – pure Individualität
Überhaupt gibt die gesamte Entwicklung der letzten Wochen große Rätsel auf: War bei der Klub-WM (mit Ausnahme des PSG-Spiels) sowie zum Saisonstart, inklusive Clásico, eine kontinuierliche Steigerung vorhanden ist seit dem Erfolg über Barcelona (2:1) ein klarer Bruch im Spiel der Blancos erkennbar. Zwar hat man mit der Umstellung beziehungsweise Rückkehr zum bereits unter Ancelotti praktizierten 4-4-2 (4-2-3-1) zumindest wieder ein wenig mehr Stabilität erlangt, dennoch sind die mannschaftstaktischen Mängel aktuell phasenweise eklatant. Das Team präsentiert sich selten kompakt, das zu Saisonbeginn noch leidenschaftlich praktizierte (Gegen)Pressing ist quasi gar nicht mehr existent und überhaupt mangelt es den Auftritten an etwas Grundlegendem: Intensität mit und ohne Ball. Einen Umstand, den beispielsweise Aurelién Tchouaméni vor dem Aufeinandertreffen mit Manchester City (1:2) öffentlich zwar deutlich adressierte, auf dem Feld war von den gepredigten guten Vorsätzen aber nur phasenweise etwas zu sehen.
So lebt Real aktuell einzig und allein von seiner Individualität. Gegen Sevilla mussten eine Standard sowie ein durch ein tolles Dribbling von Rodrygo herausgeholter Elfmeter herhalten, im Pokal gegen Drittligist Talaverna verließ man sich vorrangig auf individuelle Momente von Mbappé, beim knappen 2:1 bei Alavés war es ein Geniestreich von Vinícius, der Rodrygos erlösendes 2:1 ermöglichte. Auf lange Sicht dürfte das aber zu wenig sein – und das weiß auch Alonso, der über die kurze Pause nun einen Weg finden muss, die bereits sichtbaren Ansätze wieder zu implementieren. Sonst wird es auch für ihn persönlich schwierig.
Sand im Getriebe: Mbappé und Vinícius mit permanenten Schwankungen
Sie sollten das neue Traumduo der Blancos werden, doch so ganz klickt es noch nicht zwischen Kylian Mbappé und Vinícius Júnior. Der Franzose stellte mit seinem Elfmetertor zwar den Torrekord von Cristiano Ronaldo ein, aber auch die Leistungen des Franzosen unterliegen immer wieder enormen Schwankungen. Denn fest steht auch: Trotz seiner brutalen Torquote und Statistiken lässt der 27-Jährige dennoch zahlreiche Hochkaräter liegen, agiert manchmal (in Stürmermanier) zu eigensinnig. Und bisweilen wirkt es auch so, dass man sich durch die komplette Fokussierung auf den Franzosen im Angriff selbst behindert, weil in nahezu jeder Situation versucht wird, Mbappé in Szene zu setzen und so der eine oder andere besser postierte Mitspieler sogar übersehen wird. Und auch wenn die Zahlen passen und er durch seine Tore eine Vielzahl von Spielen auf die Seite der Königlichen gezogen hat, ist und bleibt die mangelhafte Defensivarbeit des Weltmeisters von 2018 ein großer Kritikpunkt und ist auch einer der Hauptgründe, weshalb die zaghaften Pressingversuche der Blancos oftmals im Sand verlaufen.
Bei Vinícius gestaltet sich die Gemengelage ein wenig anders, das Grundproblem bleibt jedoch das gleiche: Auch die Leistungen des Brasilianers schwanken extrem, phasenweise wirken die Auftritte des Linksaußen nahezu launisch. Es gibt Momente, wie bei der Vorlage zum 2:1 gegen Alavés, in denen der Brasilianer durch seine Genialität ganze Spielverläufe auf den Kopf zu stellen vermag. Demgegenüber stehen aber auch zahlreiche kopflose und brotlose Dribblingsversuche, die in unnötigen Ballverlusten oder aussichtslosen Torabschlüssen enden.
Und auch wenn immer wieder fantastische Ansätze und geniale Momente im Zusammenspiel dabei sind, produziert das vermeintliche Aushängeduo neben den Lichtblicken auch so einige Schattenmomente, die das Team als ganzes vor Probleme stellen. Ob Alonso diese Thematik in den Griff bekommt? Es dürfte jedenfalls eine der Schlüssel dafür sein, ob die Königlichen im neuen Jahr die Wende zum Guten noch hinbekommen.
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