
“Es ist ein sehr, sehr, sehr wichtiges Spiel!” Das betonte Zinédine Zidane im Vorfeld des Champions-League-Heimspiels gegen den FC Brügge (2:2). Die Hoffnungen der Fans nach drei aufeinanderfolgenden Spielen ohne Gegentreffer und Tabellenplatz eins in der Liga groß, musste man insbesondere in der ersten Halbzeit zusehen, wie man vom Underdog aus Belgien geärgert wurde, sich zwei katastrophale Konter fing, wobei Stürmer Emmanuel Dennis den Ball gleich zweimal regelrecht ins Tor stolperte – Erinnerungen an dunkle Vormonate.
Das kann es nicht sein! Binnen zwei Wochen verspielt sich Real Madrid wieder alles, was vorher aufgebaut wurde. Die Königlichen beginnen wieder bei Null: Dass die nach einer peinlichen 0:3-Niederlage bei Paris Saint-Germain im zweiten Gruppenspiel einen Sieg benötigten, stand außer Frage. Doch, dass das Team dann so auftritt? Nach 0:2 zur Halbzeit zwar noch zum 2:2 gekämpft, könnte es so für die Blancos in der Gruppenphase eng werden. Real auf Europa-League-Kurs? Dabei hat James Rodríguez, der gegen Brügge (angeblich angeschlagen) nicht im Kader stand, bereits nach dem PSG-Debakel betont: „Passiert das noch mal, sind wir dumm.“
Schön dumm wirkte der Auftritt der Blancos gegen Brügge jedenfalls allemal.
Zu große Lücken in der Defensive, zu viele Leichtsinnigkeiten, zu viele Fehler und mit Brügge einen Gegner, den das Team nach einem Höhenflug von drei Partien auf die viel zu leichte Kappe genommen hat – die Fehlerliste ist lange. Doch ein Ausrutscher war das nicht! Es zeigte sich dieselbe Mentalität, die sich schon in den Vormonaten und insbesondere in der Katastrophen-Saison 2018/19 zeigte: Kein grenzenloser Wille zu Siegen, mit dem Kopf nicht bei der Sache und Überheblichkeit. Sergio Ramos, Dani Carvajal, Luka Modrić, sie alle waren nicht immer bei der Sache!
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Welchen Anteil trägt Zidane? Der Franzose stand nach der 0:3-Pleite bei PSG mächtig unter Druck und war gefragt. Eine fast perfekte englische Liga-Woche ließ “Zizou” Luft schnappen, jetzt muss er sich erneut hinterfragen. “Das ist ein schlechtes Ergebnis. Aber wir haben eine gute Reaktion gezeigt”, befand der Real-Coach nach dem 2:2 gegen Brügge. Eine gute Reaktion? Soweit darf es gegen einen Gegner wie Brügge in der Champions League nicht einmal kommen. Ohnehin war ein Sieg absolute Pflicht, nach einem Auftritt wie jener in Paris hätte es sogar eine Machtdemonstration werden müssen. Von allem fehlte jede Spur.
Dass Zidane im Vorfeld des 2. Champions-League-Spieltags neben dem (angeblich) angeschlagenen James auch Gareth Bale schonte, scheint ebenso unerklärlich. Auf dem Papier schien Brügge – nur knapp ein Zehntel des Werts der Blancos – vielleicht wie ein Gegner, der Zeit zu Rotationen zulässt, doch sie alle unterschätzten den belgischen Vizemeister – die Stars auf dem Feld, der Star an der Seitenlinie.
Die Verletzungssorgen so gut wie passé, setzte Zidane zudem seine Hoffnungen lieber auf einen Lucas Vázquez, der seit Wochen unterirdisch spielt. Auch Modrić erhielt nach seiner Verletzung wieder einen Platz in der Startelf. Der kroatische Weltfußballer befindet sich aber ebenso noch in einem Loch wie 2018/19 – das zeigte sich besonders nach seinem fatalen Fehlpass, der zum 0:2 resultierte, traf ansonsten zu oft falsche Entscheidungen. Umbruch, Umbruch, Umbruch heißt es immer – zu sehen ist davon gar nichts. Zidane lässt genau so spielen wie bereits zu seiner ersten Amtszeit. Spieler, die seit Monaten keine Leistungssteigerung zeigen, spielen trotzdem. Warum? Auf der Bank wären doch noch andere, die motivierter sind und sogar bessere Leistungen zeigen.
Langsam gibt es keine Ausreden mehr! Die Saison ist nach mittlerweile neun Saisonspielen im vollen Gange. Bis auf Marco Asensio (Kreuzband- und Meniskusriss) und Ferland Mendy (Adduktoren) gibt es bei den Königlichen auch keine Verletzen mehr (außer Neuzugang Nacho Fernández). Zidane kann somit (fast) aus dem Vollen schöpfen. “Wir wollen um jeden Titel mitkämpfen”, rief Toni Kroos noch vor der Saison als klares Ziel aus. Insbesondere in der Königsklasse hinkt man aber bereits nach dem Spieltag zwei den eigenen Ansprüchen hinterher. Ob nur der deutsche Mittelfeldstratege dieses Ziel verfolgt? Gegen PSG und Brügge hatte es allen Anschein.
Zidane hatte im April für die kommende Spielzeit zwar das „Hauptziel“ LaLiga ausgerufen („Die Liga wird unsere Priorität”), dass sich dies aber dann auf die Champions League bislang derart peinlich ausübt, darf nicht sein. Selbst, wenn Zidane die spanische Meisterschaft als klares Ziel fokussiert hat, dürfte man bei Real Madrid, dem Rekordtitelhalter der Königsklasse, den Henkelpott nicht aus den Augen verlieren. Und zumindest die Gruppenphase bestehen – denn ein Vorrunden-Aus gab’s bislang noch nie!
Es muss besser werden, das ist allen klar. Zum aktuellen Zeitpunkt stellten nicht Paris oder Brügge die Ausrutscher dar, sondern eher die letzten drei Ligaspiele. Souveränität im Liga-Alltag als Überraschung. Eine Überraschung, die wieder Gewohnheit annehmen muss. Speziell bei so “sehr, sehr, sehr wichtigen” Spielen…
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