UEFA Supercup 2014 – Cardiff
Real Madrid CF 2:0 Sevilla FC
Real Madrid holt den ersten Titel der neuen Saison im ersten Pflichtspiel. Kroos und James feiern ihr Debut im königlichen Trikot und wussten zu überzeugen.
Aufstellung
Die Defensive bot mit Casillas, Carvajal, Pepe, Ramos und Coentrao keine Überraschungen. Lediglich Marcelo musste aufgrund von Trainingsrückstand neben Varane auf die Bank. Neben Modric spielten die Neuzugänge im Mittelfeld – Kroos auf der 6 als deeplying-playmaker und James auf der linken 8. „BBC“ bildete das Angriffstrio von Real Madrid CF. Die große Frage war wie gut sich die Neuzugänge Kroos und James eingliedern?
Grundausrichtung und Anfangsphase(
Grundaufstellung im Anhang)
Bei Real Madrid drehte sich vieles darum wie der Stratege der Mannschaft Xabi Alonso ersetzt werden würde. Im Gegensatz zu Alonso sollte Kroos nicht zwischen den Innenverteidigern ab-, sondern zwischen Sergio Ramos und Coentrao situativ herauskippen oder sich im 6er-Raum bewegen um Pepe und Ramos im Aufbau mehr Raum und Zeit zu geben. Dabei intensivierten sich die Heraus- und Abkippbewegungen von Kroos mit zunehmender Spieldauer und Sevillas tieferer Stellung. Diese Linksorientierung in Kroos Spiel wurde genutzt um James weiter nach vorne zu schieben, was letztendlich dazu führte, dass dieser den „di Maria-Part“ spielte und aufgrund von Coentraos hoher, sowie Ronaldos inversiver Stellung oftmals auf die Flügel auswich. Dabei war James allerdings generell nicht gut eingebunden. Sehr oft besetzte er die von Ronaldo geöffneten Räume und wurde von Sevillas Kompaktheit, vor allem in der Anfangsphase, verschluckt.
Sowohl Ronaldo, als auch Bale agierten zu Beginn des Spiels sehr inversiv. Dabei sollte Bale im Verbund mit Modric und dem aufrückenden Carvajal Überzahlsituationen auf der rechten Seite herstellen, was in der Anfangsphase von Sevilla aber sehr gut vermieden wurde.
Im Gegensatz zum 2:1 Sieg der Liga 2013/14, wo Sevilla in einem sehr mannorientierten, asymmetrischen 5-3-2 agierte, spielte das Team nun in einem kompakten 4-4-2 Mittelfeldpressing mit breiter Mittelfeldkette um Reals Flügelvorstöße früh zu stoppen. Kroos sollte dabei durch die Deckungsschatten der Stürmer im 6er-Raum aus dem Spiel genommen werden, sodass Real zu einem sehr horizontalen, zirkulierenden Spiel gezwungen werden sollte, was vor allem in der Anfangsphase sehr gut gelang. Sowohl James, als auch Bale wurden durch die lokale Kompaktheit im Zwischenlinienraum vorerst isoliert.
Schon zu Beginn der Partie wurde ein weiteres Mittel deutlich, das seit einigen Monaten genutzt wird – Ramos als situativ vorstoßender Mittelfeldspieler. Dank seiner Technik sollte er in geöffnete Räume stoßen um schlechte Staffelungen von Sevilla zu bespielen. Dabei konzentrierte er sich in seinen Vorstoßen vermehrt auf den durch James geöffneten linken Halbraum. Pepe nahm sich wie gewohnt im Aufbauspiel zurück und verlagerte das Spiel meist horizontal oder in die Halbräume.
Während Coentrao zu Beginn eher zurückhaltender agierte und kaum Vorstöße suchte, war Carvajal auf der rechten Seite offensiver und durch Vorder- und Hinterlaufen variabler.
Während James vertikaler und Kroos mit leichtem Linksfokus spielte, kippte Modric wie gewohnt zwischen Carvajal und Pepe heraus. Dabei orientierte er sich über weite Strecken etwas höher als üblich und stellte somit eine situative Doppelsechs mit Kroos her. Diese Anpassung war sowohl Sevillas Kompaktheit, als auch James Rolle geschuldet, was Modric allerdings nicht in seinen vertikalen Läufen und Dribbling hinderte.
Dennoch sollte Real zu Beginn Probleme haben in die Zwischenlinienräume zu gelangen.
Real Madrids Pressing
Während in den vergangenen Monaten fast ausschließlich im 4-4-2 gepresst wurde gab es in diesem Spiel mehrere Ansätze und Hybride zu sehen. Dabei begann Real in einem 4-4-2 Angriffspressing mit Ronaldo und Benzema als Stürmer, wobei sich Benzema als Keilstürmer und leitendes Element zwischen den Innenverteidigern Sevillas postierte und sie so anlief, dass der ballferne Innenverteidiger in seinem Deckungsschatten war und das Spiel auf die Außen gelenkt wurde. Die Stürmer (Ronaldo & Benzema) standen dabei oft breit, doch von Sevillas Seite kippte selten ein Mittelfeldspieler ab oder wurde mannorientiert von Modric oder Kroos verfolgt, sodass der zentrale Raum nicht oft genutzt wurde. Dabei entstand oft ein situatives 4-3-3, da der ballnahe Flügelspieler (James & Bale) den gegnerischen Außenverteidiger mannorientiert verfolgten oder im hohen Tempo pressten. Dieser Ansatz wurde vor allem zu Beginn gewählt, was dazu führte, dass Sevilla versuchte sich oft mit langen Bälle zu befreien, wobei Real eine gute Balance hatte, die Schlacht um die zweiten Bälle im Mittelfeld oft gewann, infolgedessen dann aber im eigenen Ballbesitz kaum ins letzte Drittel und die Zwischenlinienräume kam, sodass sich die Anfangsphase vor allem im zweiten Drittel abspielte.
Dominanz und Tore
Viele Verlagerungen, die zu schlechten Staffelungen führten und Sevilla in ein tiefes Mittelfeldpressing drängten, trugen dazu bei, dass Real das Spiel nach der Anfangsviertelstunde dominierte. Dabei war Reals Druck etwas „atletico-esk“, da u.a. mittels vieler Halbfeldflanken versucht wurde Präsenz im Strafraum zu erzeugen und Sevillas Kompaktheit im Zentrum somit zu überspielen.
Dank des konsequenten Gegenpressings konnte Real Sevilla ab Mitte der ersten Hälfte in der eigenen Hälfte halten und sich Stück für Stück näher zum Tor arbeiten. Dabei schob Coentrao mit der Zeit höher und gab Breite im zweiten Drittel. Besonders auffällig während des gesamtes Spiels waren die fluiden Positionierungen von Ronaldo, Bale, Carvajal, James und Benzema.
Letzterer konnte dank seiner Ausweichenden Bewegungen erneut einige Keypässe erzielen.
Sevillas schnelle Zentrumsüberladungen im Umschaltmoment konnten durch viele gute Interceptions der Defensivspieler antizipiert werden und somit das zentrumsfixierte Konterspiel unterbinden. Auffällig waren allerdings auch die offenen Räume im Konter hinter Carvajal, die in letzter Konsequenz von Pepe geschlossen wurden, aber dennoch eine bessere Absicherung verlangten.
Ausgerechnet nach einer der wenigen Aufrückaktionen von Sevilla konnte Real Madrid nach einem Konter das 1:0 in der 30. Minute durch Ronaldo erzielen. Und wie bezeichnend für Real Madrids Spiel an diesem Tag– nach einer Halbfeldflanke von Bale.
Anpassungen und das 2:0
In Folge der geringen Präsenz von Ronaldo und Bale in den Halb- und Zwischenlinienräumen durch Sevillas lokale Kompaktheit, wurden beide auf die Flügel geschoben um dort situativ mit den hinterlaufenden Außenverteidigern und Mittelfeldspielern zu kombinieren oder in 1 gegen 1 Situationen zu gelangen. James sollte daher mehr ins Zentrum und spielte als eine Art false 10, wobei es das Problem gab, dass Benzema weniger Raum für seine ausweichenden Bewegungen und Kombinationen hatte, wodurch er in der 2. Hälfte auch weniger Präsent wirkte.
Das 2:0 war ein klassischen „Benzema-Ronaldo-Tor“ - Benzema lässt sich als spielmachender 9er aus der tiefe fallen und Ronaldo wird in der Tiefe bedient.
(Grafik im Anhang)
Pressing im 4-3-3
In der zweiten Hälfte zeigte Real Madrid ein anderes Pressingverhalten im 4-3-3. Diesmal mit einer breiten Stürmer- und engen Mittelfeldkette. Ähnlich wie bei Manchester United unter van Gaal (oder möglicherweise durch das Testspiel dagegen inspiriert) sorgten die breiten Stürmer für schlechte Passwinkel auf die Außenverteidger. Der Weg durchs Zentrum in den freien Halbräumen zwischen den Stürmern („BBC“) wurden durch Mannorientierungen der 8er übernommen, sodass sich in diesen Zonen „theoretische Räume“ ergaben. Theoretisch, da sie zwar existieren und relativ groß, doch aufgrund der Mannorientierungen nicht oder schwer zu bespielen sind. Das System war dabei asymmetrisch beim mannorientierten Herausrücken der 8er. Da sich James in diesen Situationen links orientierte verschob sich die Mittelfeldkette nach links und Kroos sowie Modric übernahmen die Mannorientierungen, was aufgrund des besseren Zweikampfverhaltens der beiden wohl so geplant und in der Halbzeitpause besprochen wurde (These).
Wenn die erste Pressinglinie dennoch überspielt wurde orientierte sich Bale als rechter Mittelfeldspieler und das System wurde zu einem 4-4-2 im tiefen Mittelfeldpressing.
Nach dem 2:0 und Schlussphase
Da das Spiel von Beginn an einen eher freundschaftlichen Charakter hatte, fiel die Intensität nach dem 2:0 noch weiter ab, sodass der Spielrhythmus noch langsamer wurde und sich das Geschehen erneut vermehrt im zweiten Drittel abspielte.
Aufgrund des zockenden Verhaltens von Benzema und Ronaldo konnte die erste Pressinglinie leichter überspielt werden. Dabei fehlte im Anschluss daran das konstante, hohe, mannorientierte Aufrücken von Modric und Kroos, sodass Sevilla einige Male in die Halbräume gelangte und von dort aus diagonale Verlagerungen startete, sodass einige Durchbrüche ins letzte Drittel erfolgten. Aufgrund fehlender Vertikalität und ungenügendem Bewegungsspiel von Sevillas Offensive entstand daraus allerdings keine nennenswerte Gefahr.
Ancelotti wechselte mit Isco für James und Marcelo für Coentrao zwei mal positionsgetreu und verzichtete aufgrund des Spielstandes auf Anpassungen.
Da Real mit dem 2:0 im Rücken nicht mehr so intensiv spielen musste und Sevilla erst nach der 85. Minute Angriffspressing praktizierte und erst zu spät Druck aufbaute, blieb es beim 2:0.
Statistik
Real Madrid CF v Sevilla FC
Ballbesitz in %
57:43
Schüsse
19 : 12
Schüsse aufs Tor
8:5
Ecken
12:8
Abseits
2:1
Fouls
15:14
Gelbe Karten
2:2
Fazit:
Real Madrid zeigte eine gute Partie. Vor allem die Balance, sowie das Gegenpressing funktionieren bereits effizient. Während Toni Kroos in seiner Lieblingsposition eine großartige Leistung mit vielen Interceptions und intelligenten Verlagerungen zeigte, brauchte James einige Zeit um sich zu finden. Die false 10 in der zweiten Halbzeit passte dabei besser zu ihm als die linke 8, wobei die false 10 kontraproduktiv zu Benzema ist und die Frage der richtigen Einbindungen von James etwas erschweren könnte. Casillas konnte trotz weniger Prüfungen durch gutes Stellungsspiel und Reflexe, sowie Aufmerksamkeit überzeugen. Dennoch muss das Team von Ancelotti Verbesserungen in Halbraumkombinationen vornehmen. Vor allem gegen sehr kompakte Gegner wirkte das Spiel bisher etwas ideenlos und zu flankenfokussiert, was u.a. an fehlenden gruppentaktischen Bewegungen lag. Welche Rolle Kroos einnehmen wird, wenn Don Alonso wieder spielt und welchen Platz Illara, di Maria, Khedira und Isco im Team haben wird sich erst in den folgenden Monaten zeigen.
Alles in allem war es eine gute Leistung, die mit den angesprochenen Verbesserungen eine weitere Leistungssteigerung im Vergleich zur Vorsaison bewirken kann. Mit Atletico de Madrid folgt ein schwerer Test in der Super Copa, da es sich um das weltbeste Team in Sachen Kompaktheit handelt. Man darf gespannt sein auf die Entwicklung dieses Teams.