Iago Blanco
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Oder man ignoriert einfach die ganze Realität, so geht es natürlich auch. Es gibt nicht "den Madridismo" weil es nichts ist, was man in einem Textbuch genau definieren kann, sondern eine Philosophie, welche gewisse Grundstrukturen hat, aber doch von jedem etwas anders interpretiert und gefühlt wird, was auch gut so ist. Aber es gibt nicht den Madridismo, der rein nach deiner Vorstellung definiert ist und wo du dann schön entscheiden kannst, wer Madridista ist und wer nicht, billiges Strohmann Argument, um vom Thema abzulenken.
Wen man schon unbedingt mit Madridismo argumentieren will, der klassische Madridismo, der uns unter Bernabeu Jahrzehnte lang geprägt hat, wurde von Senor Perez schon lange zerstört bzw. völlig entartet, damit hat Real im 21 nur noch wenig zu tun, unabhängig von Mou, aber anderes Thema.
Ich kenn deine Position bezüglich Mou, wir hatten die Diskussion oft genug und lasse es an der Stelle auch gerne, dennoch schade, wenn man sich hinter solchen Argumenten verstecken muss, es gibt durchaus valide Kritikpunkte.
Mich nervet einfach dieses "zerstört" Narrativ und das ewige Kleinreden seiner Einflüsse, weil man auf seine Art nicht klar kommt, ungemein.
Er hat das Team taktisch auf ein neues Level gebracht, wo man gleichzeitig Barca die Stirn und guten und effektiven Fussball spielen konnte. Spieler wie Pepe, Alonso, Arbeloa, CR und Higuain haben unter ihm nochmal einen Sprung gemacht, Khedira, Özil und Di Maria sind in seinem System völlig aufgeblüht, Marcelo wurde unter ihm Weltklasse, er hat Ramos in die Mitte gesetzt und aus einem guten RV einen der besten IV seiner Generation gemacht, Benzema ist nach schwierigem Start unter ihm durchgestartet, er hat Varane Chancen gegeben, diverse Spieler wie Nacho, Morata, Jese oder Casemiro haben unter ihm debütiert und ab und zu A Team Luft schnuppern dürfen, er hat schon früh versucht, das Team mit Sahin und Später Modric im Mittelfeld weiter zu entwickeln, seine Ideen mit offensivem RV, starker RF und einem spielstärkeren MF gingen absolut in die richtige Richtung, wir waren eine Maschine, die beste Konter Mannschaft der Welt, defensiv sicher und bissig und vorne eiskalt. Und er hat die Unantastbarkeit gewisser Spieler gebrochen. Auch wenn ich die Art und Weise nicht befürworte, letztere hätte wegen nachlassender Leistungen früher oder später definitiv zu Problemen und Diskussionen geführt. Vieles davon hat sich noch Jahre, teilweise sogar heute noch, 10 Jahre später, bewährt und Carlo und Zidane definitiv geholfen.
Eine Mannschaft, die angeblich komplett zerstört ist und nur destruktiven Fussball spielen kann, schiesst nicht 120 Tore und holt 100 Punkte gegen Peps Uber Barca und bringt sich selber um die CL, um sie mit etwas Feintuning, guten Transfers und den richtigen Motivatoren an der Seitenlinie dann 4 mal in 5 Jahren zu gewinnen. Das alleine führt die Ganze "Trümmerhaufen" Argumentation ad absurdum. Endgültig lächerlich wird es, wenn mir Leute erzählen wollen, Zidane sei der bessere Trainer / Reformator
Auch wenn Mous Abgang zum richtigen Zeitpunkt kam, es wäre sicher spannend zu sehen gewesen, was er aus Carvajal, Isco, Kroos, James, Bale usw. gemacht hätte. Und ich will nicht wissen, wo wir ohne ihn gestanden hätten.
Aber genug Offtopic, ich denke ich hab meine Standpunkte klar genug ausgedrückt.
Du unterstellst mir da Dinge, gegen die ich mich schlichtweg wehre: Ich habe die sportlichen Erfolge von Mourinho immer anerkannt und versuche in meiner Argumentation so objektiv und differenziert zu sein wie es mir möglich ist.
Wir Fans haben dem Portugiesen sportlich viel zu verdanken, vor allem, dass er der Mannschaft wieder ein Sieger-Gen eingeimpft hat. Auch sein Kadermanagement war weitgehend großartig, selbst ein paar Junge hat er trotz großem Erfolgsdruck debütieren lassen und er wusste auch den Wert von weniger wichtigen Spielern wie Granero zu schätzen. Dazu kommt, dass er gegen 90% der Gegner unterhaltsamen Fußball hat spielen lassen, ich hab damals meistens gern den Fernseher eingeschaltet. Das alles will ich ihm gar nicht nehmen … Mou hat auch einen großen Anteil an den späteren CL-Erfolgen, das hab ich immer gesagt. Finde es sogar etwas schade, dass man La Decima nicht mehr mit ihm erreicht hat, denn seine Mannschaft hätte es absolut verdient gehabt. Leider hat man sich in der CL selbst geschlagen, weil man nicht auf die eigenen Stärken vertraut hat. Aber das ist eine andere Geschichte.
Also, wie gesagt, ich kann seine Erfolge anerkennen. Ich stelle seine Erfolge aber auch in Relation. Du sagst ja selbst, er hatte mehr Macht als andere und das war für mich auch Grundbedingung für seinen Erfolg, denn andere hätten nach der ersten Saison, in der nüchtern betrachtet "nur" die Copa gewonnen wurde, wieder die Koffer packen müssen. Final-Sieg gegen Barca hin oder her, ein Pellegrini, ein Ancelotti … jeder andere hätte gehen müssen, weil CL und Liga nicht geholt wurden, da bin ich 100% sicher. Deshalb wehre ich mich immer dagegen, ihn auf ein Podest zu stellen, so wie es viele Mourinho-Fans tun. Auch die ganze Show, die er immer abzieht, ist für mich nicht nur Taktik und Kalkül, das wär in meinen Augen zu einfach. Er ist einfach ein schlechter Verlierer und Egozentriker, sobald er auf der Trainerbank sitzt. Ich liebe ihn als Analytiker im Fernsehen, da kann ich drüber lachen und könnte ihm Stundenlang zuhören. Von mir aus soll er auch mit Tottenham oder sonst so Erfolg haben, sei ihm gegönnt. Nur bei Real Madrid will ich ihn nie wieder sehen. Dafür waren die Gräben, die er aufgerissen hat, zu groß. Dafür war das Bild, das er von sich und schlussendlich auch Real Madrid abgegeben hat, dieses großartigen Vereins schlichtweg nicht würdig.
Zum Madridismo gehört – für mich – mehr als nur der Siegeswille. Respekt für den Gegner, Bescheidenheit, Selbstkritik … das alles ging verloren. Nicht erst unter Jose Mourinho, da bin ich bei dir, aber unter ihm fand der "Pseudo-Madridismo" mit dem Kredo: "Hauptsache gewinnen" seinen vorläufigen Höhepunkt. Ich persönlich will so keine Titel gewinnen, genauso wenig wie ich mit langweiligem, angsterfülltem "Zizou-Ball" Titel gewinnen will. Perez steht für diesen Neuen Madridismo und es ist daher auch kein Wunder, dass er einem selbstverliebten, titelgeilen Egozentriker und einem Ex-Galactico das Zepter der Macht überlässt. Diese Leute haben keine Ahnung, was es heißt, Madridista zu sein, weil sie es von dem, der meint es zu wissen, falsch vorgelebt bekommen. Vielleicht ist es arrogant von mir, "meine" Definition von Madridismo als universelle hinzustellen. Aber es ist die, die diesen Verein die meiste Zeit seiner Geschichte ausgemacht hat.
Was er mit Carvajal, Isco, Kroos, James, Bale usw gemacht hätte, ist reine Spekulation. Ich persönlich denke, sie wären – abgesehen vielleicht von Bale, den Mou ja immer schon gefeiert hat – gar nicht gekommen. Mourinho plante immer mit einem defensiven RV, Carvjal wäre also nach seiner Leihe nach Lerverkusen ziemlich sicher verkauft worden. Arbeloa war der ideale RV-IV-Hybrid für das linkslastige System. Özil wäre zu 100% geblieben, deshalb kannst du auch Isco und James hier streichen. Kroos seh ich unter Mourinho weder im DM noch im OM oder ZM. Mou spielte am Ende ja teilweise 4-3-3, da hätte er zwar schon ins System gepasst. Aber man hatte mit Modric schon den perfekten ZM gekauft (der damals leider noch nicht angekommen war) und daneben setzte der Portugiese immer auf einen laufstarken Box-to-box also denke ich, auch Kroos wäre nicht gekommen.
Das ist alles nur eine Vermutung aber ich behaupte, Mourinho wäre daran gescheitert, in Madrid langfristig Erfolg zu haben. Ich geb dir zwar Recht, dass er gegen Ende Neues ausprobiert hat (Stichwort 4-3-3 mit Mesut als inverser Flügel) aber zwischenmenschlich hat's einfach nicht mehr gepasst. Irgendwann erreichst du die Mannschaft nicht mehr mit dieser "Wir-gegen-alle"- Einstellung. Als Madrid Barca endlich geschlagen hatte, die Liga geholt wurde, gings langsam bergab. Wenn der Feind tot ist, kannst du nicht sagen, tötet den Feind. Erst Recht, wenn der Feldherr beginnt, paranoid zu werden.
Du siehst die interne Spaltung durch Mourinho nicht so groß wie ich, das ist ok. Wir müssen uns auch da nicht einig sein. Aber nochmal: Wenn ich sage, die Mannschaft war am Ende, dann beziehe ich das auf die zwischenmenschlichen Gräben, die er hinterlassen hat, nicht auf die sportliche Qualität. Wie du richtig sagst, Ancelotti war danach genau der richtige, um die Wogen zu glätten. Da hat Perez zufällig mal genau die richtige Entscheidung getroffen. Es hätte aber auch mächtige Konsequenzen haben können, nicht nur für Real Madrid, sondern auch für die spanische Nationalmannschaft. Leute wie Casillas und Ramos standen zum Glück drüber, deshalb hat sie Mourinho ja auch als Verräter bezeichnet. Wenn ich es schreibe, merke ich wieder, wie lächerlich kleingeistig sein Verhalten war. Übrigens rechne ich einem C. Ronaldo hoch an, dass er sich nie von dem ganzen Mourinho-Kampf-bis-zum-Tod-Geschwafel hat anstecken lassen und trotz Rivalität zu Messi und Co immer fair blieb. Aber jetzt schweife ich ab.
Ganz im Allgemeinen neigen wir alle natürlich dazu, die Vergangenheit zu glorifizieren und vergessen, die negativeren Dinge. Das passiert beim Thema Mourinho genauso wie, wenns um die Zeit vor Perez geht, dem wir vor allem wirtschaftlich ungemein viel zu verdanken haben. Ich persönlich denke, die Zeit von Florentino sollte langsam vorbei sein, man hat vieles erreicht und wenns nach mir geht, sollte man sich wieder mehr auf die eigenen Werte besinnen, den Fokus auf die spanische Liga legen und die Cantera nicht nur als Gelddruckmaschine benutzen. Mir ist aber auch klar, dass nicht jede Perez-Alternative eine bessere Alternative ist, das hat das Intermezzo Calderon gezeigt. Darum hoffe ich, dass Perez sich nach der Stadion-Eröffnung, das neben den Titeln sein Denkmal sein wird, zurückzieht und für einen fähigen Nachfolger Platz macht, der den Fokus wieder aufs Sportliche und die eigene, "echte" Identität legt – selbst wenn die von FP geänderten Statuten die Dinge nicht einfach machen werden. Über Boluda weiß ich zu wenig, keine Ahnung, was er für Visionen hätte. Kann jemand vielleicht mehr zu ihm sagen?
@Los_Merengues: Von mir aus können wir das Thema Mourinho an dieser Stelle gern beenden, ich hatte aber noch das Bedürfnis, mich mit diesem Post näher erklären zu müssen. Gracias!
Ich hatte wirklich gehofft das Perez das in meinen Augen wichtigste aus der Mourinho Zeit lernt und das war für mich etwas was lange verloren ging, Vertrauen. Vertrau dem Trainer, gib ihm die Spieler die er will/braucht bzw. die Spielertypen, gib ihm Zeit und lass ihn etwas aufbauen. Leider bekam nur Mourinho und mit abstrichen Zidane dieses Vertrauen, bei dem 1. gut da es nur so funktionieren kann wobei ich halt kein Freund davon bin das ein Trainer auch Sportdirektor ist und beim zweiten auch gut nur muss man nun reagieren wenn es eben nicht fruchtet.
Der Absatz spricht mir aus der weißen Fan-Seele.
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