
Wer hätte das gedacht? Ich nicht. Was ich meine? Zwei Titel! Das sind jetzt schon mehr als Barcelona erreichen kann, während City derzeit “nur” bei zwei kleinen Pokalen steht. So what?
Und ja klar, der Liga-Titel und die Supercopa kaschieren natürlich über eine aus spielerischer Sicht nicht immer gute Saison hinweg. Aber: Titel zählen nunmal.
“Wir haben nicht immer gut gespielt, sind aber immer als Mannschaft aufgetreten”, fasste schon Toni Kroos die Saison zusammen. Und er hat recht: Den Wegfall eines Ausnahmekönners wie Cristiano Ronaldo haben die Blancos im Gegensatz zu 2018/19 in dieser Saison großenteils kollektiv gelöst. 21 unterschiedliche Torschützen stellen einen neuen LaLiga-Rekord dar, nur 25 Liga-Gegentore sind nicht nur der Bestwert in Reals Historie, sondern auch der Beleg, dass die Mannschaft als Einheit funktioniert und zusammen gearbeitet hat. Zumindest in der Primera División. Denn in der Champions League konnten die Blancos einen weiteren Ausfall eines Mentalitätsmonsters – in dem Fall Sergio Ramos – nicht auffangen geschweigedenn Raphaël Varanes Fehler ausbügeln. Kein aufbäumen, keine Ideen, keine Risiken. Aber auch da muss man zugeben: Manchester City war in jeder Hinsicht besser. Oder wie Kroos nach Abpfiff feststellte: “Über 180 Minuten ist City verdient weitergekommen.”
So ist Real Madrids Saison mit einer Enttäuschung zu Ende gegangen. Und einem der wenigen Auftritte, in dem die Blancos nicht als Einheit auftraten. Soll das nun die Stimmung vermiesen und 2019/20 negativ in Erinnerung bleiben? No! Diese Spielzeit war dennoch eine gute. Hätte man mir zu Saisonbeginn zwei Titel angeboten, hätte ich sofort unterschrieben. „Die Meisterschaft war das Ziel zu Saisonbeginn“, hob Kroos nochmal Zidanes klar formulierte Priorität hervor. Ich hätte nicht mit dem Erreichen gerechnet. Warum? Weil weder die letzten Partien 2018/19 nach Zidanes Übernahme (fünf Siege, zwei Remis, vier Niederlagen) noch die Saisonvorbereitung noch der Start 2019/20 (fünf Punkte aus den ersten drei Spieltagen, dann das 0:3 in Paris) mir Hoffnung machten. Der Trainer-Effekt schien verpufft, Zidanes Magie verblasst. Und doch kam alles anders.
Ja, einer der Gründe, warum Real sich zum Meister krönte ist auch, weil Barcelona die vermutlich schwächste Saison der Ära Messi erlebt – sowohl aus spielerischer als auch aus Ergebnissicht. Und doch hat Real Madrid sich den Liga-Titel selbst erarbeitet und verdient. Trotz diverser Hürden.
Wer hätte gedacht, dass die zwei Wunschspieler, für die Florentino Pérez 175 Millionen Euro hinlegte, so enttäuschen würden? Nicht nur auf Eden Hazard und Luka Jović war kein Verlass, auch nicht auf die null-Bock-Spieler James Rodríguez und Gareth Bale, mit denen sich Real im Sommer bedauerlicherweise nicht auf eine Trennung einigen konnte. Und dann war da noch der Kreuzbandriss von Marco Asensio, der sich für das neue Jahr so viel vorgenommen hatte. Die Königlichen hätten viele Ausreden gehabt, den Nichterfolg zu erklären. Doch dann legten Karim Benzema, Thibaut Courtois, Casemiro, Sergio Ramos, Toni Kroos und auch Pechvogel Varane eine aus persönlicher Sicht außergewöhnliche Spielzeit hin, Federico Valverdes Stern ging auf, Ferland Mendy entpuppte sich zum besten Neuzugang und vieles mehr. Real war wieder ein „Equipazo“, ein Top-Team. Geeint mit dem einen Ziel – der ersten Meisterschaft seit 2017.
„Ich hatte immer das Gefühl, dass die Mannschaft es will. Speziell nach Corona war da ein Geist, den man gespürt hat“, erklärte Kroos, was auch ich sah. Die Mannschaft erarbeitete sich den Liga-Titel auch dank zehn Siegen in Folge, jeder Spieler nutzte die Corona-Pause, um sich individuell weiterzuentwickeln. Sixpacks hier, absoluter Wille da. Und dann war das große Ziel erreicht, die Müdigkeit kam, der “Geist” flog davon und mit leerem Akku trafen die Blancos auf ein viel motivierteres, spritzigeres City. Mit dem Ausscheiden hatte ich mich schon abgefunden, einerseits weil die „Skyblues“ im Hinspiel schon besser waren, abgezockter wirkten und den Erfolg „dringender brauchen“ und andererseits, weil es einfach menschlich ist, mal zu schwächeln. Jetzt können die Blancos mal wieder nur Mensch sein, sich um ihre Familien kümmern, ohne besonders stramme, individuelle Trainingspläne. Drei Wochen Urlaub, und dann wird wieder angegriffen.
Weder Fans noch Spieler sollten mit Wehmut auf die Saison zurück blicken. 2019/20 war eine gute Saison, weil es zwei Titel und eine Mannschaft gab, die sich (großenteils) als Einheit präsentierte – auch ohne den ganz großen Glanz vergangener Tage. Note 2! Real Madrid befindet sich immer noch im Umbruch, wartet auf den künftigen Ausnahmekönner (Kylian Mbappé) und wird auch 2020/21 einige Hürden vor sich haben – und doch sollte man stolz sein auf das Erreichte. Wem das nicht reicht, eine kleine Erinnerung: Von den letzten sechs vergebenen Champions-League-Pokalen stehen immer noch vier in der Vitrine des Bernabéus. Es dürfen auch mal andere gewinnen.
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