
Die Sportzeitung MARCA schreibt nun sogar, die Blancos würden Jović gerne loswerden. Zinédine Zidane will davon nichts wissen und betont, man werde in den kommenden Jahren auf den Neuzugang zählen. Trotzdem debattieren viele Madridistas über Jović. Auch REAL TOTAL-Redakteur Edin Soso und Kerry Hau, ein früheres Redaktionsmitglied, bewerten die Zukunft des vor einem Jahr verpflichteten Stürmers unterschiedlich.
PRO Trennung – Edin Soso: Jović lernt nicht aus seinen Fehlern
Eines vorweg: Ich bin ein großer Fan des Spielers Luka Jović. Als jemand, der seinen Werdegang und seine Entwicklung bereits seit den ersten Einsätzen als 16-Jähriger für seinen Heimatverein Roter Stern Belgrad mit Spannung verfolgt hat, hatte ich mich im Sommer über seinen Wechsel von der Frankfurter Eintracht zu Real sehr gefreut. Dass es in der ersten Saison in Madrid für ihn schwer werden würde, war zu erwarten. Obwohl er bei seinen meist sehr kurzen Einsätzen oft einen etwas lethargischen Eindruck vermittelte und keine wirkliche Bindung zur Mannschaft erkennen ließ, kann man ihm die magere Torausbeute allein schon aufgrund der geringen Spielzeit nicht ankreiden.
Von Beginn an genoss Jović trotz aufkommender medialer Kritik an seinen Leistungen die volle Rückendeckung des Vereins, vor allem durch Trainer Zidane. Doch anstatt dieses Vertrauen mit Fleiß und harter Arbeit im Training zu rechtfertigen und sich für mehr Einsatzminuten zu empfehlen, sorgte der serbische Nationalspieler in den letzten Monaten vor allem abseits des Platzes für Furore. So weilte er beispielsweise mit Freunden in Belgrad, nachdem er aus dem Kader für den Clásico am 1. März geflogen war, während seine Kollegen gegen den Erzrivalen aus Katalonien spielten. Nach dem Ausbruch der Corona-Krise reiste Jović trotz einer für zwei Wochen angeordneten häuslichen Quarantäne in Madrid nach Belgrad. Dort soll er sich trotz Quarantäne-Pflicht draußen aufgehalten haben, weshalb ihm sogar der serbische Präsident Aleksandar Vučić öffentlich mit Verhaftung drohte. Unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Madrid wurde bei Jović eine Fußfraktur festgestellt, sodass die Wiederaufnahme des Trainings bei Real ohne den Angreifer stattfand und er in Folge wochenlang ausfiel.
Der nächste Zwischenfall ließ nicht lange auf sich warten. Im Juni postete Jović ein Foto von einem Grillfest, auf dem er Arm in Arm mit einem Freund zu sehen war, obwohl Real Madrid seine Spieler explizit angehalten hatte, die Abstandsregeln einzuhalten. Nachdem er endlich fit wurde und am vergangenen Sonntag in Bilbao in den Schlussminuten für Karim Benzema eingewechselt wurde, fällt er nun wieder aus, weil in seinem engsten Freundeskreis eine Person positiv auf das Coronavirus getestet wurde und der Ex-Frankfurter sich daraufhin in Selbstisolation begeben musste.
All diese Vorfälle mögen im Einzelnen keinen Grund darstellen, die Zukunft des serbischen Angreifers bei den Königlichen in Frage zu stellen. Die Summe und die Häufigkeit jedoch deuten auf eine kaum vorhandene Fähigkeit hin, aus eigenen Fehlern zu lernen und sich nur auf das Sportliche zu fokussieren. Stattdessen häufen sich die mehr oder weniger selbstverschuldeten öffentlichen Fehltritte des Spielers, die anschließend medial ausgeschlachtet werden und immer wieder negative Schlagzeilen produzieren. Dadurch wird der Druck auf Jović in der Zukunft noch größer werden und seine Weiterentwicklung beim spanischen Rekordmeister erheblich schwieriger werden lassen, als sie ohnehin schon ist.
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Daher bin ich der Meinung, dass eine Trennung nach der laufenden Saison für alle Seiten das Beste wäre. Real Madrid benötigt einen Angreifer, der dazu in der Lage ist, Benzema kurzfristig Konkurrenz zu machen, diesen anschließend auch zu ersetzen. Einen, der sich ausschließlich darauf konzentriert und fokussiert. Jović selbst kann sein zweifellos großes Talent unter Umständen in einer neuen, einfacheren und ruhigeren Umgebung besser zur Entfaltung kommen lassen als in der spanischen Hauptstadt, wo er in der Öffentlichkeit bereits ein negatives Image besitzt, welches sich nur schwer korrigieren lässt.
Nichtsdestotrotz ist er mit seinen 22 Jahren und der guten Reputation aus den Frankfurter Zeiten ein Spieler, für den es durchaus noch einen Markt gibt, sodass Real in diesem Sommer die Chance hat, die an Frankfurt gezahlte Ablöse von 60 Millionen Euro zumindest teilweise zu kompensieren. Ein weiteres Jahr voller Missverständnisse und negativer Schlagzeilen könnte den Marktwert des Spielers hingegen völlig ruinieren.
CONTRA Trennung – Kerry Hau: Jović verdient ein zweites Jahr
Wenn man 60 Millionen Euro in einen Spieler investiert, erwartet man natürlich, dass er diese Summe auf Anhieb rechtfertigt. Sportlich betrachtet konnte Jović dies meiner Meinung nach aus drei Gründen nicht.
- 1. Benzema. An dem Franzosen führt vorne kein Weg vorbei. Seit Jahren. Und zwar mit Recht, weil seine Spielintelligenz ihresgleichen sucht. Seit dem Abgang von Cristiano Ronaldo ist der 32-jährige Franzose sogar der wichtigste Offensivspieler im Team von Zidane. Reals Spiel ist auf ihn zugeschnitten. Weshalb Jović dasselbe Schicksal ereilt wie beispielsweise Álvaro Morata.
- 2. Zidanes System. Im Gegensatz zu Morata, der sich gerade in der Saison 2016/17 als tolle und treffsichere Ergänzung zu dem damals aber auch schwächelnden Benzema erwies, passt Jović von seiner Spielweise her überhaupt nichts in Zidanes bevorzugtes 4-3-3. In Frankfurt profitierte er unheimlich vom 3-5-2, weil er in Sébastien Haller einen wie Benzema sehr spielintelligenten Sturmpartner hatte, der Bälle festmachen und seine Kollegen in vielversprechende Abschlusspositionen brachte. Im 4-3-3 ist Jović auf sich allein gestellt – und hat nicht die weltweit einmaligen Anlagen von Benzema, um in die Rolle des Allrounders (Torjäger, Wandspieler und Flügelbelagerer zugleich) zu schlüpfen.
- 3. Jović selbst. Die von Edin genannten Fehltritte, allen voran die selbstverschuldete Verletzung während der Corona-Pause, minimierten die Chancen des Serben auf Einsätze. Trainingsleistungen lassen sich für Außenstehende wie uns nicht bewerten, vergleicht man aber allein die Körpersprache von Jović mit der von Mariano bei Spielen, so liegt der Verdacht nah, dass der Neuzugang nicht alles aus sich herausholt und sich mit seiner aktuellen Lage zufrieden gibt.
Jović muss an sich arbeiten, daran besteht kein Zweifel. Sein verkorkstes erstes Jahr bei Real ist aber nicht nur seine Schuld. Benzema wird nicht ewig spielen, weshalb Zidane auch einen Plan entwickeln muss, damit die Offensive in Zukunft nicht mehr so abhängig von dem Mann mit der Nummer 9 ist. Eine Doppelspitze Benzema-Jović wurde nie wirklich über 90 Minuten ausprobiert, das Experiment mit einem 3-5-2 verwarf der Trainer bereits in der holprig verlaufenden Vorbereitung auf die Saison.
Jović sollte daher mindestens ein zweites Jahr in Madrid bekommen. Wer erinnert sich noch an die erste Saison von Benzema? Als die Presse auch von einem reservierten, kühlen Zeitgenossen ohne Real-DNA und mit dem Hang zur Skandalnudel schrieb? Nach nur einem, übrigens für den gesamten Verein diffizilen Jahr ein Urteil über einen Spieler zu fällen, der von Mutter Erde (Frankfurt) zum Olymp (Madrid) kommt, ohne die dortige Sprache (auch in fußballerischer Hinsicht) zu verstehen, ist meiner Meinung nach unangebracht. Zumal sich Jovićs vermeintliche Fehltritte in keiner Weise mit denen von Benzema zu dessen Anfangszeit bei Real vergleichen lassen. Der schrottete Autos, zog nachts um die Häuser und brachte sich mehrfach in juristische Bredouille – man erinnere sich nur an die Sache mit Franck Ribéry und der minderjährigen Prostituierten oder an die Sextape-Affäre um Mathieu Valbuena.
Jetzt ist Jović nicht derselbe Spieler und Charakter wie Benzema. Ein bisschen mehr Geduld braucht es dennoch, um sich schon völlig von dem Gedanken zu entfernen, er passe zu Real.
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