Ich glaube wenn diese Saison und vor allem die letzten paar Spiele etwas gezeigt haben, dann dass Zidane sehr gut darin ist, immer wieder die Motivation hochzuschrauben und einzelne Powerspikes in oft den richtigen Momenten zu schaffen, es aber gleichzeitig einfach nicht hinkriegt, oder es vielleicht auch nicht will, wirklich langfristig etwas auf zubauen und nachhaltig zu etablieren. Er ist durch seine Erfolge als Spieler und Trainer eine sehr spezielle Figur, die schon nur mit seiner Anwesenheit Spieler begeistern und anspornen kann, WENN er ihnen auch vertraut. Die Mentalität vor allem 16/17, im Frühling 18, letzte Saison nach der Corona Pause und diese Saison in der Hammerwoche gegen Liverpool und Barcelona war zuweilen verdammt stark und eines der Dinge, die Zidane auszeichnen. Und seine grösste Waffe ist wohl sein Pragmatismus, er kommt manchmal mit Dingen hervor, auf die keiner wirklich kommen würde und den Gegner komplett überraschen können, Paradebeispiel bleibt PSG 2018, als er Modirc, Kroos und Bale draussen gelassen hat und mit Vazquez-Case-Kovacic-Asensio angetanzt ist. Aber auch diese Saison, als er plötzlich die 3er Kette ausgepackt hat.
Das grosse Problem an Ende ist halt, nichts davon ist wirklich nachhaltig, und vieles wirkt eher zufällig aus der Not heraus geboren als wirklich geplant, und wird dann auch schnell wieder verworfen. Militao wurde lange ignoriert, muss dann im absoluten Notfall ran, spielt Wochen überragend, aber kaum ist Ramos zurück, muss er auf die ungewohnte RV Position in einer 3er Kette, Vini ist plötzlich Aussenverteidiger und so weiss keiner zurecht, was er eigentlich tun soll. Dazu kann Zidane auch extrem stur sein und hält wochenlang an seinem System und Stammelf fest, mitunter dann auf die Kosten anderer Spieler, die keinen Bock mehr haben und den Kader dann weiter schwächen.
Da ich in letzter Zeit so gerne Analogien ziehen, mir kommt das ganze Zidane Gebilde oft vor wie so eine Art Rennwagen Marke Eigenbau. Du kannst ein altes VW Käfer Chassis nehmen, einen Bugatti Motor mit 1500 PS einbauen und ein Ferrari Anstrich darüber ziehen. Das Ding kann durchaus schön anzusehen, schnell und konkurrenzfähig sein, es kann dir Siege und sogar Titel bringe. Aber unter dem Deckmantel ist es halt immer noch ein VW Käfer Chassis, und irgendwann zeigen sich die Risse darin. So ähnlich ist es doch bei Zidane. Es gibt starke Phasen, manchmal schöne Spielzüge, und wenn nötig packt er manchmal ein neues System und/oder taktische Kniffe aus. Alles schön und gut. Nur ist es unter dem Strich halt doch immer noch dieselbe Mannschaft von 2018 mit denselben Schwächen und Problemen, komplett abhängig von Benze und KMC, jedes Jahr noch etwas träger, satter und schwacher. Haben sie einen schlechten Tag oder sind übermüdet, fällt alles in sich zusammen und zum Vorschein kommt wieder dieselbe harm- und ideenlose Truppe wie seit Jahren.
Ich finds auch bezeichnend und amüsant, wenn ich lese, dass Zidane doch "endlich" seine Wunschtransfers Camavinga und Mbappe bekommen soll, als hätte der Arme keinerlei Mitspracherecht oder würde ständig was auftischen bekommen. Ähm ja, er hat mit Unterbruch 2018 seit 2016 praktisch die alleinige Kontrolle über die Kaderentwicklung, er durfte über 300 Mio ausgeben für seinen langjährigen Wunschspieler Hazard, Mendy oder Jovic. Nur hat er scheinbar keinerlei Vorstellung, wie er seine Wunschspieler integrieren soll, wenn sie nicht auf Anhin funktionieren. Hazards Verletzung oder Jovic's kindliche Mentalität sind das eine, dass Zidane scheinbar das Gefühl hat, er können einen Spieler nur aufstellen und es wird schon irgendwie, das andere. Nur mal zum Vergleich, Lope wurde der beste Spieler ohne Absprache verkauft, man hat ihm nur Odri gegönnt, ansonsten nix, er müsse halt damit zurecht kommen, was momentan da ist. Aber Zidane durfte mittlerweile irgendwie 500 Mio ausgeben und noch immer soll er endlich seine Wunschspieler bekommen und/oder der Kader (den er selber direkt oder indirekt kräftig mitgestaltet hat) ist ja so schlecht. Ich kenne bis auf vielleicht Pep bei City keinen Trainer, der soviel Vertrauen und finanzielle Mittel bekommen hat, ohne je in Frage gestellt worden zu sein. Ich glaube daher auch nicht, dass ein Camavinga oder Mbappe die grosse Erlösung bringen würden. Camanving würde mit Valverde und Ode weiter auf der Bank sitzen, oder muss als RV/RA spielen, damit KMC ja auch immer zusammen auf dem Platz stehen kann und Mbappe wird dann einfach mit Benze und Hazard zusammen aufgestellt in der Hoffnung, es werde schon irgendwie klappen.
Zidane hat seine Stärken, aber kann sie mit jeder Saison noch weniger effektiv nutzen und wird sind langsam wirklich an einem Punkt, wo 1-2 Galactico Transfers die Sache auch nicht mehr so schnell retten werden. Irgendwann brauch es auch auf der Trainerposition frische Impulse, wenn Zidane diese nicht liefern kann/will, müssen irgendwann einfach Alternativen her.
Raul könnte eine Option sein, aber ich habe gegenüber ihm 2 Vorbehalte:
- Erfahrung und/oder Trainermentalität. Der Trainerjob bei Real ist schon unter normalen Umständen schwer genug und aktuell nochmal bedeutend schwieriger, weil man unter diesen Umständen einen Umbruch und irgendwas aufbauen muss. Und unter diesen Umständen ist es für einen noch sehr unerfahrenen ehemaligen Spieler einfach sehr schwierig. Milan hat mit Seedorf, Inzaghi, Gattuso usw. zig solche Trainer durchgelassen, was mit ein Grund war, dass sie so lange nicht richtig vom Fleck gekommen sind. Zidane bei uns funtkioniert nicht (mehr) wirklich. Pirlo bei Juve funktioniert nicht wirklich. Und das beste Beispiel aktuell ist vielleicht Chelsea. Lampard hat einiges probiert, aber man hat in vielen Momenten einfach gemerkt, dass ihm die Erfahrungen fehlen und/oder er nicht so recht weiss, was er mit gewissen Spielern anfangen soll. Dann kommt Tuchel, ein mittlerweile erfahrener Trainer mit klaren Vorstellungen und siehe da, plötzlich gibt es ein übergreifende Taktik, orientierungslose Spieler finden ihre Position, die Problemkinder Havertz und Werner funktionieren plötzlich und man steht im CL FInale, nach 3 Monaten. Es gibt Ausnahmen wie Zidanes erste Amtszeit oder Pep bei Barca, aber da sollte man sich das Wie anschauen, Zidane konnte ein leicht angeknickste, aber taktisch von Mou und Carlo bestens geschulte und mit weltklassen Spielern gespickte Mannschaft auf oder kurt vor ihrem Zenit übernehmen. Pep hatte eine absolute Jahrhundergeneration und wurde von Rikjard bestens geschult. Raul muss dagegen praktisch bei 0 beginnen. Wie er sich in der Castilla schlägt, kann unser Jugend Experte
@4ramos sicher am besten beurteilen, von dem, was ich aber bisher sehe, ist es auch eher durchzogen. Es gibt starke Momente wie den Gewinn der Youth League oder das erreichen der Playoffs, aber auch immer wieder Rückschläge. Das ist normal auf dem Level und wichtig für die Entwicklung, aber so eine Mannschaft wie Real neu aufzubauen ist halt einfach brutal schwierig, mit ein paar Castilla Spielern aufstellen ist es leider nicht getan.
- seine Nähe zum Verein. Normalerweise würde ich das eher als positiv werten, aber ich weiss nicht, wie hilfreich es im Moment sein wird. Kann Raul seine Leidenschaft und Freundschaften hinten anstellen und wenn nötig auch mal durchgreiffen? In der Castilla schein er rlativ auf Disziplin zu setzen, aber 18 jährige Castilla Jungspunde sind das eine, Spieler wie Ramos, Benzema oder Modric, mit denen er teilweise noch zusammengespielt hat und/oder die er sehr schätzt, das andere. Er hat immerhin ein paar Jahre ausserhalb Madrid verbracht und andere Blickwinkel und Mentalitäten kennengelernt, vielleicht lebt er deshalb nicht in einer kompletten Parallelwelt wie manche unserer Führungskräfte, aber ob es dass dann auch wirklich umsetzten könnte, schwer abzuschätzen. Einer der grössten Erfolgsfaktoren der letzten Jahre war mMn halt wirklich, dass mit Mou mal eine Kraft von aussen in die heile Welt eingedrungen ist und festgefahrene Strukturen und Wohlfühloasen aufgerissen hat, und damit den Umbruch und den Aufstieg neuer Stars ermöglich hat. So etwas ähnliches bräuchte es mMn wieder, ob Raul der richtige Charakter zum jetztigen Zeitpunkt dafür ist, ich weiss nicht.
Ich sehe Raul noch so gerne irgendwann als Trainer bei uns, aber es wäre schade, wenn man ihn verheizt, lieber in 1-2 Jahren, wenn er mehr Erfahrungen hat und die Mannschaft vielleicht wieder etwas besser dasteht. Man kann jetzt natürlich wieder einen auf
@Ruben machen und darüber philosophieren, wie speziell Real doch ist und das wir nur die erlesensten Trainer brauchen können, aber ich fürchte den Luxus können wir uns auf Dauer schlichtweg nicht leisten. Es gibt keinen perfekten Trainer, irgendwo wird man mal Kompromisse und vielleicht ungewohnte Wege (Galardo) eingehen müssen.