Abseits vom Mbappe-Theater, das in seinen nächsten Akt zu gehen scheint, seht sich gefühlt die Mehrheit des Forums nach einem bestimmten Datum. Der 31.05. ist nämlich Final-Tag. Aber nicht für die Champions League, sondern für Carlo Ancelotti Amtszeit in Madrid. Seine zweite, um genau zu sein.
Nachfolgewünsche gibt es hier einige. Diese lassen sich für mich grob in drei Kategorien unterteilen:
.) Unrealistische Kandidaten
.) Realistische Außenseiter
.) Trainer im Favoritenkreis
Unrealistisch sind für mich Star-Trainer, die fest im Sattel sitzen wie Thomas Tuchel, Jürgen Klopp und Trainer, die eine zu enge Verbindung mit den Rivalen aus Madrid y Barcelona haben. Dazu gehören vor allem natürlich Simeone und Guardiola – aber auch Arteta, der hier sogar in zwei Unterkategorien fällt: unrealistisch weil fest im Sattel + unrealistisch weil Barca-Vergangenheit. Er ist zwar Baske aber hat für den FCB gespielt und es scheint mir nur eine Frage der Zeit zu sein, bis er in Katalonien als Trainer aufschlägt.
In diese Kategorie fallen für mich aber auch Namen wie Gallardo. Es wäre schon ein absolutes Novum, dass Perez einen (in Europa) unerfahrenen Trainer ohne großen Namen und Verbindung zum Verein holt.
Einer, den ich sehr interessant gefunden hätte, ist seit ein paar Wochen auch abwegig geworden: Napolis Meistertrainer Spalletti hat ja "leider" für Italien unterschrieben, wäre in meinen Augen aber ein guter Fit gewesen (erfahren, lässt attraktiven Offensivfußball spielen und ist imho seit langem schon unterschätzt)
Realistische Außenseiter sind für mich all die Ex-Kicker mit Stallgeruch wie Raul, Arbeloa (möglicherweise ein paar Jahre später durchaus interessant) sowie weniger glorreich klingende Namen, die aber in der Vergangenheit schon Titel gewonnen haben. Trainer wie Allegri oder auch Conte (zusätzlich ein schwieriger Charakter, aber stand ja schon mal kurz vor einer Verpflichtung)
Das bringt uns zum Favoritenkreis. Hierzu muss man mMn Nagelsmann zählen, der ja schon ganz offen einmal im Gespräch war. Für mich eine sehr interessante aber auch riskante Lösung (er ist immer noch sehr jung für einen Trainer und hat keine großen Titel geholt). Xabi Alonso ist für mich ebenfalls eine Lösung, die dem Verein gefallen könnte – ist zwar auch ein Ex-Spieler, wäre aber zumindest als einziger von all den Namen top-liga-erprobt. Außerdem ist für mich das leidige Thema Mourinho leider kein abgeschlossenes. Der Portugiese hat offen gesagt, dass ihn Perez zurückwollte und ich bin der Meinung, Flo würde sich nochmal hinreißen lassen, wenn sich sonst niemand findet.
Ich will hier aber gar nicht allzu weit ausschweifen, denn worauf ich eigentlich hinaus will: der realistische Favoritenkreis ist ein sehr kleiner – und es gibt keinen Kandidaten, der passt wie die Faust aufs Aug. Was ja auch der Grund war, warum Ancelotti überhaupt zu seiner zweiten Amtszeit kam.
Die Rückkehr des Mister war zwar überraschend aber auch in Wahrheit goldrichtig. Er ist kein Systemtrainer, für den du neue Spieler holen musst, damit er 11 Leute aufstellen kann, die in sein System passen – sondern umgekehrt: er ist ein Pragmatiker, der aus dem bereits vorhandenen Material so ziemlich das bestmögliche herausholt. Eine Eigenschaft, die unter Florentino Perez' Transferpolitik Gold wert ist. Dazu kannte er die meisten Keyplayer und hatte zuvor schon einmal bewiesen, dass er mit Real Madrid Titel holen kann. Darüber hinaus lässt er durchaus attraktiver spielen als so mancher Vorgänger, sofern es der Kader zulässt.
Das alles macht ihn für mich auch nach wie vor zu einem Top-Trainer für Real Madrid. Klar, er hat auch seine negativen Seiten. Aber, wie wichtig sind glaubhafte PK-Aussagen am Ende tatsächlich? Wichtiger ist, was auf dem Platz passiert und da hat er sich selbst in meinem größten Kritikpunkt verbessert. Nämlich der fehlenden Rotation und dem fehlenden Vertrauen in junge Spieler. Das Nicht-Rotieren ist, trotz Verbesserung, imho nach wie vor seine größte Schwäche und hat uns mindestens eine Meisterschaft gekostet. Hier verstehe ich also die Kritik und der Punkt wird sich unter ihm kaum mehr ändern. Es daneben auch noch andere Dinge, die ich anders machen würde - aber wir sollten nicht vergessen, dass beinah jeder Trainer auch seine Schwächen hat.
Eine Kritik, die man mMn aber nicht Carlo anlasten darf, ist der Verzicht auf Canteranos. Die Cantera ist unter Perez längst zur Einnahmequelle geworden, der Verein hat schlichtweg kein Interesse, die eigene Jugend zu A-Spielern zu fördern. Darum verstehe ich nicht, warum hier so oft Ancelotti dafür kritisiert wird: er weiß, genau, es hat keine Priorität. Und, auch wenn ich es mir anders wünschen würde, es deutet wenig bis gar nichts darauf hin, dass sich dieser Umstand unter einem anderen Coach ändern würde.
In Summe finde ich also, dass sich CA hier mehr Respekt verdient hat. Denn trotz seiner Schwächen hat er große Erfolge gefeiert – und das ohne eine Wort mitreden zu dürfen. Und trotz seiner Schwächen ist er nach wie vor einer der geeignetsten Trainer für ein Real Madrid unter Florentino Perez. Ich gehe sogar so weit und sage: Es wird nicht leicht, einen besseren Nachfolger zu finden.